Porträt

laut.de-Biographie

Bicep

Bicep vereinen gewissermaßen zwei mit der Zeit standardisierte musikalische Werdegänge auf sich. Einerseits zeigen die beiden Nordiren über Jahre ihre Liebe zu elektronischer Musik, vorwiegend treibendem House und grellen Edits, und erarbeiteten sich ihren Status damit beharrlich. Andererseits profitieren Matt McBriar und Andy Ferguson wahrscheinlich mehr als andere Acts im Sektor von der Wirkmacht des Internets, das die Durchschlagskraft ihrer ohnehin eingängigen Hymnen potenziert.

Bicep - Isles Aktuelles Album
Bicep Isles
Ecstasy-Sound für die eigenen vier Wände.

Alles beginnt Ende der 2000er mit dem säuberlich gepflegten Blog feelmybicep, auf dem sich die beiden mit Gleichgesinnten austauschten, verloren geglaubte musikalische Schätze wieder ausbuddeln, der Allgemeinheit zugänglich machen und ihre musikalische Vision schärften.

Diese orientiert sich heute wie damals an den Neunzigern, alleine die Interpretation der sagenumwobenen und für Dance Music so stilbildenden Dekade hat sich geändert. Mit Tracks wie "Vision Of Love", 2012 noch auf dem nach dem Blog benannten eigenen Label veröffentlicht, frönt das Duo muskelbepacktem Deep House, der Open Airs und enthemmte Raves fokussiert. Simpel, eingängig, euphorisierend lautet die Formel, die peitschende Vocals noch auf die Spitze treiben.

2015 veröffentlichen Bicep dann "Just", das, in Windeseile und mit überschaubarem Aufwand produziert, zum Überhit nicht nur der Festivalsaison, sondern in der gesamten Szene avanciert. Luftige Breakbeats, düdelnde Synths und ein ätherischer Spannungsbogen sorgen dafür, dass der Track ein ums andere Mal auf den Plattentellern rotiert.

Breaks sind es 2017 auch, die McBriar und Ferguson den endgültigen Durchbruch bescheren und sie weit über die Szene hinaus bekannt machen. Mit "Glue", der bei weitem erfolgreichsten Auskopplung aus ihrem selbstbetitelten Debütalbum auf Ninja Tune, treffen sie den Nerv der Zeit mit messerscharfer Präzision. Ein ohnehin schon brodelndes Breakbeat-Revival tut sein Übriges, um den Nordiren einen regelrechten Starstatus zu verschaffen.

Fortan spielen Bicep keine DJ-Sets mehr, sondern Konzerte. Begleitet von opulenten, psychedelischen Visuals und einer aufwendigen Lichtshow avancieren sie zu Posterboys einer Bewegung, die Pop und elektronische Musik keineswegs als Widerspruch aufgreift, Caribous introvertiert-narkoleptischen Elegien aber überdrüssig sind.

Bicep fahren die Ecstasy-Schiene mit großem Pomp, schaffen mit weltmusikalischen Samples und zarten Frauenstimmen einen größten gemeinsamen Nenner für Ibiza-Kids und Techno-Veteran*innen, die sich in die goldenen Zeiten zurückwünschen. Dabei kommt ihr Sound nicht immer im Breakbeat-Gewand daher, auch erschöpfende Parforceritte bleiben im Angebot.

Mit ihrem zweiten Album, "Isles", das Anfang 2021 erscheint, bleiben sie dieser Formel treu. Bulgarische Frauenchöre und Gastsängerinnen geben sich die Klinke in die Hand, Songwriting übermannt Producing. Die relativ unwirsche Abkehr vom DJing funktioniert abermals: Bicep spielen Livestreams während der Coronakrise, rappelvolle Gigs – mit Zugabe, ein weiteres ungewöhnliches Merkmal eines Techno-Acts – sind nur eine Frage der Zeit.

Im GROOVE Magazin auf den Stilbruch weg von prügelndem Partysound hin zur großen Bühnengeste angesprochen, äußert sich Ferguson wie folgt: "Das liegt daran, dass all unsere alte Musik komplett auf Clubs ausgerichtet war. Wir hatten uns noch nicht wirklich dazu entschlossen, emotionalere Dinge und mehr Storytelling zu schreiben. Wir haben eben Tracks gemacht, die im Club funktionieren mussten. Erst als wir mit dem Album angefangen hatten, kamen die ersten Versuche nicht nur Musik zum Tanzen zu schreiben, sondern auch zum Hören. Das war ein Umbruch."

Ein Umbruch, der keinem anderen Act in der elektronischen Musik im 21. Jahrhundert besser gelungen ist als Bicep.

Alben

Bicep - Isles: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 3 Punkte

2021 Isles

Kritik von Maximilian Fritz

Ecstasy-Sound für die eigenen vier Wände. (0 Kommentare)

Surftipps

  • Feel My Bicep

    Der Blog der beiden Nordiren, mit dem alles begann.

    https://www.feelmybicep.com

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