laut.de-Kritik
Der Drain Gang-Kronprinz legt ein TikTok-Tarot.
Review von Malin HackerFür den Remix des Songs "Drama" traf Cloud-Rap-Prinz "I'm Bladee, she call me Blade-e" ("Hotel Breakfast") auf Hyperpop-Königin Charli XCX und Producer-Graf Mechatok. Kollaborateure, deren geistige Nähe man spürt, wenn man Bladee fünftes Studioalbum hört. "The Fool" verfolgt weiter, was "333" eingeläutet hat: einen verträumten, schrägen, unverwechselbaren Pop-Rap-Sound, der mit spirituellen Referenzen spielt.
Dabei verzaubert er mit den Produzenten Lusi und Ripsquad den Zuhörer zwar immer noch auf seine ganz eigene Art und Weise. Doch der Vibe ist ein anderer. Geradezu magisch. Die trendige Spiritual Awakening-Ästehtik hat auch den 27-jährigen Schweden eingeholt. Dank der Social-Media-Plattform Tik Tok sind Astrologie, Witchcraft, Heilsteine und "528Hz Love Frequency"-Meditationen mittlerweile wieder sehr populär.
Auch 'Der Narr' steht eigentlich für eine Tarotkarte, die einen Neuanfang einläutet. Man trennt sich von alten Lasten und Lebensumständen und setzt sein Vertrauen in das Universum. Richtig klar wird nicht, ob Bladee dies mit der Platte anstrebt. Aber: Mit seiner androgynen Ausstrahlung und den kryptischen Visuals ist er dem dort illustrierten tanzenden Jüngling zum Verwechseln ähnlich.
Für Balladen wie "I Think..." muss man kein True Religion Bottoms tragender Hardcore-Drainer mehr sein. Nein, die Melodien sind harmonisch, und wenn man beim Zuhören die Augen schließt, wird man in einen Wirbelwind gezogen, der irgendwohin zwischen verwunschener Blümchenwiese und ferner, glitzernder Galaxis mitnimmt.
Auch in "BBY" überzeugt er mit starkem, repetitiven EDM-Samples, angelehnt an Lil Uzi Verts "Futsal Shuffle 2020". Geradezu hypnotisch singt er mit affirmativer Stimme: "Tell me what you want, baby, I need you to tell me what you want / I can get it for you, baby, if you tell me what you want / Go to the store for you, I can go and shopping, what you want?". Die sonst so fragwürdigen Gesangs-Performances sind durch vielfach gedoppelte Background-Vocals und plötzliche, engelsgleiche Falsetto-Parts wie in "I Want It That Way" überraschend genießbar geraten.
Jeder nostalgische Bladee-Fan wird bei den häufig auftauchenden Trap-Beats komplett in "Icedancer"-Zeiten teleportiert. Zudem hört man auch des Öfteren Hip Hop-Beats und Einflüsse aus der momentan stetig wachsenden Hyperpop-Szene. Facettenreiche Lyrics verschaffen Komplexität: "Beauty's beautiful because decay / Turn your mental prison to a maze / Love is beautiful bеcause it goes away" ("Inspiration Comes").
Metaphern. Symbolismus. Antithesen. Mit einer Mischung aus Trance- oder EDM-Samples und den altbekannten Synth-Sounds schwingt eine klare Doppeldeutigkeit mit. Schönheit und Zerfall. Die Bedeutung dahinter bleibt schwammig, vor allem durch die direkt darauf folgende Referenz zum Track "Noblest Thrive" vom Album "333".
Eins steht fest: Im Vergleich zu "Exeter" und "333", die eher auf der experimentellen Seite angesiedelt sind, vereint Bladee hier im großen Stil den Inhalt und Sound seiner bisherigen Diskographie. Es stellt wohl wohl sein bisher rundestes Projekt dar. "The Fool" ist ein Geheimtipp für Drain Gang-Neueinsteiger und erinnert mit 13 eingängigen Tracks kaum mehr an die gute alte 2017 Emo-Working on Dying-Phase.
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