27. April 2006

Da wird der Hund in der Küche verrückt!

Interview geführt von

Mir wurde ja erst 24 Stunden vor dem Interview bewusst, Scheiße, ich treffe Jochen Distelmeyer. Was fragt man den Poppoeten der Liebe? Ich bin kein Blumfeld-Fan der ersten Stunde, aber spätestens seit "Neuer Morgen" ist für mich Jochen Distelmeyer der beste deutsche Lebenshymnen-Schreiber.Das musste ich ihm während des Interviews auch sagen. Hat sich so ergeben. Auch dass ich letztendlich mehr geredet habe, als er. Vielleicht waren meine Fragen zu plump? Vielleicht war ich zu aufgeregt? Vielleicht fehlte der rote intellektuelle Faden? Ich weiß nicht, was er am Ende über dieses Interview denkt. Amüsiert war er aber schon, auf jeden Fall erleichtert, weil ich die letzte "Nervtröte" an diesem Promotag war.

Bald ging es für ihn zurück nach Hause. Und ich weiß nur, dass ich mich wahnsinnig aufs nächste Blumfeld-Konzert freue. Dass ich den "Apfelmann" endlich live erleben werde, und vielleicht stimmt er auch wieder "Ich bin eene Kölsche Jung" an?! Und irgendwann erfahren wir dann auch noch, was Jochens erste Liebe war ... Das neue Blumfeld-Album "Verbotene Früchte" erscheint am 28. April.

J: Von welcher Zeitung bist du noch mal?

laut.de. Das ist ein Online-Musikmagazin.

Jochen: Aha.

1999 haben wir dich schon mal interviewt.

J: Ja?

Du erinnerst dich nicht wirklich?

J: Nein, nicht wirklich.

Die sitzen eigentlich am schönen Bodensee in Konstanz.

J: Ach. (O.k., ich befürchte, ich muss schnell die erste Frage stellen, sonst verlier' ich ihn. Dauert halt seine Zeit, bis mein "Profi-Equipment" am Start ist.)

So, meine Einstiegsfrage lautet immer: was war deine erste Liebe?

(lange Pause)

J: Hm, das ist mir zu privat, als erste Frage.

Echt? Aber es muss keine Person sein. Es kann eine Single, ein Tier oder eine Band sein? Holly Golightly hat z.B. damals Pferde geantwortet.

(lange Pause. Er sieht immer so aus, als würde er überlegen, aber es kommt nichts. Außer ein Blick mit lauter Fragezeichen über dem Kopf und einem beeindruckenden Lächeln.)

Du möchtest nichts dazu sagen?

J: (lacht) Nee, lass uns erst mal über was anderes sprechen.

Schade, ich find das ist immer eine gute Einstiegsfrage, aber gut, dann fangen wir mal direkt an. Und zwar, wie entstehen eigentlich Blumfeld-Songs?

(Lange Pause. Och Menno, Jochen, mach' es mir doch bitte nicht so schwer.)

Die Stimmung steigt mit dem Apfelmann

Gibt es da vielleicht eine besondere Vorgehensweise?

J: Also ich bin ja der Songwriter von der Band. Und ich schreibe alles auf, was mir so einfällt. Ich spiele zu Hause meine Songs, mit denen ich dann in den Proberaum gehe. Ja, und dann spielen wir halt so drauf los und sehen, wo wir damit ankommen.

Und wie kommt man bitte auf einen Song wie "Der Apfelmann"? Dieses Stück von eurer neuen Platte geht mir den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf. Ich finde es großartig, und ihr seid mit Sicherheit die erste deutsche Popband, die sich mit diesem Thema beschäftigt.

J: Ja, ich glaube auch, dass noch keine Band einen Song mit diesem Titel hat.

Und wo entstand der Song? Wie kommt man darauf?

J: Es gab keinen besonderen Anlass. Der war einfach so da. Der stand in meinem Zimmer...

Der Apfelmann?

J: Sozusagen, in Erscheinung dieses Stückes, und ja, dann habe ich das so geschrieben, das Stück.

Also, saß man nicht in seinem neuen Garten mit den vielen verschiedenen Apfelbäumen ...

J: Nein, nein.

Da tauchen ja auch verschiedene Apfelsorten auf, von denen ich vorher noch nie gehört habe. Aber interessant zu wissen, dass der "Geheimrat Oldenburg" besonders gut im Kuchen schmeckt.

