14. August 2015

"Wir haben ganz schön Feuer bekommen"

Interview geführt von

Mit den beiden eher softeren Veröffentlichungen "Fever" und "Temper Temper" ließen Bullet For My Valentine zuletzt viele Federn. Nun soll mit der musikgewordenen Rückkehr zur alten Schule namens "Venom" wieder Boden gut gemacht werden.

Sage und schreibe zwei Monate vor der Veröffentlichung ihres neuen Albums "Venom" bitten die Jungs von Bullet For My Valentine bereits zu Promo-Gesprächen. Da bis zum Release-Date keine weiteren Slots vergeben werden, sind wir natürlich gerne am Start. Dumm nur, dass wir am eigentlichen Pre-Listening-Tag für das neue Album keine Zeit für die Walliser freischaufeln können. So bleibt uns nur der Tag davor. Macht aber nichts; ist ja vielleicht auch mal ganz spannend zu erfahren, wie eine Band ihr neuestes Werk einschätzt, kategorisiert und abfeiert, ohne dass man ihr zwischendurch aufgrund einer anderen Wahrnehmung in die Parade fährt. Also Bühne frei für Shouter Matthew Tuck und seine ganz persönliche "Venom"-Laudatio.

Hi Matthew. Morgen geht in einer Berliner Szene-Kneipe die Pre-Listening-Session für euer neues Album "Venom" über die Bühne. Warum gerade Berlin? Habt ihr eine besondere Beziehung zur Stadt?

Matthew Tuck: Wir sind immer gerne in Deutschland. Hier haben wir in der Vergangenheit mit die größten Band-Erfolge feiern können. Das ist der eine Grund, warum wir uns für Berlin entschieden haben. Zum anderen bot sich die Stadt natürlich auch logistisch an. Der Weg hierher ist relativ kurz für eine Band von der Insel. So schlagen wir also zwei Fliegen mit einer Klappe.

Ich kann morgen leider nicht dabei sein. Schade eigentlich, da euer neues Material vorher noch unter Verschluss bleibt. Ich bin demnach auf kurze Snippets angewiesen, die andeuten, dass das neue Album wieder mit härteren Songs aufwartet. Ist dem so? Oder täuscht mein erster oberflächlicher Eindruck?

Nein, du täuscht dich nicht. Das neue Album ist mit Sicherheit mit das härteste, das wir je aufgenommen haben.

Gab es einen besonderen Grund dafür? Waren euch eure beiden letzten Alben zu soft? Ich meine, mir waren sie zu soft.

Dir waren sie zu soft?

Ja.

Mir auch. (lacht)

Mir stieß die weichere Ausrichtung allerdings bereits nach dem ersten Hören der beiden Alben auf. Ihr scheint für diese Erkenntnis etwas länger gebraucht zu haben. Wann kam die Einsicht?

Erst etwas später, das stimmt schon. Aber es ist natürlich auch eine schwierige Situation. Man steckt viel Arbeit und Herzblut in jedes Album. Und ich kenne keine Band, die ein Album veröffentlicht und sich direkt im Anschluss hinstellt und das Material dann in Frage stellt. Man ist erst einmal in einer Glocke gefangen. In der ist alles rosarot. Es dauert eine ganze Weile, eh man sich bewusst wird, was eine Platte letztlich wirklich auf den Tisch bringt, und was nicht. Versteh mich nicht falsch, ich stehe immer noch hinter unseren beiden letzten Veröffentlichungen. Es war halt auch eine andere Zeit.

Mittlerweile habe ich aber ein kritischeres Bewusstsein. Viele Stellen sind mir einfach zu glatt und kantenlos. Das empfinden viele unserer Fans ebenso. Wir haben in den letzten Jahren ganz schön Feuer bekommen. Das hat natürlich auch dazu beigetragen, dass wir uns für dieses Album etwas mehr ins Zeug gelegt haben, was den Härtegrad anbelangt. Entscheidend war aber unsere eigene Wahrnehmung. Und die war irgendwann ganz klar. Das neue Album sollte sich wieder mehr an den Anfangstagen der Band orientieren. Und genauso sind wir dann auch zu Werke gegangen.

"Wir hätten uns beinahe jeden Top-Produzenten aussuchen können"

Wie definierst du "härter"?

Es ist jetzt nicht so, dass wir ein weiteres Schlagzeug und drei Gitarren mehr am Start hatten. (lacht) Es ist einfach die Art und Weise wie sich die Songs entfalten. Das Songwriting ist klarer strukturiert. Alles kommt viel schneller auf den Punkt. Die Songs transportieren zudem einen düsteren Vibe. Die Band geht aggressiver vor. Es ist das Gesamtpaket, das einfach viel mehr Wums hat. Wenn du das komplette Album hörst, wirst du wissen, was ich meine. Das kann ich dir versprechen.

Rosarot…

(Lacht) Genau. Du sagst es. Wer weiß? Vielleicht beschwere ich mich in zwei Jahren, dass "Venom" zu hart ausgefallen ist. Damit kann ich aber leben.

