laut.de-Kritik

Der Sound platzt aus allen Mainstream-Nähten.

Review von

Der Volksmund sagt: Wenns am schönsten ist, soll man gehen. Die Guano Apes hätten sich besser dran gehalten. Mit ihrem Comeback-Album tun sie sich keinen großen Gefallen - und ihren Fans leider auch nicht. Einmal mehr wünscht man sich "Proud Like A God" zurück.

Legt man voll Vorfreude "Bel Air" ein, macht sich sehr schnell große Enttäuschung breit. Die Platte klingt wie die Fortführung von "Walking On A Thin Line". Allerdings in die völlig falsche Richtung. Mehr Pop, mehr Elektro, mehr Synthies. Dafür weniger Rock, noch weniger Dreck, viel weniger Crossover. Was die Band Ende der 90er so geil und anders gemacht hat, werfen die Guano Apes komplett über den Haufen. Man ist ja jetzt "musikalisch gereift", wie sie in der TV-Werbung sagen.

"Musikalisch gereift" bedeutet also, radiotauglichen Rock zu produzieren und den mit Synthies zu untermauern, bis der Sound aus allen Mainstream-Nähten platzt. Sandras Stimme mag tatsächlich gereift sein. Sie singt deutlich besser und klarer als vor ein paar Jahren. Damit geht aber auch die Aggressivität verloren, die das Quartett so gut gemacht hat. Schreien und rappen tut Sandra so gut wie gar nicht mehr.

Eigentlich reicht es, sich das Cover anzusehen, um die Veränderung zu erkennen. Wo mal eine Fledermaus und eine Ameise waren, posiert Sandra in Glitzer-Mini-Rock und Mega-High-Heels in Kack-Pose im Vordergrund. Ihre drei Jungs stehen unbeholfen dahinter. So klingt die Platte auch: Wie eine Solo-Show von Frau Nasic. Ihre Stimme steht permanent im Rampenlicht, drängt sich manchmal sogar penetrant mit gedoppeltem Gesang auf. Die Musik bleibt Beiwerk.

Ich bin nun wirklich niemand, der Entwicklung und Veränderung nicht gut heißt. Aber ich weigere mich auch, eine Entwicklung als großartig abzunicken, nur weil ich Fan der Band bin. Zum Glück ist die Platte nicht von vorne bis hinten Grütze. "Oh What A Night" lässt sich noch am ehesten mit den "alten" Apes vergleichen. Hier dürfen die dicken Bratgitarren Wände einreißen, und Sandra schreit sogar mal.

In "Tiger" bauen sie ein dreckiges Stonerriff, über dem Sandra richtig fies singt. "All I Wanna Do" fängt ganz gut an, bleibt dann aber wieder im Poprock hängen. Den typischen Disco-Beat verwenden sie hier, wie auf der ganzen Platte, recht inflationär. Das rockige "Trust" kommt komplett ohne Elektrosounds aus und erinnert angenehm an alte Crossover-Brachialität. Der Song geht wohl noch als der Beste der Platte durch, rettet sie aber nicht wirklich. Dazu zieht sie der Disco/Elektro-Rock der anderen Songs zu sehr runter.

Wer mit dieser Art von Genrebastard etwas anfangen kann, darf der Platte ruhig eine Chance geben. Im Prinzip ist "Bel Air" gut gemacht. Die Produktion fällt sehr pompös und fett aus, die Synthie-Sounds abwechslungsreich, und die Apes strotzen vor Energie und messerscharfer Tightness. Das Album funktioniert bestimmt super in jeder Indiedisco. Soviel muss man ihnen lassen.

Anhänger der alten Songs werden allerdings ihre Schwierigkeiten haben, sich hier reinzufinden. Wenn in "She's A Killer" plötzlich ein Trance-Beat über die Gitarren fegt, hat das zwar etwas von Enter Shikari, aber will das der Fan der frühen Stunde? Die Songs haben gute Ansätze und geile Parts, aber ebenso viele, die einfach nur nerven, stören oder schlicht langweiligen. "You should stop count on me", singt Sandra. Man kann ihr leider nur zustimmen.

Dem Guano Apes-Fan bleibt nicht viel übrig: entweder das Album komplett ignorieren - oder so tun, als wäre es kein Apes-Album, sondern eins einer völlig anderen Band. Ansonsten wird Enttäuschung regieren. Im Promo-Text steht: "Wenn du ein Comeback planst, ist eines ganz klar: Du musst mindestens so gut sein wie vor deinem Abschied". Tja, tut mir leid, liebe Apes. Das ist euch nicht gelungen.

Trackliste

  1. 1. Sunday Lover
  2. 2. Oh What A Night
  3. 3. When The Ships Arrive
  4. 4. This Time
  5. 5. She's A Killer
  6. 6. Tiger
  7. 7. Fanman
  8. 8. All I Wanna Do
  9. 9. Fire In Your Eyes
  10. 10. Trust

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38 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    @ Dragnet, die Apes haben eine treuere, hingebungsvollere Fanbase als je zuvor. Es gibt eine Art Fanclub, der ihnen auf alle Konzerte (in ganz Europa nachreist) :)

  • Vor 9 Jahren

    Mir gefällt dieses Album sehr gut. Es war das erste, was ich von den Apes gehört habe und ich fand es richtig klasse. Mit den Hits von früher, kann ich mich leider nicht so anfreunden. Wahrscheinlich bin ich nicht so der alternativ Rock typ. Obwohl ich sagen muss, das Lords of the boards richtig Hammer klingt :-) . (Mein Lieblingssong vom Album "Bel Air" ist "Sunday Lover". Es ist komplett anders ... ).

  • Vor 9 Jahren

    Mir gefällt dieses Album sehr gut. Es war das erste, was ich von den Apes gehört habe und ich fand es richtig klasse. Mit den Hits von früher, kann ich mich leider nicht so anfreunden. Wahrscheinlich bin ich nicht so der alternativ Rock typ. Obwohl ich sagen muss, das Lords of the boards richtig Hammer klingt :-) . (Mein Lieblingssong vom Album "Bel Air" ist "Sunday Lover". Es ist komplett anders ... ).