laut.de-Kritik
Verschroben und unheimlich; ein Album wie eine Séance.
Review von Matthias von ViereckEin Album wie eine Séance, in höchstem Maße somnambul: das wunderbar verschrobene Debüt eines gewissen DM Stith aus Bloomington, Indiana (DM steht für David Michael). "Heavy Ghost" heißt das Album, ein Song trägt den Titel "Spirit Parade". Und wo kommen die ganzen Stimmen her? Ist das Herr Stith oder sind das tatsächlich Geister?
Es klimpert, scheppert und heult, dass es eine Freude ist. Dazu Stiths fragiler Gesang, der durchaus an Antony Hegarty erinnert. Zu jeder Zeit hört man, dass DM Stith einer Familie entstammt, in der er schon früh mit Musik konfrontiert wurde. So selbstverständlich ist sein Experimentieren, sein spielerischer Umgang mit dieser.
Die vielleicht beste Beschreibung seiner Kunst findet sich bei MySpace: "Your music is like being a fish swimming and searching amongst old shipwrecks and world war 3 dungeons". Tatsächlich fühlt man sich wie inmitten der Ruinen einer sehr alten Kultur. Beklemmende Sounds wechseln sich ab mit lieblichen, ja poetischen Passagen.
Stith zeichnet ein Soundgemälde, irgendwo zwischen Improvisation, Weird Folk und Action Painting. Nervöse, zittrige Geigen, Akustikgitarren, Elektronik und immer wieder das Akzente setzende Piano. Ein spannenderes Klavier hat man zuletzt im Popkontext nur bei Hauschka erleben dürfen. Die dekonstruierten Songstrukturen würden auch Animal Collective gut zu Gesicht stehen.
Eine komplexe Platte, mit dichten, zuweilen auch überambitionierten Arrangements und einem weiten Entdeckungshorizont. Kopfhörermusik! Teils entfernt sich DM aber zu sehr von allen Strukturen, verliert sich in einer Parallelwelt aus Sounds. Und die Texte? Sind ähnlich rätselhaft: "When the ghosts of me refuse to speak, and in my dreams I watch tv". Da sind sie wieder, die Geister.
Stith, der auch einige Zeit in Brooklyn lebte, liebt die Kakophonie, das Fragment, die Assoziation. Manchmal fühlt man sich wie bei Radiohead zu "Kid A"-Zeiten. "How To Disappear Completely" hieß damals ein Song.
Auch Stith scheint ganz verschwinden zu wollen in den Wirren seiner Musik. "Braid Of Voices" nennt sich das Meisterstück einer nicht immer zugänglichen Platte. Selten einen tolleren Spannungsbogen gehört als in diesem Rätsel von einem Song. Ganz großes Kino. Im letzten Track schließlich scheint Stith völlig umgeben von den Geistern, die er rief. Creepy ...
2 Kommentare
was ich bisher hören konnte, macht mich sprachlos.
eine derart gespenstische aura umgibt dieses album, wie antony hegarty (minus selbstmitleid)oder patrick watson (nur noch atmosphärischer).
bei der suchfunktion hier im forum habe ich festgestellt, dass er mich vor einigen jahren schon begeistern konnte. hab' mich danach nicht mehr mit ihm auseinandergesetzt. das werde ich aber dementsprechend nachholen. so schließt sich der kreis.
zur review: "how to disappear completely" kommt mir da stellenweise auch in den sinn. insgesamt auch gut geschrieben, nur was animal collective in der review zu suchen haben...egal
und wer das liest und gar nix vom ihm kennt:
pity dance (http://www.youtube.com/watch?v=H3frxcEuQyE)
Und ich habe die Review völlig verschlafen/verpasst.
Sonst hat screwball schlicht recht.
Phantastisches Album. Steht ja auch in meinen persönlichen Jahrescharts 2009 weit oben!