laut.de-Kritik

Unverfälschte Bauchgefühl-Musik für den Underground.

Review von

"Das Musikbusiness fickt meine Seele", so Anton Spielmann frustriert irgendwann in "Utopia Ltd.", einer Dokumentation aus dem Jahr 2011 über die Band 1000 Robota. Die damals noch blutjungen Musiker kämpfen mit den Erwartungen des Labels, ihrem Produzenten Johann Scheerer, der Musikpresse, aber vor allem mit sich selbst. Die Doku von Sandra Volkel beschrieb eine Band, die gerne noch einmal eine Jugendrevolution starten möchte und in den immergleichen kleinen Clubs merkt, dass gar nicht so viele Jugendlichen mitmachen wollen. Auch die Journalisten, alle bereits nicht mehr jung, lassen schnell ab, als Spielmann etwas zu forsch den Liebling der Musikpresse Thees Uhlmann angreift.

Selbst das Label Tapete weiß nicht so recht, wie sie die Band vermarkten soll. Eine sagenhaft bescheuerte Idee war es jedenfalls, die Band vor Fettes Brot spielen zu lassen. Drei schon damals angekommene Pop-Rapper mit gefälligen Songs zum fröhlichen Armeschwenken und als Support drei Teenies, die ihre Wut herausschreien. Den größten Applaus ernten sie, als sie den letzten Song ankündigen. Fettes Brot sind geblieben, konsequent im Mittelmaß. Dieses Jahr kündigten sie ihre Auflösung an, während 1000 Robota plötzlich und unerwartet zurückkommen.

Die Situation für Indie-Rock ist 2022 und 12 Jahre nach dem zweiten Album "Ufo" eigentlich noch schlimmer, eine Jugendrevolution noch weiter entfernt als in den Nullerjahren. Anton Spielmann, Sebastian Muxfeldt und Jonas Hinnerkort sind nun keine Kids mehr, sondern drei Menschen um die 30, die in der bildenden Kunst ihre neue Heimat fanden. Sei es am Theater oder in der Musikproduktion. Wahrscheinlich auch realistischer, was die Gesellschaft angeht. "Wir wollen weder die Welt zerstören, noch wollen wir sie retten", erzählen sie zum dritten Album "3/3". Es ist davon auszugehen, dass selbst die sehr selbstbewussten 1000 Robota nicht mehr mit einem Erfolg rechnen. Eine schöne Ausgangslage, so ganz ohne Erwartungen und viel Freiheit. Viel Platz für Neuerfindung.

Die nervösen Post-Punk-Gitarren stehen diesmal nicht mehr so im Vordergrund, ebensowenig der Gesang von Spielmann oder irgendeine greifbare Parole wie "Hamburg brennt". Es ist ein anstrengendes Album mit Soundcollagen und einer gespenstischen Atmosphäre geworden. Äußerst unkommerziell und irgendwie muss man Tapete - finanziell noch nie auf Rosen gebettet - dafür Respekt zollen, dass sie so ein schwieriges Album veröffentlichen. Ausgerechnet zum zweiten großen Post-Punk-Revival um Bands wie Yard Act oder Idles, wo man mit dem Sound von 2008 erfolgreich andocken könnte. Stattdessen Lieder, die beim ersten Anhören ziemlich überfordern. Nicht die Musik, die sofort ankommt oder greifbar erscheint.

Schon im ersten Song "Binich" passiert zu viel, um direkt Zugang zu finden. Auf The Cure-artigen Bass kommt modulierter Gesang und ein Kampf zwischen Neo-Klassik und Noise. Und das in Zeiten, in denen Songs auf Spotify schon nach Sekunden ihr Schema F vorgeben müssen, um den Hörer nicht sofort zu verlieren. "3/3" ist Underground und wird es auch bleiben. Die Verbindung zum Mainstream komplett gekappt und schon wieder irgendwo in der eigenen Nische. Es soll auf keinen Fall intellektueller Diskurs-Pop sein, den die Drei anbieten. Eher intuitive, unverfälschte Bauchgefühl-Musik.

"Gift" war der Titel zu einem Kurzfilm, den Spielmann konzipierte. Überhaupt hatte er seine Heimat in den letzten Jahren im audiovisuellen Bereich gefunden. Vielleicht fehlt manchmal diese Ebene, wenn die Musik eben genau so klingen, als ob sie eine bedrohliche Paniksituation weiter verstärken. Auf jeden Fall mehr Einstürzende Neubauten-Avantgarde, mit viel Lust am Experiment, bei dem der schmerzhaft singende Chor anfangs noch ehesten im Ohr bleibt. Und doch erkennt man in den nächsten Anläufen so viel mehr. Die sehr behutsam aufgebaute Percussion und dann wieder diese kurze Laufzeit von drei Minuten. Danach muss man wirklich erst einmal die Gedanken sortieren.

1000 Robota greifen wirklich sehr hoch. Schon in ihren jugendlichen Phasen wirkte es so, als sei der Anspruch weiter als das eigentliche künstlerische Vermögen. Auf "3/3" kommen die Gedanken und die Musik etwas näher aneinander, aber so richtig fließt es trotzdem nicht zusammen. In die im Grunde genommen ruhige Krautrock-Nummer "Erde heben" schreien sie möglichst atonal hinein. Es soll bestimmt Emotionen erzeugen, aber kommt einfach nur prätentiös rüber. Die Band scheint es zu ahnen, und schickt im Pressetext gleich mal ein "Wir tun das, was wir tun, auf die Art, wie wir es haben wollen. Hingebungsvoll!, auch wenn das für die ein oder andere nicht immer gleich sinnvoll erscheint" voraus.

Leidenschaft lässt sich dem dritten Album nicht absprechen, aber die Band sucht immer noch. Das Album endet mit 29 Minuten und verpasst damit die Stringenz der Zahl 3. Etwas symptomatisch für ein Album mit viel Potenzial und auch großartigen Momenten. Es liegt nun an uns, ob wir ihnen noch mehr Chancen geben. Der Band kann es letztlich herzlich egal sein. Sie sind eine Einheit geworden, die gemeinsam einen schweren und eigensinnigen Weg geht.

Trackliste

  1. 1. Binich
  2. 2. Gift
  3. 3. Popkorn
  4. 4. Schma
  5. 5. Ende
  6. 6. Erde heben
  7. 7. Blume Rucksack
  8. 8. De Ar Mensch
  9. 9. Finde Mich
  10. 10. Statur Im Flur

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