J: (lacht) Schön.

Gab es denn schon Werbeangebote? Also dieser Song für einen leckeren Apfelsaft, kann ich mir gut vorstellen?

J: Nein, bisher noch nicht.

Ist auf jeden Fall ein richtiger Ohrwurm. Hätte sich auch gut als Single gemacht. Also fürs nächste Mal...

J: Ja, so als Anregung (schmunzelt).

Es gibt da dieses Forum auf der Intro-Webpage. Da haben die immer ewig lange Threads, u.a. auch über Blumfeld und da wird dann seitenlang über die neuen Songtitel spekuliert, wie sie denn bei einem schon bekannt gegebenen Albumtitel, in dem Fall "Verbotene Früchte" heißen könnten. Wahrscheinlich schaust du dir so was nicht an, oder?

J: Nee, eigentlich nicht, aber als wir beim Mischen der Platte in Berlin waren, da hatte Vredeber, unser Keyboarder, da mal reingeschaut und mir das auch gezeigt. Und ich hab mal einen kurzen Blick darauf geworfen und fand das sehr schön eigentlich. Also, wie die sich da so ihre Gedanken dazu gemacht haben.

Es waren ja schon auch sehr viele alberne Titel dabei.

J: Ja, das fand ich aber auch ziemlich gut. Mir hat halt diese Mischung gefallen, auf der einen Seite diese freudige Erwartung und Achtung vor dem was wir da so machen, als auch die Respektlosigkeit, die zu Gags geführt hat. Ja, das hat mir gut gefallen. Aber ich hab mir das jetzt auch nicht komplett durchgelesen.

Dann kam es später zur Bekanntgabe der richtigen Songtitel, und dann kam natürlich auch wieder Kritik und die Vergleiche auf. Diesmal wurden Rolf Zuckowski und Reinhard Mey genannt.

J: Aha, nee, das habe ich gar nicht mehr verfolgt. Gut, die haben dann wahrscheinlich die Platte noch nicht gehört.

Denke ich mal. Wie ist das denn für dich überhaupt, mit dieser Kritik oder solchen Vergleichen umzugehen? Ich denke, spätestens seit "Old Nobody" ging es los mit diesen Vorwürfen, ihr würdet jetzt Schlager machen. Tangiert das einen noch oder ist es eigentlich egal?

J: Mir ist es eigentlich egal. Kritik hat uns ja eigentlich schon von Anfang an begleitet. Also, seit der ersten Platte ("Ich-Machine", 1992). Seitdem gab es immer sehr gespaltene und unterschiedliche Reaktionen, bis ins Feindselige sogar. Das hat uns aber nie so tangiert oder beeindruckt. (Schaut auf den MD Player). Jetzt hat hier gerade irgendwas gezischt oder so. Läuft aber noch.

Ja, alles in Ordnung. Kannst du dich denn noch an die allererste Blumfeld-Kritik überhaupt erinnern?

J: Ich glaube die gab es nach unserer ersten Single "Ghettowelt". Darüber gab es eine tolle und auch beflügelnde Besprechung von Diedrich Diederichsen von der Spex. Die fiel ziemlich positiv aus, und das hat uns natürlich sehr gefreut und auf eine Art auch angespornt.

Auf eurem neuen Album "Verbotene Früchte" tauchen wahnsinnig viele Tiere auf. Zum Beispiel singst du in "Tiere um uns" die Zeile "Was wären wir nur ohne sie?" Mir fällt da aktuell und spontan dazu ein, dann hätten wir keine Vogelgrippe, Schweinepest... etc. ist vielleicht ein alberner Gedanke?

(Pause)

Aber wahrscheinlich hast du das eh geschrieben, als diese Themen noch nicht so aktuell waren?! (Schön, dass ich mir die Antworten immer selber geben kann.)

J: Ja.

Langsam ans Eingemachte

Dennoch, tauchen sehr viele Tiere auf. Du magst wahrscheinlich gerne Tiere ...

(Seufzt) J: Ich finde, das sind faszinierende Geschöpfe, und es gab eigentlich auf allen Platten vorher auch schon Tiere, die diese bevölkert haben. Jetzt gibt es halt dann noch so einen Song, der auch so heißt. Das ist aber in dem Sinne kein neues Thema oder kein neues Interesse.