Inwiefern hatte denn euer näheres Umfeld Einfluss auf die musikalische "Neuausrichtung"? Ich denke da in erster Linie an euren Produzenten Colin Richardson, mit dem ihr ja bereits zu Beginn eurer Karriere zusammengearbeitet habt.

Colin war ein Glücksgriff - wieder einmal. Dieser Kerl weiß einfach genau, wie man das Optimum aus uns herauskitzelt. Weißt du, wir hätten uns beinahe jeden Top-Produzenten aussuchen können. Wir haben uns alleine in Los Angeles mit fünf etablierten Größen der Branche beschäftigt. Aber am Ende war uns allen klar, dass wir mit jemanden arbeiten wollten, der uns kennt. So kamen wir dann auf Colin. Mit ihm mussten wir uns nicht erst anfreunden. Es gab kein großes Beschnuppern und keine Kennenlernphase.

Colin hatte seinen Kollegen Carl Brown mit im Schlepptau. Ein Tandem deluxe? Oder kam es hin und wieder auch zu kleinen Machtspielchen?

Die beiden haben super miteinander harmoniert. Es kam nie zu irgendwelchen Reibereien. Die vergangenen beiden Produktionsprozesse waren geprägt von schnellen Entscheidungen. Da haben wir viele Takes einfach abgesegnet, wenn wir das Gefühl hatten, dass es passt. Mit Carl kann man so aber nicht arbeiten. Er ist ein Perfektionist. Mit ihm geht man so lange alle Bausteine eines Songs durch, bis alles Hand und Fuß hat. Das hat manchmal ganz schön lange gedauert. Aber es hat sich gelohnt.

Klingt nach einem perfekten Arbeitsumfeld.

Absolut. Nachdem wir uns darauf geeinigt haben, wie wir das Album angehen wollen, ging alles reibungslos seinen Gang. Wir lagen uns alle in den Armen und haben einfach losgelegt.

"Wir werden einen richtig fetten Sommer erleben"

Einer war allerdings nicht mehr dabei: euer Bassist Jay James. Nach zwölf gemeinsamen Jahren trennten sich im Februar eure Wege. Die größte Band-Herausforderung bisher?

Auf jeden Fall. Ich meine, wir kennen uns schon ewig. Jay hat alle Alben mit uns eingespielt. Ihn gehen zu lassen, fiel uns allen sehr schwer. Aber es passte einfach nicht mehr. Manchmal kommt man im Leben einfach an einen solchen Punkt. Das ist hart. Aber man muss nach vorne gucken. Und das haben wir getan.

Jays Abschied soll sich ja schon Wochen vor der offiziellen Bekanntgabe seines Ausstiegs abgezeichnet haben.

Ja, das stimmt. Im Grunde wurde die Entscheidung bereits im Juli letzten Jahres getroffen. Wir wollten aber mit der Verkündung bis zum Beginn der Albumaufnahmen warten. Wir wollten uns in Ruhe auf die bevorstehenden Aufgaben vorbereiten. Das war uns allen sehr wichtig.

Der neue Mann am Bass heißt Jamie Mathies, in der Branche kein Unbekannter. Der Gute hat bereits eine mehrjährige Karriere als Frontmann bei der Band Revoker vorzuweisen. Wie ist der Kontakt entstanden?

Er hat uns ein imposantes Bewerbungsschreiben zukommen lassen. Das hat uns überzeugt.

Was stand da alles drin?

Ziemlich viel (lacht). Was uns letztlich aber am meisten beeindruckt hat, war das Tape, das er dem Schreiben beigelegt hat. Das hat uns echt umgehauen. Ich weiß noch, wie ich vor der Anlage stand und meine Ohren immer größer wurden.

Es soll wohl auch gesanglich passen.

Ja, das stimmt. Seine Stimme ist ebenfalls ein Gewinn. Das ganze Paket passt einfach wie die berühmte Faust aufs Auge. Wir sind sehr froh darüber, dass er bei uns ist.

Mit einem neuen Mann und einem neuen Album im Gepäck geht es im Sommer auf große US-Tour mit den Jungs von Slipknot. Wie groß ist die Vorfreude?

Riesengroß. Ich weiß gar nicht, auf was ich mich am meisten freue.

Inwiefern?

Nun, da sind jede Menge neue Songkandidaten, die ich gerne einem größeren Publikum vorstellen würde. Dann freue ich mich auf unsere erste richtig große Tour mit Jamie. Wir werden uns noch besser kennenlernen. Das wird bestimmt toll. Und dann sind da natürlich auch noch die Jungs von Slipknot, eine Band, die wir schon seit 15 Jahren verehren. Das alles zusammen ist schon ziemlich krass. Ich denke, dass wir einen richtig fetten Sommer erleben werden.

Im Anschluss geht es dann direkt auf große Europa-Tour.

Oh ja. Das wird ebenfalls großartig. Zwischendurch spielen wir auch noch in Mexiko. Und im November geht's nach Japan. Wir können uns also nicht beschweren. Der Kalender ist voll. Und wir sind bereit.

Na dann, auf das euch unterwegs keiner aufhält.

Wehe dem. (lacht)

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