laut.de-Kritik
Wer genau horcht, hört den Schweiß auf die Hammondorgel tropfen.
Review von Sven KabelitzDank Santanas "Supernatural" hat sich in den letzten dreizehn Jahren eine seltsame Formel im Musikbusiness festgesetzt: Alter Musiker + junge, angesagte Menschen = Aufmerksamkeit. Die Variationsbreite steigt an, ein geschlossenes Album rückt dafür in weite Ferne. Nun greift auch Booker T. Jones, diesmal ohne seinen Nachnamen, diese Idee auf.
Für sein Comeback bei seiner alten Heimat Stax Records lässt sich das Soul-Urgestein nicht lumpen. Um seine Hammond M-3 Spinett-Orgel versammeln sich - luftholen! - die Soul-Musiker Mayer Hawthorne und Jay James, die R'n'B-Sänger Luke James, Anthony Hamilton und Kollegin Estelle, die Blues Rock-Band Vintage Trouble, Blues-Gitarrist Gary Clark Jr., Latin-Jazz-Meister Poncho Sanchez, die fast schon in Vergessenheit geratene ehemalige Prince-Perkussionistin Sheila E., Bill Withers' Töchterlein Kori und der eigene Sohnemann Ted Jones. Zum Glück kommen sie alle nacheinander vorbei, sonst würde es im Studio ziemlich eng.
Im Opener und Titeltrack "Sound The Alarm", ein wundervolles Soul-Brett das mit Hip Hop und Funk spielt, salutieren Samples aus der eigenen Vergangenheit dem gegenwärtigen Booker. Alles, was Hawthrone auf "Where Does This Door Go" falsch gemacht hat, gelingt ihm an der Seite des Altmeisters im Handumdrehen. Er bleibt der Mann für die genialen Zwischenmomente. Das von Gitarren, Bläsern und Luke James angetriebene "All Over The Place" erhält den Druck aufrecht.
"Broken Heart" bedient sich mit dem schmachtenden Jay James und Bookers herrlichen Hammond-Solo dermaßen geschickt beim Sound der 1960er, dass man die Sonne über Detroit aufgehen sieht. Ein Kunststück, das Anthony Hamilton ("Gently") und Estelle ("Can't Wait") verwahrt bleibt. Beide schlagen sich tapfer, doch ihre Beiträge wollen nicht richtig zünden.
Bei allem aktuellen Zeitgeist lässt sich Bookers Vergangenheit gerade in den Instrumentals niemals verleugnen. Das wäre ja auch noch schöner. Ebenso wie der flippige Pop-Blues "Fun" flirtet der Soul-Jazz "Feel Good" besonders deutlich mit dem Sound der M.G.'s. Sheila E.s und Poncho Sanchez' lodernde Percussions führen durch den Latin-Jazz-Soul "66 Impala". Wenn man ganz genau horcht, die Ohren an die Boxen drückt, kann man Booker T. Jones Schweiß auf seine Hammond tropfen hören. It's getting hot in here.
Dass Booker T. Jones sogar über eine recht angenehme Gesangsstimme verfügt, gerät oft in Vergessenheit. Doch mit Kori Withers mag diese im harmlosen "Watch You Sleeping" so gar nicht harmonieren. In "Your Love Is No Love" übernimmt Ty Tayler an der Seite von Vintage Trouble die Vocals. Ein gelungenes Stück Gospel-Soul-Nostalgie, das an Otis Redding gemahnt.
Trotz aller einnehmender Momente kränkelt "Sound The Alarm" letztendlich an seiner Formel. Zu viel bleibt Stückwerk, eine einheitliche Atmosphäre bleibt dem Longplayer verwehrt. Zwar gibt es keinen wirklichen Ausrutscher, doch der ein oder andere Lückenfüller hinterlässt Spuren. Mehr als einmal bietet "Sound The Alarm" aber leckeres Hammond-Fingerfood für die gepflegte Soul-Party von heute.
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