Hast du denn ein bestimmtes Lieblingstier?

J: Nee, eigentlich nicht.

Hast du denn selber Haustiere?

J: Nein, hatte ich selbst auch nie.

Ihr habt auf eurer neuen Platte mit einem neuen Produzententeam gearbeitet und sowieso gab es einige Veränderungen innerhalb der Band. (Jochen guckt mich an, als würde er denken, oh Gott, was kommt jetzt ...). Chris von Rautenkrantz ist nicht mehr dabei. Wie kam es zum Wechsel?

J: Das hat sich einfach so ergeben, an Hand der Stücke, die wir so geprobt haben, ach lass uns mal gucken, ob wir das vielleicht woanders mal aufnehmen. Die Produktion lief vorwiegend in Eigenregie, wobei Stefan Wulff, der die Platte aufgenommen hat, einen entscheidenden und wichtigen Einfluss darauf genommen hat.

Ihr habt jetzt auch euer eigenes Label gegründet. Blumfeld Tonträger.

Ja genau. Das gibt es seit dieser Veröffentlichung.

Habt ihr auch vor, dies für andere Bands zu nutzen?

J: Erst mal nicht. Wir werden erst mal einen Teil unseres Backkatalogs in naher Zukunft wieder veröffentlichen und dann muss man sehen. Ausgeschlossen ist das nicht, aber im Augenblick noch nicht geplant. Aber kann schon passieren.

Ihr habt auch einen neuen Bassisten?

J: Ja, Lars Precht ist der Name. Spitzen Typ. Michael ist raus (jetzt versucht er es auf kölsch) und da haben wir uns überlegt, was für nen Kerl holen wir uns jetzt ins Boot? Andre Rattay hat ihn am Abend in ner Kneipe getroffen und mit Lars was getrunken und erzählte mir am nächsten Tag davon, und da dachte ich, dass kann ja jetzt kein Zufall sein. Hau den doch noch mal an, ob der nicht Bock hat und Zeit und abkömmlich ist. Und dann haben wir uns im Proberaum getroffen und das war eine klassische Win-Win-Situation. War doll.

Und der bleibt jetzt auch erst mal dabei.

J (weiter op kölsch): Sicher.

Und er kommt von Veranda Music. Gibts die eigentlich noch?

J: Weiß ich nicht genau. Ich denke, die sind auf Eis gelegt, aber möchte ich jetzt auch gar nichts zu sagen. Nicht, dass ich sage, die sind auf Eis gelegt und tatsächlich gibt es die noch. Das wäre ja sehr doof.

Was für eine Pflanze ist das eigentlich auf dem Cover zu "Verbotene Früchte"?

J: Mombinpflaumen sind das. (In der Wissenschaft auch als Spondia purpurea bekannt. In der Volksmedizin wird der Fruchtsaft der Pflaumen als Fieber senkendes Mittel und bei Harnwegserkrankungen eingesetzt. Anm. d. Red.)

Aha, noch nie davon gehört. Und woher stammt genau das Foto?

J: Das sind Kupferstiche von einer Frau namens Maria Sybilla Meria, die im 17. Jahrhundert gelebt hat und aus Frankfurt stammt. Ist dann aber nach Südamerika gefahren und hat diese Zeichnungen angefertigt. Ich habe diese Stiche in einem Antiquariat entdeckt, zu dieser Zeit hatte ich die Stücke soweit fertig und dachte nur, das ist ja Wahnsinn. Es gibt ja das Lied "Schmetterlings Gang" und auf diesem Bild ist dieser Bläuling und das Album heißt "Verbotene Früchte", das passt doch alles wunderbar zusammen. Danach bin ich dann zu Felix Schlüter gegangen und hab ihm gesagt, komm lass uns das doch als Cover machen.

Es gab kürzlich dieses Fehlfarben Album "26 ½", darauf haben verschiedene Interpreten Songs dieser Band interpretiert. Da hast du ja auch mitgemacht. "Alkoholen" ist, so wie "Der Apfelmann", ein eher untypisches Blumfeld-Stück ...

J: Das ist ja kein Stück von uns.

Das ist klar, aber wieso hast du dir gerade das Stück der Fehlfarben ausgesucht?

