laut.de-Kritik
Gehört in jede Rap-Playlist.
Review von Stefan Johannesberg1999 im Blitz-Record-Store in Kiel City: Während der Plattenteller rotiert, bricht sich die Enttäuschung Bahn wie Fußballfans beim Auswärtsspiel. Wo ist der Wu auf "Immobilarity", Raekwons so heiß ersehnter Nachfolger des besten Rap-Albums aller Zeiten? Der poppig-popelige Puffy-Sound auf dem Werk verwirrt und verärgert die Heads. Doch dann taucht er auf, einer der schönsten und tiefsten Songs, die jemals aus Staten Island rüber in den Big Apple jetteten: "The Table". Das asiatisch-anmutende Sample transportiert die ganze Tiefe und Melancholie der Shaolin-Emcees, während Masta Killa mit perfekt passendem Slow Flow die Bedeutung des Clans für immer auf eine Papyrusrolle schreibt.
Zurück in der Zukunft wie Biff Tannen tropft eine Glücksträne auf das Dinkelbrot, als Apollo Brown für "Wizadry" ein fast identisch anmutendes, synthetisches Flöten-Sample auspackt, das jene sehnsüchtige Nachdenklichkeit kongenial adaptiert, während Planet Asia mit ähnlich kräftiger, aber angenehmer Stimme seine Bedeutung ans Rap-Firmament schreibt. Die Erinnerungen lassen die Synapsen vibrieren. Detroits Apollo Brown verfeinert den Track jedoch noch mit spährischen Chören, die sich wie ein roter Faden durch "Sardines" ziehen und in vielen Songs auftauchen. Doch kurz zurück zum Wu.
Der Clan ist omnipräsent, ohne dass Asia oder Apolle biten. Vielmehr zitiert und hebt ihn das Duo ins Jahr 2023. So kommt der Opener mit chinesischen Geistersounds und einem gechoppten Rae-Reim in der Hook: "No question, I would flow off, and try to get the dough" vom "C.R.E.A.M."-Klassiker. Italienische Mobster- und Cuban Linx-Anspielungen folgen. Planet Asia aus Fresno bildete Anfang der 2000er eine Speerspitze des kalifornischen Underground, der im Schatten des G-Funk prächtig gedieh und zusammen mit den Rawkus-Rappern Rucksäcke voller Ruhm in der Szene erntete. Asias Liebe zum Wu mündete 2019 gar in ein "Planet Wu"-Projekt.
Zwei Jahre zuvor hatte es schon das erste Albumprojekt von Planet Asia und Apollo Brown gegeben. "Anchovis" begeisterte B-Boys und -Girls mit 'drumless'-Beats, Rza-Loops und viel Old-Soul – und genau dort setzt "Sardines" an. Oder wie es Planet Asia rappt: "Uh, slick talk, one-takes, the drumless versions / My new juju". Findet The Alchemist die weirden Samples und hat DJ Muggs immer ganz Filme vor Augen, ist Apollo der King of drumless Boom Bap.
In "Stones" geht mit 60er-Jahre-Schnipseln und Streichern die Sonne auf, während sich Planet Asia konterkarierend den Problemen des afroamerikanischen Individuums mit dem modernen Kapitalismus widmet. "Fly Anamolies" und "Jungle Juice" könnten aus dem Playbook des Wu-Tang Clans stammen, verrückt bis gefährliche Fünf-Prozent-Texte inklusive ("Devils on my Jimmy" als Synonym für Weiße, die im bildlich oder wortwörtlich den Pimmel lutschen oder "Labelexecutives a bunch Aleister Crowleys" als Gleichsetzung der weißen Plattenbosse mit Satans Finest). Es ist kein Wunder, dass Brown ausgerechnet Ghostface "Supreme Clientele" in seinen Top Five aufzählt. Der Vibe ist der gleiche.
Absoluter Highlight-Track auf einem stabil hohem Niveau ist "Peas & Onions". Die Einbindung des Vocal-Samples in Strophen und Chorus, die wieder einmal exzellente Rhythmik trotz des fehlenden Beat-Unterbaus und Planet Asias Einblick in seine Realität, dieses Mal ohne jene Farrakhan-Plattitüden, gehören in jede Rap-Playlist. Teil drei muss kommen.
4 Kommentare mit 8 Antworten
Ein Album, das man sich anhören sollte, man wusste ja nicht, das man auf so etwas gewartet hat. Tolle Rezession. Danke dafür.
Nur 6 Fans auf Laut. Pffff.
Btw ist Apollo der King of Boom Bap generell und dieses Drumless-Ding nervt und langweilt mich auch hier mal wieder eher.
Geht mir genauso. Die Idee, ein Element/Instrument wegzulassen, um etwas Neues/Anderes zu schaffen, ist ja durchaus kreativ. Im Falle der Drums taugt mir das aber gar nicht. Mir ist es lieber, wenn bei einem guten Beat (inkl. Drums) der MC in den Hintergrund rückt oder gerne ganz zuhause bleibt.
(Kenne von Apollo Brown nur The Easy Truth, die ist top!)
Words Paint Pictures übrigens auch klasse. No Questions ebenso.
Na dann habe ich ja was zum Nachholen. Besten Dank.
De nada. Und Blasphemy mit Ras Kass wie anderweitig erwähnt. Für mich die größte Hit-Dichte neben The Easy Truth.
Hab bereits in die ganzen Vorab Singles reingehört und genau wie die erste Kollab mit Planet Asia ist auch diese nicht mein Ding.
Favorites bei Apollo weiterhin „Sincerely Detroit“ und „Cost of Living“ - die sollte man tatsächlich in seiner Rap Playlist haben!
Blasphemy und The Easy Truth nicht?
"Trophies"!!
Stimmt. Wobei da für mich nur ein paar Highlights drauf sind. Wie zb auch bei Che Noir.
Die Platte ist schön chillig. Auf die fehlenden Drums hab ich erstmal gar nicht geachtet und dann ist es sehr nice.