laut.de-Biographie
Caiman
Ein Vertreter der Familie Alligatoridae am Mikrofon muss nicht zwangsläufig Schnappi heißen. Zu Zeiten, als Stephan Schubert seinen Alias Caiman wählt, denkt noch kein Mensch an singende Plüsch-Krokodile. Besser so: Mit bunter Fröhlichkeit haben die Produktionen des Frankfurters wenig zu tun. Im Gegenteil: Bei Caiman geht es meist aggressiv, immer nachdenklich und zuweilen gehörig melancholisch zu.
Stephan Schubert stammt aus Frankfurt am Main. Inspiriert von einem Austauschjahr in den USA, bei dem er mit der dortigen Hip Hop-Szene in Berührung kommt, greift er bald selbst zum Stift. 1991 beginnt er zu rappen, einige Jahre später weitet er seine Aktivitäten auf das Gebiet der Produktion aus. Seit 1995 bastelt er den Großteil seiner verwendeten Beats selbst.
Die Gründung seiner Crew La Guillotine fällt ins gleiche Jahr. Caiman ist ab sofort auch live zu erleben. Mitte 1996 erscheint als erstes handfestes Lebenszeichen ein fünf Tracks starkes Tape. La Guillotine-Mitbegründer Marflix veröffentlicht wenig später eine EP, auf der Caiman mit dem Titel "Realitätsmanager" vertreten ist. Langsam ist es Zeit für das eigene Debüt: Mit "Nervengift / Ich Bin Der Mars" bringt Caiman seine erste 12" heraus. Vegaz Records, eine Produktionsfirma für Rap und Hip Hop, nimmt den Betrieb auf. Vegaz Records beschreibt sich als "artist owned entertainment, arbeitet langsam und bleibt" - eine realistische Selbsteinschätzung.
1999 erscheint der Vegaz-Tape-Sampler "Who's Burnin'?". Caiman ist mit gleich drei Tracks dabei: dem Solotrack "Chromola", "Hier Kommt" und mit "Russisch Roulette". Letzteres findet auch Eingang auf die "Hip Hop Rendezvous 2"-Compilation. "Russisch Roulette" markiert gleichzeitig den Beginn der Kollaboration zwischen Caiman und Astral.
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und Caiman beginnt mit den Aufnahmen zu einer EP. Mit Ausnahme eines Beats von Moet Floet erledigt Caiman die Produktion persönlich. Es entstehen wieder fünf Stücke, die das Rennen machen: "Nagasaki" erscheint im Juni 2000. Bei "Styleunvibe" ist Double D zu Gast, in "Kriegsgebiet" setzt sich die Arbeit mit Astral fort. Im Frühjahr 2001 begibt er sich als Support-Act für das ehemalige Arsonists-Mitglied Freestyle, Shabazz The Disciple, Jazz T und DJ Templer auf Deutschland-Tournee und macht auch einen Abstecher in die goldene Stadt, nach Prag.
Die Chemie zwischen Caiman (der für dieses Projekt den Namenszusatz Caith wählt) und Astral aka Mambo stimmt. Gegen Jahresende planen sie ein gemeinsames Tape. Das Frankfurter Bestattungsunternehmen Pietät Schubert steht Pate für den Titel: In Anbetracht der Tatsache, dass beide Beteiligten den Nachnamen Schubert führen, eine treffende Wahl.
19 Hip Hop- und Dancehall-Tracks finden sich auf "Pyetät Schubert" von 2002, Beats und Texte gestalten sich angemessen finster. Battle-Styles treffen auf musikalischen Underground, die Friedhofsstimmung wird durch aus Filmen zusammen gesampelte Intro- und Outro-Sequenzen noch verstärkt.
Anschließend wird es still um Caiman. Er gönnt sich ganze zwei Jahre Pause, in denen er (es lässt sich kaum vermeiden) hie und da arbeitet und seinen Wohnsitz nach Berlin verlegt. Erst 2004 startet er wieder mit der Musik durch.
Als Hommage an Rosa Luxemburg wählt er das Alter Ego "Blau Luxemburg" und arbeitet an einem gleichnamigen Konzeptalbum, das die Geschichte einer Hauptperson und ihrer Probleme erzählt. Beats und Raps stammen sämtlich von Caiman, Filmschnipsel und Interludes sollen dem Projekt Hörspiel-Charakter verleihen. Der Release wird für Herbst 2005 angekündigt.
Caiman tritt noch schnell im Rahmen der "Feierlichkeiten" zum 1. Mai in Kreuzberg auf und wirft im Juli 2005 (als Appetithäppchen für "Blau Luxemburg") sein zweites Street-Tape auf den Markt. Er verzichtet für "Chronisch" auf Gäste. Seine Vorliebe für Filme wie "Ronin", "Apocalypse Now" und das Hong Kong-Kung Fu-Genre sind ein weiteres Mal schwer zu überhören.
Etliche Tracks, darunter "Weltansicht" oder "Gegen" und "Für" (beide mit Astral), sind vom "Pyetät Schubert"-Tape bereits bekannt. Daneben umfasst "Chronisch" selbstverständlich auch neues Material. Neben Battletexten ("Saturday Night") bietet Caiman ausführliches Storytelling (in "Hitman" oder "Das Ding Aus Dem Sumpf"). Der Großteil der Beats entsteht in seinem Berliner Homestudio, nur einige werden von Dryco ("Saturday Night", "Drastisch", "You Lose"), je einer von Masket ("Seppuku") und Juce ("Das Ding Aus Dem Sumpf") beigesteuert.
Nun, Vegaz Records arbeitet langsam: Von "Blau Luxemburg" ist – wie ursprünglich versprochen - 2005 noch nichts zu hören. Die Hoffnung stirbt allerdings zuletzt, und der Lohn harrt derer, die sich in Geduld üben. Mit leichter Verspätung bringt Caiman sein Konzeptalbum im Februar 2006 auf den Markt.
"Blau Luxemburg" verdient in jeder Hinsicht das Prädikat "erfrischend anders". Caiman zeichnet den Weg seiner Hauptfigur durch den Dschungel der Großstadt nach und entwirft dabei ein Szenario, das jedem Entwicklungsroman zur Ehre gereicht hätte. Unterlegt von Beats, bei denen es sich (mit einer Ausnahme aus der Schmiede Floetrys) um Caiman'sche Eigenproduktionen handelt, entsteht ein Stück Deutsch-Rap der besonderen Art: Nicht massenkompatibel, wohl aber bei aller Düsternis stimmig, intelligent, poetisch und wortgewaltig.
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