J: Thomas Schwebel hat mich angerufen und gefragt, ob ich dabei nicht mitmachen möchte. Ich hatte anfangs überhaupt keine Vorstellung, worum es geht und ich war ja auch mit unserer neuen Platte beschäftigt. Und hatte nur wenig Zeit und wusste auch nicht welches Stück ich nehmen sollte und wollte eher absagen. Zur letzten Platte "Jenseits Von Jedem" hatten wir mit den Fehlfarben ein gemeinsames Konzert hier in Köln. Da haben sie auch gerade diese Maxi-Single "Alkoholen" veröffentlicht und die fand ich damals ganz toll. Thomas erinnerte mich daran und dann dachte ich, ja warum eigentlich nicht. Tolles Thema und so habe ich das dann in Hamburg eingesungen.

Wird es zur Single "Tics" eigentlich auch ein Video geben?

(Stimme aus dem OFF): Läuft demnächst auf MTV.

J: Ach wirklich? Ja, das ist quasi gestern fertig geworden.

(Stimme aus dem OFF:) Das Video ist übrigens auch auf der Single drauf.

Kannst du uns schon was zum Video erzählen? Regisseur?

J: zögert Hmmm...

Stimme aus dem OFF: Willst du was sehen?

Ja, gerne, wenn das geht.

(Stimme aus dem OFF): Das dauert aber noch einen Augenblick, weil ich das von nem Spezialserver runterladen muss.

J: Dann lass uns doch noch kurz weiter reden, und dann kannst du ja mal reingucken.

Ja, schön. Kann man eigentlich die Entwicklung von "Ich-Machine" bis zum aktuellen Album in ein paar Sätze zusammen fassen?

(Alle lachen)

J: Das ist ja frech. (lacht)

Ist das frech?

J: Nein, natürlich nicht. Das ist lustig. Eine sehr lustige Frage.

Die Promoterin im Raum meldet sich auch noch zu Wort: Bitte in drei Sätzen. (Erneutes Lachen. Wieso sitzen eigentlich so viele Leute im Raum, fragt sich die Interviewerin kurz ...)

J: Also, "Ich-Maschine", "L'etat et moi", "Old Nobody", "Testament Der Angst", "Jenseits von Jedem" ... Nein...

Also, eher nicht. Gut, hast du denn eine Lieblingsplatte oder einen Lieblingssong?

J: Von uns jetzt? Nein, also... (Erneutes Lachen)

Klar, du findest natürlich alles super, aber man hat doch schon so ein, zwei Songs, die man zum Beispiel live am liebsten spielt?

J: Ich singe alle Stücke, die wir live spielen, extrem gerne. Und es tut mir immer leid, dass man aus verschiedenen Gründen keine vier Stunden Konzerte geben kann, weil das ja dann doch ein bisschen an die Substanz geht, wenn man jeden Abend spielen soll. Also, es kostet uns immer eine gewisse Überwindung, Stücke die wir genauso toll finden wie andere, nicht ins Set nehmen zu können.

(Die OFF-Stimme hat wohl das Video parat und schaltet den Fernseher ein.)

J: Mach doch noch mal kurz den Flimmerkasten aus, Oliver, bis wir mit den Fragen hier fertig sind. (:) Noch nicht hingucken. Hier spielt die Musik.

Ups, ja genau. Konzerte. Letztes Jahr habe ich euch hier im Bürgerhaus Stollwerck gesehen und da hast du "Ich bin eene Kölsche Jung" angestimmt. (Jochen fängt sofort an zu singen) Können wir das vielleicht auch mal in einer langen Version hören?

J: Nee, glaube ich nicht. Das war eine spontane Eingebung. Da ist kurz der Geist von Millowitsch in mich ein gefahren und da musste ich mich den höheren Mächten beugen. Jeder Jeck ist anders.

Hast du denn schon mal Karneval hier gefeiert?

J: Ja, ist aber schon länger her. Fand ich gut, find ich mittlerweile nervig und anstrengend.

Allerdings. Ich habe gestern in der Süddeutschen ein Interview mit Rudi Carrell gelesen ...

(Jochen guckt mich wieder entgeistert an und lacht.)

Rudi Carrell magst du nicht?

