laut.de-Kritik
Mit besten Absichten Nerven strapazieren.
Review von Dominik Lippe"Ist das noch Rap oder eine Gender-Studies-Seminararbeit?", fragte Yannik Gölz nach den ersten Singles aus Connys "Manic Pixie Dream Boy, Vol. 2", womit er die Problematik des Albums bereits ziemlich auf den Punkt brachte. Denn der Rapper tritt reflektiert auf und hegt die besten Absichten, doch strapaziert dabei zugleich die Nerven der Hörerschaft. Frei von praktisch jedem Unterhaltungswert, der den schweren Themen einen Hauch von Leichtigkeit verschaffen könnte, lässt er seinen intensiven Wortschwall auf die völlig teilnahmslosen Instrumentals niederregnen.
"Wenn du so nah an der Kante stehst, guck' besser nicht nach unten, denn der Tod ist nicht verlegen, sein Interesse zu bekunden", startet er gleich mit dem schwer verdaulichen Hauptgang "Wäscheständer", in dem er ein unstrukturiertes Leben in der Phase des Übergangs skizziert. Mit gesenktem Haupt schlurft das Instrumental durch den Song. Conny versucht sich dazu schwermütig und zugleich verloren im Raum schwebend an allerhand Sinnsprüchen: "Ich lebe über den Verhältnissen und unter den Erwartungen." Die großen und kleinen Fragen des Lebens packt er unentschlossen an.
Zwei Menschen befinden sich etwa in "Rückgeld" an unterschiedlichen Punkten in ihrer Beziehung. In "Klingelschild" liegt sie bereits in Scherben, während Conny noch die Hörerschaft daran teilhaben lässt, in welchen Alltagsdetails er die schmerzhaften Spuren seiner Ex-Freundin spürt. Vom Privaten wechselt er zum Systematischen. "Rote Linien" bemängelt mit mauen Gesangseinlagen die menschlichen Kategorisierungen nach Identitätsfragen. Vor allem weibliche und männliche Geschlechtsklischees, die die Eltern dem Ungeboren bereits ab dem ersten Ultraschallbild überstülpen, sind ihm ein Dorn im Auge.
In Fragen der Gleichberechtigung und des sensiblen Miteinanders besteht ohnehin Nachholbedarf. Abgesehen von etwas politisch korrekter Selbstgefälligkeit haben sich die Zeiten laut "Melancholé" kaum verändert. Conny überfrachtet leider den wirklich gut gemeinten Track und stellt Eminems Songs über häusliche Gewalt in einen Zusammenhang mit echten Straftaten: "Mutige These: Vergewaltigung ist auch für deutsche Promis heute nicht mehr nur noch Kavaliersdelikt. Mutige These: Konsequenzen gäb' es auch für einen Mockridge und Samra hätte niemand mehr auf YouTube angeklickt."
"Pfefferspray" startet als Geschichte über einen Mann mit einer rein ausbeuterischen Sicht auf das weibliche Geschlecht. Nacktfotos seiner Eroberungen speichert er in seinem Smartphone und leitet sie über Chatgruppen zur eingehenden Bewertung an seine Freunde weiter. Wenn in der zweiten Strophe die Perspektive der Frau in den Fokus rückt, setzt Gastrapperin Liser ein, die Connys Zeilen aber lediglich im Hintergrund echoen darf. Das hätte als Kommentar über männliche Dominanz und Deutungshoheit für sich stehen können, doch er wählt lieber einen anderen Weg.
"Du kannst all die Texte schreiben, doch es bleiben unsere. Und unsere sind eben nicht deine Geschichten", wirft Liser ihm vor. Daraufhin wirft er sich in Büßerpose und stellt seine eigene Berechtigung identitätspolitisch in Frage: "Ich senk' den Kopf und schließ' die Augen, sie hat recht. Deine Geschichte zu erzählen, heißt meine Sicht davon erzählen. Und meine Sichtbarkeit nimmt deine wieder weg." Im Grunde bleiben Conny zwei Möglichkeiten: Entweder bleibt er bei 'seinen' Geschichten, die er sich selbst erlaubt zu erzählen, oder er gönnt ihr einfach den kompletten Raum eines Songs.
Stets regiert das Unentschieden. In "Kannst Du Woanders Traurig Sein" geht es um den verschwiegenen Umgang mit Trauer und psychischen Erkrankungen, um letztlich tief geknickt zu rappen: "Und weil sie sagen, Glück wird größer, wenn man's teilt, behalte ich mein Unglück lieber ganz für mich allein." Statt als Herr seines eigenen Albums aufzutreten, fragt er lieber die Hörerinnen und Hörer indirekt, ob er Depressionen mit seiner Umwelt teilen oder sich zu Feminismus äußern darf. Weder seine Verse noch seine unschlüssigen Instrumentals wissen, wohin sie überhaupt wollen.
4 Kommentare mit einer Antwort
Produktion, Mixing und Performance ist gut, die Schwächen des Albums liegen allerdings darin, dass musikalisch insgesamt wenig Abwechslung geboten wird und das Projekt textlich wie so ziemlich vieles von Conny wie eine gerappte Poetry Slam-Veranstaltung klingt. Darüber hinaus sagen mir die gesungenen Hooks von ihm selbst nicht so zu.
Dabei ist nicht das Problem, dass er sich überhaupt mit den politischen und gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt, sondern eher, dass er mit einer starken Tendenz an ein Großteil der Themen rangeht und durch die Vorgabe der Ansichten eher wie ein unsympathischer Klugscheißer rüberkommt. Das gefällt tendenziell Personen, die mit sich selbst nicht 100% im Reinen sind und irgendeinen moralischen Kompass brauchen (und ich kenne 3 Conny-Hörerinnen, auf alle trifft das zu), aber Personen wie meine Wenigkeit stehen da eher auf Kunst, die Konflikte behandelt und Gefühlsausdrücke behandeln.
Auf "Rückgeld" und "Klingelschild" passiert das ja durchaus in Ansätzen, was für mich auch die interessantesten Tracks darstellen. Der Rest ist mir da ein wenig zu seicht.
Das nämlich. Der frühere Conny auf den Plotalben war ein Meister der Ambivalenz in solchen Themen. Mittlerweile ist das ne Moralschlacht vom feinsten, wo man sich alle Nase lang denkt "halt bitte die Fresse, bis gerade eben war's doch so gut, warum jetzt der Satz?"
Die Schauspielkunst in dem Video ist mal top notch.
Was für ein Müll...
Mann hasst Mann; das Album.