laut.de-Kritik
Große Gefühle ohne Tiefgang.
Review von Stefan MertlikLegt die Kreativität eine Pause ein, überbrücken Bands die Wartezeit bis zum nächsten Album häufig mit einer Akustikplatte. Breaking Benjamin, die zuletzt 2018 mit "Ember" Dienst nach Vorschrift betrieben, ziehen jetzt ebenfalls den Stecker. Ihrem Testosteron steigernden Kuschelrock steht "Aurora" gut, da es die Stärken der Band betont.
Dennoch berauben sich Breaking Benjamin ihres eigenen Markenzeichens. Ihre Musik lebt von der Laut-leise-Dynamik, die mit akustischen Mitteln nur bedingt reproduzierbar ist. Das Quintett verlässt sich allerdings nicht auf das gleiche Programm minus E-Gitarren. Die Band setzt Streicher und Tasteninstrumente dezent ein und rückt die Stimme von Sänger Benjamin Burley noch stärker ins Scheinwerferlicht. So kratzig und gefühlsbetont wie auf "Tourniquet" klang der 41-Jährige noch nie.
Die Auswahl von gerade einmal zehn Songs reicht nicht für ein befriedigendes Best-Of. Zwar verwandeln Breaking Benjamin bewährte Stücke wie "So Cold", "Dance With The Devil" und "Dear Agony" in stromlose Ohrwürmer, jedoch fehlen Fan-Lieblinge wie "Diary Of Jane" und die "Halo"-Hymne "Blow Me Away". Da die Band auf sechs Studioalben zurückgreifen kann, waren enttäuschte Gesichter abzusehen.
Das akustische Gewand befeuert die eh schon kitschige Musik von Breaking Benjamin. Die gefühlsseligen Texte passen jedoch besser denn je. "When the broken fall alive / Let the light take me too / When the waters turn to fire / Heaven, please let me through", singt Burley zusammen mit Scooter Ward von Cold im einzigen neuen Stück "Far Away".
Breaking Benjamin holten sich für "Aurora" jede Menge Hilfe ins Studio. Neben Ward erhielt die Band Besuch von Underoath-Sänger Spencer Chamberlain, Saint Asonias Adam Gontier und RED-Chef Michael Barnes. Dadurch erhält das Projekt einen Mehrwert. Das emotionale Duett mit Ex-Flyleaf-Sängerin Lacey Sturm auf "Dear Agony" beschert der Alternative-Rock-Szene zudem einen eigenen 'Ricky Martin/Christina Aguilera'-Moment.
Große Gefühle ohne Tiefgang – "Aurora" versprüht die Schwermut einer mittelmäßig geschriebenen Coming-of-Age-Serie. Schlecht ist dieser gut gespielte Pomp trotzdem nicht. Die Unplugged-Versionen funktionieren hervorragend für Menschen, die den Pathos, aber nicht die Härte von Breaking Benjamin mögen.
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