laut.de-Kritik

Die beste Morissette seit langem.

Review von

Eigentlich sollte man gleich ein Fass aufmachen, wenn man dieser Tage eine Produktion in Händen hält, die einmal nicht von Timbaland veredelt (?) wurde. Alanis Morissette hält sich lieber an Guy Sigisworth.

Mit Imogen Heap als Duo Frou Frou unterwegs, hat jener aber auch eine beträchtliche Referenzliste vorzuweisen: Madonna, Björk, Sugababes, Britney Spears, UNKLE und Seal sind nur die Bekanntesten, denen er sowohl beim Songwriting als auch beim Knöpfchendrehen unter die Arme gegriffen hat.

Und ja, das hört man Alanis' fünftem regulären Studioalbum auch an. Einen Opener wie "Citizen Of The Planet" konnte wohl kaum jemand erwarten. Sigisworth hievt einige - man mag es angesichts des organisch klingenden Sounds gar nicht glauben - programmierte Tablas-Sounds aufs Tapet, schon tönt der Einstieg alles andere als gewöhnlich. Der Text thematisiert etwas platt liberales Gutmenschentum, aber klanglich fährt Morissette für ihre Verhältnisse eine fast schon experimentelle Schiene. Sägende Riffs im Refrain sorgen derweil für den nötigen Anschubdruck für das Album.

Weniger überraschend kommt "Underneath". Zu berechenbar düdelt die Vorab-Single als erwartbarer kommerzieller Kaufanreiz dahin. Eine typische, etwas flotter gehaltene Morissette-Nummer, auch wenn mit den verwendeten Drum-Loops ein paar soundtechnische Lockerungsübungen auf dem Programm stehen.

Was die Kompositionsmuster anbelangen, liegt auch in "Straightjacket" nicht der Stein der Weisen verborgen, aber mit den stark an die oben erwähnten Sugababes erinnernden, mächtig wabernden Synthies geht die Tanzbarkeitstendenz steil, was der Kanadierin mit US-Pass überaus gut zu Gesicht steht. "Versions Of Violence" bedient sich daraufhin exzessiv düsterer synthetischer Beimengungen, weshalb der Song im Morissette-Katalog einen geradezu apokalyptischen Status einnimmt.

Die hübsche Piano-Ballade "Not As We" bildet den melancholischen Kontrast zum dunkel klingenden Wirbel und wirkt im Album-Zusammenhang fast wie ein Neuanfang. Positiver, freundlicher und sonniger wird es im weiteren Verlauf. Quer sitzende Emotionalitäten ob ihrer persönlichen Situation verarbeitet Alanis nicht mit Wut im Bauch, sondern mittels perlend dahin gleitenden Songideen. Das mündet zwar auch in vertonter Cheesyness ("In Praise Of The Vulnerable Man"), bringt aber ebenso locker und natürlich klingende Popsong-Varianten hervor.

Wer bereits nach dem Hören der ersten Albumhälfte sein Urteil gefällt hat, handelt vorschnell, denn die guten Ideen tummeln vorwiegend im Hinterfeld der Trackliste. "Tapes" könnte mit einem herzerweichenden, nicht zu kitschig daher kommenden Pathos auch gut aus Björks Feder stammen. Licht und Schatten liegen hier hörbar eng beieinander und erschaffen eine schillernde Songperle, die mit Sicherheit zu den besten Morissette-Momenten seit langem gehört.

Scheinbar tut es Alanis gut, die Zügel wieder etwas aus der Hand zu geben. Guy Sigisworth konnte sie von Klangexperimenten überzeugen, die ein belebendes Element auf "Flavors Of Entanglement" bilden. Mit einer Sugababeschen Catchyness und Björk-haftem Tiefgang erfindet sich Alanis Morissette fast neu. Zumindest hat man im Gegensatz zu neulich kaum mehr den Eindruck, sie wäre zum Selbstzitat verkommen.

Trackliste

  1. 1. Citizen Of The Planet
  2. 2. Underneath
  3. 3. Straitjacket
  4. 4. Versions Of Violence
  5. 5. Not As We
  6. 6. In Praise Of The Vulnerable Man
  7. 7. Moratorium
  8. 8. Torch
  9. 9. Giggling Again For No Reason
  10. 10. Tapes
  11. 11. Incomplete

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13 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    schade das zu den bonus tracks nichts geschrieben wurde.. von denen würden sich bestimmt noch einige gut auf dem Album machen. (statt straitjacket oder gigglegagainfornoblabla) ;) die neue platte ist auf jeden fall besser als so-called chaos find ich.. mir gefielen diese 08/15 nummersicher powerpop songs davon überhaupt nich.. da ist die elekronik jetzt nich verkehrt.

    trotzdem fehlt halt irgendwas seit '98.. "joining you", "baba", "would not come" oder songs ohne strophe und refrain ala "the couch" wären mal wieder nett gewesen.. ;)

  • Vor 16 Jahren

    Zitat (« schade das zu den bonus tracks nichts geschrieben wurde.. »):

    sind halt auf dem rezensionsexemplar nicht drauf ...

  • Vor 16 Jahren

    irgendwie freue ich mich so sehr auf diese CD, this is all bringin' back memories... :smug: und mit dieser review steigert sich die vorfreude schon fast ins exzessive. ich bin gespannt!

  • Vor 16 Jahren

    endlich mal etwas erfrischendes im sumpf von gewöhnlichen, dahinplätschernden neuproduktionen von 90s acts. experimentierfreude zahlt sich halt manchmal doch aus! - hier nach stagnation der letzten alben auf jeden fall etwas auf dass man sich einlassen sollte. - diese produktion war eine interessante idee.

  • Vor 16 Jahren

    wow, das album ist der hammer, mega genial. hätt ich nicht erwartet. seit dem ersten album klangen die meisten sachen so lala, gab einiges gutes, aber auch einiges nicht so prickelndes.

    aber dieses album ist echt genial. bin mit mittlerere erwartung ran gegangen und wurde so positiv überrascht dass ich hier gar nicht mehr aufhören kann zu schwärmen =)
    der überwiegend elektronische sound klingt genial und passt überraschenderweise sehr gut zu alanis. auch ihre stimme klingt gut und steht immer im vordergrund und dazu gibts auch noch tolle melodien u teilweise gute texte.
    ich bin begeistert <3

  • Vor 16 Jahren

    Ich höre gerade in die Bonustracks rein

    Track 01 "Orchid" ist ein tolles romatisches und sehr sinnliches Lied für Stunden zu zweit. Wirklich toll !
    Track 02 "The Guy Who Leaves" der Bonus CD liefert wieder diesen genannten "Druckschub". Das Lied ist sogar "Disco-fähig"
    Eine moderne Alanis eben ... für mich ist die Moderinsierung gelungen ! Ich kann dieses Album sehr empfehlen .. aber bitte mit Bonus CD bestellen.