laut.de-Kritik
Atmosphärischer Reibeisenrap ohne technische Finessen.
Review von Dani Fromm"Das Leben, das ich erlebt habe, gibts in tausendfacher Ausführung, hier in Hamburg Süd, in Berlin, in Frankfurt, überall in den Metropolen in Deutschland, wo es Jugendliche wie mich gibt." Vielleicht liegt genau hier ein Hase namens Problem im Pfeffer: Jeder einzelnen Geschichte, die Bacapon auf "Raubtiermuzik" erzählt, hat man schon tausendmal und öfter gelauscht.
Wir hören vom "Krieger", von "Stolz", vom "Gangster No. 1", zu dem sich jeder Kleinkriminelle gerne stilisiert. "Jeder Weiß" - spätestens zu diesem Zeitpunkt des Albums - dass der Henker aus dem elften Stock ein Gangster war, "Damals". Einer mit einem einzigen vordringlichen Anliegen: "Cash Machen". Originell ist das nicht.
Auf Originalität legt Bacapon schlicht keinen Wert. Seine Mission, die er auch ohne erzählerische wie technische Finessen unerbittlich verfolgt, lautet Authentizität. Ob und in welcher Form Herr Türksönemz dereinst tatsächlich gegen das Gesetz verstoßen hat, ist mir dabei vollkommen schnuppe. Vor meiner Haustür liegt kein Dschungel, da liegen Schrebergärten.
In meiner persönlichen Idylle entscheidet einzig und allein, ob mir glaubwürdig erscheint, was ich höre - und das tut es durch und durch. Schön, dass mal einer zur Abwechslung nicht auf den längst abgefahrenen Ghetto-Glorifizierungs-Zug aufzuspringen versucht, sondern statt dessen Dinge beim Namen nennt: "Eine Pussy mit 'ner Waffe in der Hand ist nicht mehr als 'ne Pussy mit 'ner Waffe in der Hand."
Bacapons heisere, ungeschliffene Stimme ruft mir dabei vor allem eine Erkenntnis ins Gedächtnis zurück: Zum Teufel, was vermiss' ich Ferris! Deutlich weniger durchgeknallt als der Billy Idol des Rap, dafür aber ruhelos, von den Umständen ausgebremst wie ein Panther hinter Gittern im Zoo: Solche Bilder zerrt Bacapons Reibeisenrap vor mein inneres Auge.
"Bacapon Störtebeker" (respektive der für "Schiff Ahoi" verantwortliche Produzent, dessen Identität das vorliegende Rezensionsmaterial leider gekonnt verbirgt) fängt mit Wellengang, Schifferklavier und Möwengeschrei ordentlich Lokalkolorit ein und hebt sich damit durchaus aus der Masse der Straßenrapper heraus. Das erkannte vordem bereits ein anderer Hanseat: Gossen gibts überall, doch"nicht jede (Stadt) hat 'n Kiez und 'ne Alster, und nicht jede hat 'n Hafen."
Erstaunlich positiv, freundlich und durchdacht wird es, wenn zu einem Akustikgitarrenbeat aus dem Hause Sleepwalker die Zukunft der "Kinder" thematisiert wird. In "Zeit" scheint zwar noch immer El Cattivo einsam durch die Nacht zu reiten, doch auch hier steht dem Interpreten die gesetztere, überlegte Sichtweise durchaus gut zu Gesicht.
"Auch, wenn man meine Raps jetzt nicht mag: Keiner kann mir widersprechen, wenn ich sage, dass die Beats einfach Bombe sind", so Bacapon im Interview. Schade nur, dass die vorliegende Kopie der Platte kaum je verrät, wem der Ruhm für die überaus stimmungsvollen Kulissen gebührt.
Der Zuständige, wer immer das sein mag, nehme denn Lob entgegen: für die breiten Synthies und metallischen Sound aus "Fuck Bubu", für Orgeltöne, einen tickenden Rhythmus und einzelne Pianonoten in "Krieger", für das ganz große akustische Drama in "Wach Auf", für das Brummen, das einen in "Schattenlicht" direkt bei den Eingeweiden packt.
Die orientalischen Melodien in "Gangster No. 1", mit denen das Kunststück glückt, zugleich wuchtig und beschwingt zu wirken, gehen - das weiß ich ausnahmsweise - einmal mehr auf Sleepwalkers Konto. Darko Beats pickte das spitzenmäßig gewählte Chanson-Sample in "Damals". Ähnlich atmosphärische Gesamtpakete liefert mir sonst eigentlich nur Shiml. Auch ein Nordlicht - ob das etwas zu bedeuten hat?
6 Kommentare
Hmm mal etwas reingehört und ansich müsst ich mir das als Hamburger mal zulegen aber ich komm irgendwie auf die Stimme nicht klar...
ich finde auch das die stimme auf dauer nervt. 0815 durchschnitt, mehr nicht.
gerade die stimme find' ich halt super.
geschmacksache. kann man nix machen.
nach hengtzs album die nächste schwere enttäuschung dieses jahr.
musik kakke
Menschlich top !
ein Album das niemand braucht