laut.de-Kritik
Kühlender Elektropop für tropische Sommernächte.
Review von Martin MengeleDer Himmel ist ultramarinblau, und die Sonne schreibt es in neonrotem Sans Serif darüber: das Leben ist schön! Aber irgendwie fehlt etwas. Und obwohl das Cover des neuen Albums mit dem selbstreferentiellen Hinweis überhaupt keinen Interpretationsspielraum mehr zulässt, fühlt man sich an Magrittes Pfeifen-Bild erinnert: "Dies ist kein Tonträger!".
Der Titel hat aber vielleicht auch etwas mit der Abwesenheit von Stuart Price beim Produktionsprozess zu tun - die schrittweise Abnabelung vom Kreativ-Vater. Die relativ lange Abwesenheit der britischen Band lässt uns jedenfalls mit verklärtem Blick erkennen, was wir in unserer aufgezwungenen Zoot Woman-Askese über die Jahre schmerzlich vermissen mussten: den abgeklärten, innerlich kühlenden Elektropop.
In tropischen Sommernächten wie diesen braucht man neben Cocktails und Klimaanlagen magnetische Goosebump-Hooklines wie im Auftakt "Solid Gold". Die unterkühlte, durch sprunghafte Breaks gebrochene Stimme von Johnny Blake führt in hypnotischem Widerhall zurück nach 2003, als diese Band ihr selbstbetiteltes Mega-Album herausbrachte und die ganze laut.de-Redaktion dies als Album des Jahres, und später als eines der wichtigsten Alben der Nuller-Jahre feierte.
2017 passiert nun endlich das, was Pop-Connaisseure seit der Blütezeit des Elektroclash und spätestens seit ihrer Zusammenarbeit mit Stuart Price insgeheim herbeisehnten: ein Kylie-Cameo! Wer aber bei "Still Feels Like The First Time" eine Dancefloor-Hymne à la Fischerspooners Remix von "Come Into My World" erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Denn in dieser schwülstigen Boudoir-Ballade ist Kylies Organ so dermaßen auf Püppchen hochgepitcht, dass es sich beim Duett mit Johnny Blake anfühlt, als würde man Ken und Barbie in ihrem rosa Plüsch-Schlafzimmer beim Sex beobachten.
Weltschmerzliche Synthie-Balladen waren schon immer ein Markenzeichen des Duos. Bei "Black Fly" romantisiert Johnny Blake kopfstimmig mit einem sakral anmutenden Orgel-Loop. Daraus wächst ein geschmeidig dahin schwebendes Minimalismus-Mantra, das sich einer barocken Last völlig entledigt hat. Dem Beat fehlt vielleicht eine Unze an Wumms und Tempo, und so reift er zu einem nur homöopathisch dosierten Aphrodisiakum heran, anstatt zu einer Viagra-Überdosis.
Genauso verträumt gibt man sich bei "You Said The Day Would Come", wo Blakes Stimme wie ein Abziehbild des New Romantic angeheftet ist. Sein Bruder Adam bedient sich unauffällig aus Stilmitteln des Italo-Disco, um nach Hinten hinaus in ein Daft Punk-eskes Synthie-Freakout abzudriften. So klingt "Absence" wie der Soundtrack zu einem neuen Neon-Film mit Ryan Gosling unter der Regie von Nicolas Winding Refn oder einfach wie eine gelungene Reminiszenz an den Synthiepop der 80er Jahre.
2 Kommentare
Schöne Musik zum Träumen, in der Tat am nähesten an Ihrem Meisterwerk "Living in a magazine". Bin nur gespannt, ob es annähernd so lange begeistern kann.
"Things Are What They Used To Be" fand ich klasse, danach out of touch