laut.de-Kritik
Southern Sounds, die an Al Green und Doobie Bros. anknüpfen.
Review von Philipp KauseWenn Eddie 9V-Sänger Brooks Mason in "Cry Like The River" wie ein Fluss weint, dann plärrt er sein Herz heraus. Eine Orgel, geklimpert von Chad Mason, meistert die Aufgabe, sein Schluchzen und Kreischen aufzufangen. Hier wird uns ein schauspielerisch brillanter Frontmann mit einer rundum zwischen Soul und Blues versierten Band zuteil, die als Metamorphose aus der Alternative Rock-Band Preachervan hervorging. In erster Linie war das eine Live-Band, ein Bandcamp-Account mit einigen Singles ist von Preachervan geblieben.
Eddie 9V ist eine noch recht junge Band, und "Saratoga" ihr drittes Album innerhalb kurzer Zeit. Es zaubert Soul nach Machart Al Greens in "Love Moves Slow" neben Drama-Töne im Stile des Rag'n'Bone Man, punktet mit elegantem Falsett-Gesang und würzigen Saxophon-Riffs in "Halo", überrascht und beeindruckt mit Broken Beats mit den Mitteln der Gitarre im rhythmisch starken "Red River". Obschon das Quintett erst einmal der Blues-Szene zugerechnet wurde und großen Wert darauf legt, bei einem Blues-Label unter Vertrag zu sein, handelt es sich mitnichten um ein Blues-Album und enthält genau genommen keine einzige bluesig gespielte Nummer.
Der Opener und Titelsong ginge noch am ehesten in diese Richtung, könnte auf einer Ana Popovic-oder Samantha Fish-Tour im Vorprogramm die Stetson-Hut-Träger fesseln, denn die harte E-Gitarrenarbeit bezirzt mit ihrem erdigen - aber auch eine Spur funky - Vibe. Näher steht der Song "Saratoga" aber John Fogerty und Creedence Clearwater Revival, deren Hits Brooks Mason als Teenager einübte.
Ansonsten überrascht es kaum, dass seine Band dasselbe Management wie Nathaniel Rateliff und dessen Night Sweats hat. Den Southern Soul fangen Eddie 9V um einiges differenzierter und rhythmisch feinfühliger ein, mal mehr mellow, wie in "Love You All The Way Down", mal klassischer, wie in "The Road To Nowhere", mal mit Nachdruck in "Wasp Weather" ("Wespenwetter"). Für letzteren Song ließ Brooks Nägel in einen Eimer fallen und nahm das Scharren auf, um damit einen außergewöhnlichen Klang als Snare Drum-Geräusch zu erzielen. Die aufgespannten Saiten seiner Lead-Guitar leierte er aus, um einen verwaschen-verstimmten Sound herzustellen.
"Saratoga" ist mit all seinen Zutaten das Beste, was in diesem Segment seit langem erschien. Lediglich den Texten kann man eben nur attestieren, dass sie zweckmäßig sind, damit etwas zum Singen da ist. Sie behandeln die Rätsel der Liebe, Glücksspiel, Stimmungen, musikhistorische Referenzen. In Staunen versetzen sie nicht.
Etliche musikgestalterische Elemente kennt man auch aus angrenzenden Genres und bestens bekannten Songs. In "Truckee" kann man die perfekte Kreuzung aus "Black Water" von den Doobie Brothers und der ersten Strophe von CSNs berühmter "Suite: Judy Blue Eyes" hören. "Tides" besitzt fatale Ähnlichkeit zu den Disco-Grooves in Nikka Costas und Mark Ronsons "Like A Feather". "Love Moves Slow" folgt den einzigartigen Rhythmus-Patterns von William DeVaughans "Be Thankful For What You've Got".
"Chamber Of Reflection" covert Brass-dominiert, schleppend und scheppernd inszeniert den zehn Jahre alten Streaming-Hit von Mac DeMarco. Das Original hört sich zurückgenommen, verhalten, ein wenig psychedelisch, schüchtern, leise und weich an. Eddie 9V verwandeln es in etwas Hartes, Kontrastreiches, Scharfkantiges, Grelles.
Der Name "Saratoga" steht ruhmreich für die Stadt, in der die amerikanischen Siedler ihr Bestreben nach Unabhängigkeit von der britischen Krone siegreich verteidigten, 1777 war das. Saratoga (im Raum New York) ist der Ort, an dem der Legende nach die Kartoffel-Chips erfunden wurden, 1853. Im Lauf der US-Geschichte wuchsen mindestens so viele Saratogas in den Staaten, wie es Portlands gibt, sodass der LP-Titel von Eddie 9V symbolhaft für amerikanischen Sound steht. Es ist eine Platte, die auch wirklich als Vorbild dafür dienen kann, wie man das Südstaaten-Lebensgefühl mit akustischen Mitteln vertont.
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