laut.de-Kritik

Die Heavy Funkrock-Mischung glüht.

Review von

Kam, sah, und siegte. Der alte Cäsar-Slogan kommt einem beim Dan Reed Network sogleich in Sinn, wenn die Band zum "good fight" mit souveränen Riffs in die Studio-Arena einläuft. Oder eher hinein gleitet. Wenn man ein "Pretty Karma" hat, fliegt es sich gut. Die erdig-bluesbenetzten Bässe lösen sich schnell und erheben sich zu wieselflinken und federleichten Heavy Rock-Kunstgriffen. Smashig dröhnen die Hooks auf der neuen LP "Let's Hear It For The King". Übersteuernde Verzerr-Effekte liegen dann über den Lead Vocals, um hymnischer und satter zu tönen.

Melodiöse und schlichte Strophen mit lebenserfahrener und ein bisschen erstickter Stimme kontrastieren im Opener "Pretty Karma". Während die düster-verschwörerische Spoken Word-Bridge wieder raunende, tiefe Laute aus Reeds Kehlkopf kitzeln. Willkommen im Schlachtfeld der metallischen Funkrock-Band, die irgendwo zwischen Rock-Disco à la Stiltskin, der Funkyness der Red Hot Chili Peppers, der Majestätik von Magnum und den beiden Polen Hardrock ("Homegrown") und Blues ("Stumble") ihr spezielles Amalgam in die Amplifier rammt.

Womit sie tun, was sie immer taten und was auch Dan Reed auf seinen Solo-CDs seit "Coming Up For Air" gefiel. Ob da mal der Metal-Gestus überwiegt ("The Ghost Inside") oder die jung gebliebene Vokuhila-Szene bedient wird ("Starlight"). Yep, Erkenntnis aus meiner Krankenpflegeausbildung: Die Leute, die zu The Sweet und Status Quo tanzten, als Clubs noch Diskotheken hießen, beantragen heute allmählich Pflegegrade, drehen jetzt aber ans Bett gefesselt solche Mucke auf, wie Dan Reed sie runterhottet. Auto-Suggestion. 

Das Markenzeichen der Band aus Portland bestand von Gründung an im offbeatigen Move auf sehr harten Riffs. In "Supernova" ergibt genau diese Rezeptur wieder eine fantastische Konsistenz, locker, stringent, mit Bass-Zittern, das zwangsweise Stroboskop-Blitze vors innere Auge beamt. "I see blacks and whites / never hand in hand / I see everyone's been hatred for the injustice of having different opinions", äußert sich Reed kritisch, im Mittelteil wieder als verfremdeter Spoken Word, und er klingt zugeschaltet wie aus einem Raumschiff.

Im "digital wasteland" treibt er sich das Network herum, was das absurd lakonische Artwork erklärt: Sieht sehr technisch-enthumanisiert aus, reduziert den Menschen auf den Skelett-Kopf. Die Violett-Purpur-Farb-Kombi steht eigentlich für Extravaganz, chic und edel. Obendrauf die Krone auf dem knöchernen Haupt. Für eine Deluxe-Version könnte man Reeds Cover-Schädel noch eine OP-Maske aufziehen, denn die Nummern live als Bonus Tracks wären das Salz in der Suppe, das hier noch fehlt. Aber wegen Corona war auch diese Tour verschoben, und mit ihr das schon länger fertige Album.

Was eine Hälfte lang super durchhörbar runtergeht wie Öl, das ermüdet auf die Strecke der gesamten 57 Minuten. Reine AOR-Pflichtstandards mit schwerfälliger Dramatik ("Just Might Get It") und die peinlich aus dem Ruder laufende Ballade "Last Day On Saturn" hätte man gerne weglassen können. Gut, das ist Jammern auf hohem Level. Denn wer sonst bietet einem diesen Stil? Living Colour arbeiten wohl immerhin an einer Platte zum Thema Black Lives Matter. Einstweilen klingt das Network einzigartig und bekommt stets die Kurve, gerade wenn man meint, das wär's jetzt gewesen an Ideen.

Dass "I See Angels" zu einer Art Kreuzung von Phil CollinsGenesis mit kurzem E-Guitar-Solo gerät, mutet dabei irgendwie gut an, weil es die Abwechslung steigert und weil die Melodie super-ohrwurmig ist. Was weniger glückt: Die gesangliche Ausdruckskraft und die eingangs genannten Nuancen beizubehalten.

Ein Track wie "Are You Ready" lebt vor allem von Drummer Daniel Pred und seinem peitschenden Gas-Geben. Die Vocals des 59-jährigen Chefs hören sich mitunter eher monoton und blass an. Led Zeppelins "Kashmir"-Crescendo wird gestreift, fast schon zitiert, zwei Mal kurz (in "Unfuck My World" und "Homegrown") - da muss man aber schon sehr genau aufmerken.

Der Longplayer "Lets's Hear It For The King": Summa summarum halb-gut, jedoch sympathisch. Die löblichen Soli, welche auf der Scheibe nahezu versteckt werden, sind zu wenige, jeweils zu kurze. Wild wird's kaum. Brettert mal was los, wie im Outro zu "Unfuck My World", verschwindet es allzu bald im Fade-Out. Wie es ein Amazon-Kunde vor einigen Jahren ausdrückte: "Gitarren, Keyboards und Bass sind zweckmäßig in Szene gesetzt."

Trackliste

  1. 1. Pretty Karma
  2. 2. The Ghost Inside
  3. 3. Starlight
  4. 4. Supernova
  5. 5. Let's Hear It For The King
  6. 6. I See Angels
  7. 7. Homegrown
  8. 8. Stumble
  9. 9. Just Might Get It
  10. 10. Where's The Revolution
  11. 11. Are You Ready
  12. 12. Unfuck My World
  13. 13. Last Day On Saturn

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