laut.de-Kritik
Der Lazarus aus LA wartet mit neuem Material und großen Namen auf.
Review von Giuliano BenassiOhne "Pet Sounds" hätte es "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" so nicht gegeben, verriet Paul McCartney einst. Um den Titel des einflussreichsten Popalbums aller Zeiten streiten sich die Kritiker immer noch. Eines steht jedoch fest: Während in England vier Musiker auf dem Höhepunkt ihrer Kreativität und ein außergewöhnlicher Produzent nötig waren, entstanden die Kuscheltierklänge im Hirn und in den Fingern einer einzigen Person, der Brian Wilsons. Der an seiner Genialität fast zugrunde gegangen wäre.
Wie ein Lazarus feiert der wieder Auferstandene seit 1999 seine Rückkehr auf die Bühne. Nach "Pet Sounds Live" wagte er sich im Frühjahr 2004 sogar an das (angeblich) beste Album, das die Welt nie sah, "Smile". Bei seinem einzigen Deutschland-Konzert in der Alten Oper in Frankfurt bewegte er sich im Zeitlupentempo, seine Stimme nur noch ein Schatten jener, die die Harmonien der Beach Boys lenkte. Doch er war da, und darauf kam es an. Seine Person stand mehr im Mittelpunkt als seine Musik.
Eine Vorgehensweise, die auch "Gettin' In Over My Head" zugrunde liegt. Zwar stellt sich Wilson mit Namen, Produktion und als Hauptautor ins Zentrum des Geschehens, das Geschehen selbst überlässt er aber der Riege an Musikern, die ihn live begleiten und es verstehen, den Kaiser neu zu bekleiden, ohne ihn zu entblößen. Für die Selbstzelebrierung gewann er zudem drei der größten Namen im Business: Elton John, Eric Clapton und Paul McCartney.
Bevor John und sein Klavier in "Crocodile Rock"-Manier einsetzen, besticht der Opener "How Could We Still Be Dancin'" durch eine astreine Beach Boys-Harmonie. Eine beeindruckende Riege an Musikern reichert das Stück mit Bläsern, Chören und guter Stimmung an. Das folgende Stück "Soul Searchin'" wartet mit dem zweiten Gast auf: Brian Wilsons Bruder Carl, dessen Stimme den Sound der Familienband prägte und der 1998 an Lungenkrebs starb. Sein Beitrag stammt aus einer wenige Jahre zuvor entstandenen, bisher unveröffentlichten Aufnahme.
Erst "You've Touched Me" und "Gettin' In Over My Head" bieten Wilson auch am Mikrophon in der Hauptrolle. Verglichen mit seinen Liveauftritten klingt seine Stimme voller und sicherer, die Spuren der Zeit lassen sich aber selbst durch Studiotechnologie nicht verwischen. Streicher, Bläser und geschickte Arrangements bieten eine gute Unterstützung.
Allein mit seiner Band fühlt sich Wilson offensichtlich am wohlsten, wie die ausbleibenden Duette beweisen. Zwar gibt sich Clapton auf "City Blues" mit einer feurigen Gitarre hörbar Mühe, auch Paul McCartney lässt in "Friend Like You" nichts anbrennen und stiftet sogar seine Sgt. Pepper's-Orgel für das Intro. So richtig passt das Material aber nicht zum Rest, wie das dazwischen platzierte "Desert Drive" beweist, das Erinnerungen an die 60er Jahre aufleben lässt.
Eine Stimmung, die den restlichen Verlauf des Albums prägt. Fast scheint es, als gebe es die Beach Boys in Bestbesetzung immer noch. Die einfache Melodieführung und die slogan-artigen Texte der ersten Jahre sind tiefsinnigen Betrachtungen und vielschichtigen Instrumentierungen gewichen. Die musikalische Harmonie von Wilsons Kompositionen hat sich nun auch auf sein Wesen übertragen. Die wichtigste Botschaft des Albums: dass es ihm endlich gut geht. Was ihm zweifellos zu gönnen ist.
Über "Pet Sounds" oder "Sgt. Pepper's" lässt sich vorzüglich diskutieren. Musikalisch kommt "Gettin' In Over My Head" natürlich auf keinster Weise in die Nähe der Meisterwerke. Eine Verbindung besteht trotzdem, denn ohne "Sgt. Pepper's" hätte es Brian Wilsons neues Album so nicht gegeben. Zumindest nicht das Cover, stammen sie doch beide aus der Feder Peter Blakes.
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