laut.de-Kritik
Nachdenkliche Geständnisse vom 'Nick Carter der Orsons'.
Review von Nelleke SchmidtIn seinem aktuellen Pressetext bezeichnet Rapper Bartek sich selbst humorvoll als den "Nick Carter der Orsons" - und irgendwie hat er damit Recht. Seit jeher ist er Bestandteil von Deutschraps wohl softester Boyband. Gemeinsam haben Maeckes, Tua, Kaas und Bartek in den vergangenen 13 Jahren diverse Bühnen bespielt, Alben veröffentlicht und die weiche Seite von Deutschrap in den Mainstream gebracht.
Neben all den Aktivitäten als Band sind alle vier auch als Solo-Artists aktiv - oder sie sind es zumindest in der Vergangenheit verstärkt gewesen. Nur für ein Solo-Album hat es bei Bartek bislang aber nicht gereicht, abgesehen von den Maeckes & Plan B Collabo-Alben. "Never change a running system" könnte man meinen, aber für Bartek ist es anscheinend an der Zeit, etwas zu verändern: Nach 20 Jahren in der Musikindustrie erscheint am 15. Oktober 2021 das erste ganz eigene Album des Stuttgarters.
"Knäul" meint aber nicht, dass hier ein Haufen unabhängiger Songs einfach in eine Kiste geworfen und jetzt als schreckliches Durcheinander wieder hervorgeholt wurde. Stattdessen ist das "Knäul", von dem Bartek spricht, ein Gegenentwurf zum sonst so beliebten roten Faden, den viele gute Alben sonst mit sich bringen.
Auf allen zehn Songs wird deutlich: Das Leben ist eben nicht so schön linear, dass man seinen roten Faden verfolgen und nacherzählen kann. Manchmal läuft es einfach nicht gut und manchmal ist alles so durcheinander, dass wirklich niemand mehr weiß, wo noch oben und unten sein soll. Klingt ungewohnt seriös für den sonst so lustigen Orsons-Charakter? Ist es auch, dessen ist er sich selbst bewusst: "Ich hab' stundenlang gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen, nur um einmal für mich allein zu sein", heißt es auf "Kuhle".
Doch was bedeutet das, wenn Bartek einmal alleine ist und die Zeit zum Nachdenken findet? In erster Linie natürlich Auseinandersetzung mit sich selbst. Dabei schließt er direkt an das vorletzte Orsons-Album "Orsons Island" an: Während "Orsons Island" von einer Reise zum Kern des eigenen Ichs erzählt und im letzten Song auf der Insel der Selbstfindung strandet, beginnt "Kuhle" auf eben jener Insel, wo man zu sich selbst findet und das Leben zu schätzen beginnt. So ist das Kernthema auf "Knäul die Selbstreflexion, die bei Bartek aber verhältnismäßig positive und leichte Züge annimmt.
Die Instrumentals auf Barteks erstem Solorelease sind überwiegend ruhig und langsam gehalten, allesamt klingen sie nach Hoffnung und wohligem Bauchgefühl, was sicher auch den diversen Reggae-Einflüssen zu verdanken ist. Klingt erst einmal nett, lässt das Album mit nur 30 Minuten Spielzeit aber spätestens nach dem dritten Song länger wirken, als es eigentlich ist.
Was man aber positiv hervorheben muss und von dem unaufregenden Sound ablenkt: Die Ebene, auf der sich die Songs inhaltlich befinden. Dafür, dass man von Bartek bislang eher simple, oberflächliche Texte und Wortspiele kennt, überrascht "Knäul" mit vagen Geschichten und Metaphern, die beim Zuhören bunte Bilder im Kopf erzeugen. Dieser Bilder scheinen für Bartek beim Schreiben auch der Kern des Albums gewesen zu sein. "Da kommen Regenbogen aus den Wolken über der Stadt", heißt es beispielsweise auf "Regenbogen". Mit dem melancholischem Sound des Songs fällt es irgendwie schwer, den Regenbogen als Zeichen von Glück und Harmonie aufzufassen - muss man an dieser Stelle einfach mal für sich selbst entscheiden.
Neben zahlreichen Metaphern verzichtet Bartek aber auch dieses Mal nicht ganz auf altbekannte klare Erzählungen - nur sind sie im Fall von "Knäul" ernster als vermutet: "Wusste nicht mehr was ich machen soll, denn du warst auf einmal weg / wusste nicht mehr, wie man aufwacht und wie man richtig schläft / hättest ruhig auch was sagen können bevor du einfach gehst / ich liege wach und ich dreh mich und frag mich wo du bist"("Weg"). Spätestens wenn Bartek mit "Vogel" ein emotionales Klavierstück über die Schwere des Verlusts zum Besten gibt, wird deutlich, dass hier alles ein bisschen erwachsener und reifer ist, als man es vom Orsons-Bartek oder aus Plan B Zeiten kennt.
In der Summe bleibt Bartek aber eben doch der zuversichtliche, positive Typ, den die meisten zu schätzen wissen. "Wir hatten nur einen kleinen Blues aber jetzt ist alles in Ordnung, wir hatten nur einen kleinen Blues aber jetzt trocknen die Tränen", singt er selbst auf "Blues" und fasst damit treffend die Tonalität seines Albums zusammen. Und wenn man genau aufpasst, gibt es für Liebhaber:innen auch ein paar klassische Bartek-Jokes: "Hab vor lauter Schreck unseren Hund weggeworfen, der Stock soll ihn mir wiederbringen" ("Kätzle").
Zugegeben, einen revolutionären Sound bietet "Knäul" definitiv nicht - ebenso wenig wie brandheiße, ausgefallene Lyrics, die einen staunen lassen. Aber "Knäul" funktioniert trotzdem so, wie es funktionieren soll, solang man bereit ist, sich auf das Gefühl der Platte einzulassen. Die letzte Zigarette bei Sonnenuntergang im Gartenstuhl, wenn es draußen langsam kühler wird und es an der Zeit ist, ins Haus zu gehen, gemischt mit dem Gefühl, doch sitzen bleiben zu wollen, weil sich irgendwie gerade alles mal ganz okay anfühlt. Das ist wohl die Situation, in der sich alles anfühlt, wie es "Knäul" eben auch tut - melancholisch und nachdenklich, aber irgendwie auch zufrieden.
1 Kommentar mit 4 Antworten
Musik für Sodhahn, ungehört 1/5
Dir hat man ja seit jeher eine gewisse Nähe zu diesem Label nachgesagt, von daher wirkt dein Comment nicht sehr glaubwürdig
"Dir hat man ja"
Nicht "man", DU warst das.
Ja, sehr wacke Provo von Sodi...SEHR wack.
????