laut.de-Kritik
Klingeltöne, Stadionhymnen ...
Review von Joachim GaugerSie können es noch, das bedächtige Kammerspiel in intimem Rahmen, das Kleinod, das von innen heraus glänzt. Und sie finden sie noch, die einfache Melodie, die Stimmung, die dir das Herz zusammendrückt. Nach einem Opener, dessen sphärischer Auftakt bald in einem Klangbrei aus Keyboardklängen und Gitarrenwänden erstickt, beginnt "What If" mit Stimme und Klavier sehr minimalistisch.
Doch wie in den meisten anderen Stücken bricht spätestens im Refrain das Unisono los, und dieser kleine funkelnde Diamant von einer Melodie versinkt in einem Meer aus Sound und Kitsch. Gewiss, sie könnten es noch: wenn sie nur wollten. Oder dürften.
Über die hohen Erwartungen an ihr drittes Album hat Sänger Chris Martin sich ja mehrfach bitter beklagt. Doch offenbar haben Coldplay ihre neue Rolle als Stadionrocker auch selbst akzeptiert. Mit Tracks wie "Square One", "White Shadows" oder auch "Talk" machen sie Musik für die Massen, nicht mehr für einsame Seelen. An Stelle der Liebe zum Detail scheint eine gewisse Großmannssucht getreten zu sein. Das große Gefühl entsteht nicht mehr aus der kleinen, überraschenden Wendung und behauptet Größe nur, anstatt sie zu zeigen.
Weh tut dies dem Coldplay-Liebhaber besonders dann, wenn die Stücke zunächst andere Erwartungen wecken. "Fix You" etwa wächst als Sensibelchen auf, um doch als Grobian zu enden. Das Schlimme daran ist nicht, dass sich beinahe jeder Track in ein lautes Orchester-Tutti aus Synthies, Gitarren und Backgroundgesang hinein steigert. Das Schlimme ist, dass die Stücke sich nach oft hoffnungsvollem Beginn kaum noch weiter entwickeln. Hier fesseln fast nur noch Momentaufnahmen, das ganze Album am Stück zu hören, war mir kaum möglich. Stadionhymnen brauchen keine Ideenvielfalt. Klingeltöne auch nicht.
Die pompöse Produktion hebt die geduldige Arbeit am Detail nicht hervor, sondern ersetzt sie. Sie ist fett im negativen Sinne, hat einen kleinen Wohlstandsbauch angesetzt, der sich in Texten spiegelt, die seltener von purer Verzweiflung und häufiger von Verlustängsten handeln.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Coldplay machen immer noch schöne Musik. Sie finden wundersam eingängige oder, wie die FAZ schreibt, absolut notwendige und logische und unverzichtbare Melodien, so dass man sich fragt, wo denn diese Melodien vorher waren. Coldplay malen immer noch in vielen Farben, aber eben nicht mehr mit dem feinen Pinsel.
96 Kommentare mit einer Antwort
is aber schade drum
die rezi meinte ich, nich das album... is aber schade drum, dass die rezi soo scheiße unverdient ist, du langsam verstehen ??
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
@Daniel (« Ich wette, ich habe mehr Vinyls von Kraftwerk als du, Lars! »):
du hast kraftwerk komplett auf vinyl
kompliment, dann gebe ich mich geschlagen
X&Y ist toll geraten, eigentlich hab ich mir die CD wegen Speed of Sound gekauft, aber Square One ist noch besser...und ein echter Ausreißer ist auch nicht dabei
Ich wüsste auf jeden Fall, wem man für solchen Mist mal etwas ausreißen sollte! Reis bitte aus!