laut.de-Kritik

Der Boss gibt alles, und alle ziehen mit.

Review von

2006 sorgte Bruce Springsteen mit dem Folk-Album "We Shall Overcome - The Seeger Sessions" für eine der gelungensten Veröffentlichungen des Jahres. In wenigen Tagen auf der eigenen Ranch aufgenommen, überzeugten die Coverversionen von Pete Seeger-Stücken mit Spielfreude und guter Laune.

Was ihnen fehlte, macht nun die Liveversionen deutlich: Die unbändige Energie, die Springsteen auf der Bühne entfesselt. Bereits im Opener "Atlantic City" aus seinem 82er Akustik-Album "Nebraska" versetzt er das Publikum in Ekstase, obwohl das Stück nicht gerade mit Optimismus besticht. Ab dem zweiten Lied "Old Dan Tucker" ist auf der Bühne und auf den Rängen kein Halten mehr: Der Boss drischt auf seine Akustikgitarre ein, als ginge es um sein Leben, und reißt die Mitglieder seiner Band mit.

Die besteht mit Ausnahme von Ehefrau Patty Scialfa aus mehr oder weniger unbekannten Musikern. Wie bei der E Street Band geht es dabei bunt zu: Geiger, Bläser, Banjo, Gitarren, Ziehharmonika, Pedal Steel, Perkussionen – insgesamt achtzehn Leute, die mächtig Gas geben. Wie selbstverständlich vermischen sie Folk, Dixieland, Country, Swing, Gospel, Rock und Rhythm And Blues. Dass dabei keine E-Gitarren oder Effekte zum Einsatz kommen, tut der Stimmung keinen Abbruch.

"Jesse James" etwa beginnt und endet mit begeisternden Banjoeinlagen, zwischendrin heizen Dixie-Bläser mächtig ein. "If I Should Fall Behind" besticht mit dem Zusammenspiel von Klavier, Streichern, Scialfas einfühlsamen Harmonien und Springsteens rauer Stimme, die während des gesamten Auftritts zu alter Stärke zurück findet. Es ist einer der wenigen ruhigen Momente, vom Bonus-Song "We Shall Overcome" abgesehen. In "My Oklahoma Home" und "Pay Me My Money Down" singt das Publikum so laut mit, dass es die Band fast übertönt.

Das Seeger'sche Material ergänzt der Mann aus New Jersey mit eigenem und sucht sich, mit Ausnahme der ebenfalls aus "Nebraska" stammenden "Highway Patrolman" und "Open All Night", weniger bekannte Stücke aus. "Growin' Up" und "Blinded By The Light" stammen aus seiner Frühzeit, nämlich 1972, "Further On (Up The Road)" ist "The Rising" (2002) entnommen, "American Land" ist ein ganz neues Lied. Was er nun spielt, besitzt allerdings nicht die höchste Priorität, denn im Mittelpunkt stehen das Bühnentier und seine Begleiter. Selbst ein abgenudeltes Stück wie "When The Saints Go Marching In" überzeugt in einer melancholischen Version voll und ganz.

Um den Schnitt kümmerte sich Thom Zinny, der bereits die 30th Anniversary-Ausgabe von "Born To Run" liebevoll editierte. Das Bild ist vielleicht etwas zu dunkel geraten, die Kameraführung dokumentiert das Geschehen aber sehr gut. Der gute Sound rechtfertigt das Erscheinen der Aufnahme auch als Doppel-CD.

An drei Tagen im November 2006 zum Abschluss der Tour in Dublin entstanden, hinterlässt die DVD nur in einer Hinsicht ein schlechtes Gefühl: Nämlich darin, dass das Projekt abgeschlossen ist und sich die Auftritte in dieser Form leider nicht wiederholen werden.

Trackliste

Live In Dublin

  1. 1. Atlantic City
  2. 2. Old Dan Tucker
  3. 3. Eyes On The Prize
  4. 4. Jesse James
  5. 5. Further On (Up The Road)
  6. 6. O Mary Don't You Weep
  7. 7. Erie Canal
  8. 8. If I Should Fall Behind
  9. 9. My Oklahoma Home
  10. 10. Highway Patrolman
  11. 11. Mrs. McGrath
  12. 12. How Can A Poor Man Stand Such Times And Live
  13. 13. Jacob's Ladder
  14. 14. Long Time Comin'
  15. 15. Open All Night
  16. 16. Pay Me My Money Down
  17. 17. Growin'up
  18. 18. When The Saints Go Marching In
  19. 19. This Little Light Of Mine
  20. 20. American Land
  21. 21. Blinded By The Light

Bonus Tracks

  1. 1. Love Of The Common People
  2. 2. We Shall Overcome

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