laut.de-Kritik
Zwischen Eingängigkeit und Frickeleien.
Review von Thomas HaasViele Produzenten begeben sich auch 2018 noch freiwillig in die zweite Reihe und agieren lediglich als Komparsen im sonst so aufwändig inszenierten Rap-Zirkus. Nicht so jedoch der Wahl-Pariser Bluestaeb, der mit "Everything Is Always A Process" bereits seine zweite Solo-Platte auf Jakarta Records, dem vielleicht versiertesten Hip Hop-Label im deutschsprachigen Raum, releast. Wie schon auf dem intimen Vorgänger"Rodalquilar" finden darauf hauptsächlich warme Instrumentals des Mittzwanzigers statt. Gemäß dem wunderbaren Titel steht nun der Schaffensprozess selbst im Fokus - das Ergebnis ist eine sprudelnde und doch grazile Aneinanderreihung und Neuinterpretation seiner zahllosen Einflüsse.
Um den Werdegang von Bluestaeb besser zu verstehen, lohnt sich ein genauerer Blick auf die musikalischen Wegbereiter der Platte. Für die Kollegen von hhv kuratierte er jüngst seine momentanen Lieblingsplatten - die entstandene Liste kann ein Stück weit als Äquivalent zum Sound des Albums verstanden werden. Neben organischen Hip Hop-Platten finden darauf nämlich Genres wie Soul, Funk, Disco und Dance gleichberechtigt statt. Diese Grundlage bildet den Nährboden, aus dem "Everything Is Always A Process" kreativer und meist eigenständiger Sound erwächst.
Die meiste Zeit kommt Bluestaeb ohne gesangliche Unterstützung aus. Nach einem verhältnismäßig groovigen Start folgt spätestens mit "Left & Right" das erste Ausrufezeichen: In bester Kaytranada-Manier legt Bluestaeb einen treibenden, housigen Beat vor, der mit seinen satten Drums auch auf den hiesigen Dancefloors nicht verkehrt aufgehoben wäre. In eine ähnliche Kerbe schlägt "No Way" mit der zauberhaften Harleighblu. Der Song wirkt wie ein Überbleibsel der "99,9%"-Sessions, funktioniert aber auch in diesem Kontext prächtig. Ein weiterer Song, der in seiner Produktion an einen bekannten Beatmaker aus Übersee erinnert, heißt "Alright". Er klingt mitsamt druckvollem brasilianischem Sample so, als stamme er aus den Sound-Maschinen von Sango (der seinerseits selbst schon über Jakarta veröffentlichte).
Derartige "Ausflüge" bereiten zwar äußersten Spaß, lassen bisweilen aber die Eigenständigkeit Bluestaebs vermissen, die sein Vorgängeralbum noch so sehr ausmachte. "Everything Is Always A Process" versteht es zu großen Teilen dennoch, für genau solche Momente zu sorgen. An der Seite des australischen Wahl-Berliners Noah Slee erinnert sich Bluestaeb an seine eigene Sound-Virtuosität, besonders "Mind" geht als waschechtes Highlight der Platte durch. An diesen Stellen beweist Bluestaeb auch seine Vielseitigkeit: Ob es reduzierte Kopfnicker ("All Day"), Future-Bounce ("All Smooth") oder astreine Pop-Nummern ("Mr.") sind - kaum ein anderer Produzent versteht es, derart verschiedene Styles so kohärent zu bedienen und dabei das Mittelmaß zwischen Eingängigkeit und Nerd-Frickeleien zu finden.
Zwischen den (leider wenigen) markanten Songs mit Feature-Gästen finden gedrosselte und verträumte Instrumentals ihren Platz, die sich zumeist im 90 BPM-Bereich bewegen und den typisch warmen und detailverliebten Bluestaeb-Sound aufleben lassen. In dieser Hinsicht spielt er zwar locker in einer Liga mit Szenegrößen wie Dexter oder Figub Brazlevic. Auf Albumlänge offenbart "Everything Is Always A Process" aber - und das trotz der generell kurzen Songs - gewisse Längen und wirkt stellenweise etwas ausdruckslos. So verliert die Platte an den entscheidenden Stellen mitunter an Drive. Nichtsdestotrotz bleibt die Erkenntnis, wie ausgefuchst und detailverliebt das noch junge Jakarta-Signing eine solche Platte stemmt. Von solchen Produzenten kann es gar nicht genug geben!
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