laut.de-Kritik
Dieses Songwriting braucht kein Spektakel.
Review von Martin LeuteFür die amerikanische Singer/Songwriterin Anais Mitchell ist Musik ein Vehikel, neben sehr persönlichen Geschichten vorwiegend politische Botschaften zu vermitteln, ohne es an Universalität und Poesie fehlen zu lassen. Als prägende Einflüsse nennt sie Künstler wie Bob Dylan, Joni Mitchell oder Leonard Cohen.
Bei "Hymns For The Exiled" handelt es sich um das bereits 2004 auf Waterbugs erschienene Werk, das nun auf Ani DiFrancos Label Righteous Babe wiederveröffentlicht wird. An Aktualität hat dieses Album nichts eingebüßt.
Dass Anais mit ihren Liedern an die amerikanischen Folk-Roots anknüpft und ihre Songs mit der gezupften Akustikgitarre begleitet, verwundert bei den genannten Vorbildern wenig. Ganz behutsam ranken sich um das wundervolle Gitarrenspiel Cello-, Bratsche- oder Bass-Arrangements, während auf ein Schlagwerk verzichtet wird.
Wer mit einer solch literarischen Sensibilität, eindringlichen Stimme und unaufdringlicher Melodik aufwartet, der darf sich zurecht auf reduzierte Instrumentierung verlassen und verfehlt dennoch nicht die Wirkung. Mit Mollakkorden führt sie das Album mit "Before The Eyes Of Storytelling Girls" ein; zuerst ist man überrascht von diesem kauzigen, rau-süßem Gesang, der aber schnell unter die Haut geht. "I could tell you stories/ like the government tells lies", singt sie hier und lässt mich unverzüglich erahnen, dass es sich hier um eine außergewöhnliche Musikerin handelt.
Dieser Eindruck bestätigt sich im weiteren Verlauf, großartige Melodielinien, die sich nie aufdrängen und Refrains, die Anais vielmehr nur andeutet als sie zum Mittelpunkt der Songs zu erheben. Das klingt, intoniere da jemand im Wohnzimmer auf der Couch zum perlenden Gitarrenspiel zärtlich-bittere Lieder, die einen fasziniert fragen lassen, warum einem diese Sängerin nicht schon früher ans Herz gelegt wurde. Diese Stimme, die sich als sehr variationsreich erweist, will man nicht mehr missen.
Regierungskritik offenbart sich in Anais' musikalischem Schaffen als immer wiederkehrendes Thema. Völlig unplakativ setzt sie sich in "The Belly & The Beast" oder "A Hymn For The Exiled" mit den kriegerischen Aktivitäten der Bush-Ära auseinander, um in "One Good Thing" die Antwort auf die Frage nach den positiven Seiten der USA offen zu lassen.
Die Das ergreifende "Orion" ist einem verstorbenem Freund und Drummer gewidmet, in "Two Kids" greift sie bewegend auf Worte des syrischen Poeten Noor al-Din Ba'aj zurück. Bei Anais Michell greifen Lyrics, Melodik und behutsame Instrumentierung ganz harmonisch ineinander. Diese Dame muss kein wahrlich kein Spektakel veranstalten, um gehört zu werden.
Das intime "Hymns For The Exiled" entwaffnet mit elf zauberhaften Liedern, denen die Traurigkeit durchaus eingeschrieben ist, die den Kampf für eine bessere Welt aber dennoch hoffnungsfroh aufnehmen. Eine leise und berührende Singer/Songwriterin, deren Namen man sich merken sollte. Der Folk ist bei ihr in guten Händen.
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