J: Was hat Rudi denn gesagt? (versucht, den alten Holländer nachzumachen): Die neue Blumfeld-Scheibe ist super doll, musst du dir unbedingt reinziehen.

Nein, gar nichts über Blumfeld.

J: Schade, ich dachte, er sagte: Top Jungs, oder so.

O.k., das ist jetzt wahrscheinlich eher unspektakulär. Er hat Alpträume. Er steht abends auf der Bühne und dann fällt ihm nichts ein. Also, in seinem Fall kein lustiger Spruch oder Witz. Und diese Träume hat er heute immer noch. Gibt es so was bei dir auch?

J: Nope.

Aber ein bisschen Lampenfieber?

J: Nope. Gar nicht.

Aber es heißt doch immer, dass jeder Künstler Lampenfieber haben muss...

J: Ausnahmen bestätigen die Regel.

(Jetzt verliere ich mehr und mehr den Faden. Pause. Doof.)

Top Of The Pops. Da habt ihr gespielt. Schon länger her.

J: Ja. Mit "Graue Wolken" und "Wir sind frei" waren wir da, glaube ich.

So überragend toll fandet ihr das jetzt aber nicht, oder? Ich kann nur sagen, dass Bands wie Art Brut sich nichts sehnlicher wünschen, als in dieser Show aufzutreten. Wie war das überhaupt für euch? Wie waren die Reaktionen?

J: Frenetisch, aber ja, öde. Ich glaube Top Of The Pops hat in England noch mal eine ganz andere Bedeutung. Da spielen ja auch ganz andere Bands. Für uns war es ganz interessant, gerade mit den Stücken die wir da hatten, worum es bei den Songs so geht und die dann da zu spielen. Aber das ist jetzt nicht das große Ding. Ist halt ne Musiksendung, in der man seine Stücke vorstellen kann, wenn man in den Charts nicht so präsent ist. Und da wir sonst im Fernsehen wenig bis nichts machen, ist das schon ganz gut.

Es gibt ja auch noch kaum bzw. eigentlich gar keine gute Musiksendung mehr im Fernsehen. Nur noch Kuttner. Wart ihr schon da?

J: Nö.

Wollt ihr da mal hin?

J: Nö. (Grinst.)

Wie würdest du eure neue Platte selbst beschreiben? Mit ein paar Schlagworten?

J (zu Oliver): Geht nicht? Schade, das Video können wir dir jetzt doch nicht zeigen. Musst du noch warten. Zur Frage. Also das fällt mir mehr als schwer (Räuspert sich.).

Dann komme ich noch mal auf die Fans der ersten Stunde zurück. Ich habe mich gestern nämlich noch mit meinem Mitbewohner unterhalten. Andreas, der von Anfang an ein sehr großer Fan von euch ist, und der findet auch alles nach "Ich-Machine" super.

J: Hat er die auch schon gehört?

Ja, klar.

J: Und wat sacht er? (Die kölsche Sprache scheint Jochen zu mögen.)

Findet er super. Natürlich auch "Der Apfelmann". (kicher)

J: Was gibt es denn da zu lachen? Lass ihn doch.

Nein, ich finde den Song ja auch super.

J: Ach ja, stimmt.

Wobei ein anderer Freund, der die Platte schon vor mir gehört hat, sagte auch, tolles Album, wie immer, nur ein Stück würde ihn an Helge Schneider erinnern.

J: Und welches ist das.

Der Apfelmann.

J: Nein! (grinst). Guck mal, so sind die Geschmäcker verschieden und die Meinungen gehen auseinander.

Ich sehe das nicht als Kritik, im Gegenteil. Helge Schneider find ich super.

J: Ja, also gut (lacht). Freut mich.

Und vor allem, wenn einem jemand so was sagt und du kennst das Stück nicht, hörst "Verbotene Früchte" und sagst, ja, es kann nur der Apfelmann gemeint sein.

J: Ach, das hatte er dir nicht vorher gesagt, welches Stück er meinte? Ja, siehst du, so kanns gehen.

Wahnsinn, oder?
(Alle lachen)

J: Das ist der totale Wahnsinn. Da wird der Hund in der Küche verrückt.

Aber worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist ja, dass einige Blumfeld-Fans seit "Old Nobody" rumjammern, dass die Stücke nicht mehr so sind wie am Anfang. Ähnlich auffallend wie bei Morrissey und The Smith. Fans die mit The Smith aufgewachsen sind, finden seine Solosachen Scheiße.

J: Ja? Mh, das ist nicht schön.

Ja, finde ich auch. O.k., natürlich werden die Bands, Interpreten älter ...(Oh Gott Jasmin, wie kommst du da wieder raus, aber noch lächelt er).

J: Das stimmt.

Mir fällt gerade auf, dass ich zu viel rede, oder?
(Allgemeines Lachen

J: Du sprichst einfach die Wahrheiten gelassen aus. Ich will dich da gar nicht stoppen.

(Oliver im Hintergrund lacht und sagt): Stimmt Jochen, du sagst gar nichts.

J: Nein, aber...

O.k., ich halte mich jetzt zurück. Du bist dran.

(Promoterin): In fünf Minuten ist eh alles vorbei.

J: Was soll ich dazu sagen? Was genau ist denn die Frage? Worauf wolltest du denn hinaus?

Ja, eigentlich wollte ich darauf hinaus, wieso die Leute es jetzt als Schlager bezeichnen, was ich so gar nicht nachvollziehen kann.

J: Bei Morrissey?

Ja auch, aber vor allem bei euch. Eure Satzstruktur ist simpler geworden. Nicht mehr so abstrakt wie bei den ersten Alben. Die Liebe steht mehr und mehr im Vordergrund. Und dass man euch mit der Münchner Freiheit vergleicht.

J: Also, das tut mir wirklich leid. Das finde ich schade, wenn da jemand ist, der uns am Anfang so richtig Spitze fand und bei den neuen Sachen was vermisst oder so. Aber ich kann da leider jetzt nichts dran ändern.

Ein Kritikpunkt ist auch, dass in den Songs nicht mehr so viel Rebellion steckt. Was ich persönlich nicht nachvollziehen kann. Die ist immer noch vorhanden, aber halt anders.

J: Siehst du. Dann lass uns doch lieber darüber reden, wie du das siehst. Da kann ich dann eher was dazu sagen. Für mich ist es schwierig, darauf zu antworten, was andere sagen. Ich sehe das auch nicht so.

Ich gebe zu, ich bin kein Fan der ersten Stunde. Natürlich kenne ich auch die ersten Platten. Aber für mich persönlich ist "Neuer Morgen" zum Beispiel die Lebenshymne schlechthin. Natürlich sind es einfache Worte, aber das ist halt das Großartige daran. Wenn es einem schlecht geht, muss man sich den Song anhören und er tut einfach nur gut.

J: Super. Vielen Dank. Das ist ein tolles Kompliment.

Ich will mich jetzt hier nicht einschleimen, aber so empfinde ich das halt (Blick zu Oliver) und ich fühle mich jetzt hier etwas beobachtet.

J: Könnt ihr uns jetzt hier bitte arbeiten lassen.

(Aus dem OFF): Nee, das ist sehr amüsant.

O.k., ich denke, die fünf Minuten sind jetzt auch vorbei, bevor ich mich hier noch um Kopf und Kragen rede.

J: Nee, tust du nicht. Ehrlich nicht. Los komm, noch eine Frage.

Gut, dann noch mal zurück zu meiner ersten Frage, was war deine erste Liebe? Es muss wie gesagt keine Person sein.

(Pause)

O.k., du findest die Frage nach wie vor doof.

J: Nein, als Eröffnungsfrage schon so ein bisschen, ähm...

Und als Schlussfrage?

J: Tja. Da fällt mir nichts zu ein.

Nee, ist ja in Ordnung muss ja auch nicht.

J: O.k., cool.

Erinnerst du dich den noch an die erste Platte, die du dir gekauft hast?

J: (Überlegt). Hmm, keine Ahnung.

Oder welche Platte du zuerst gehört hast?

J: Kann ich mich nicht dran erinnern. Ist ja dann doch schon lange her. Nee, tut mir leid.

Kein Problem. Das nächste Mal. Super, dann bedanke ich mich sehr für dieses Interview.

Zum Schluss sollte ich noch meinen Mitbewohner schön grüßen, und weil die Stimmung so schwungvoll war, schrieb Jochen dann auch noch einen kleinen Gruß für Andreas auf das hübsche Hotelpapier. Das war eine tolle Überraschung. Danke, Jochen!

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