laut.de-Kritik

Die Berliner entfachen endlich wieder ein politisches Feuer im Hip Hop.

Review von

Das Department ist politisch, es polarisiert und provoziert. Allein schon deswegen müsste bei ihrem Debutalbum "Brennstoff" eigentlich die Höchstnote fallen, denn mit diesen Attributen stehen sie ganz schön einsam in einer Ecke der Hip Hop-Bühne. In Punkto lyrische Radikalität fallen mir hier höchstens noch die guten, alten Anarchist Academy (RIP) oder neuerdings mit Abstrichen Jan Delay ein. Man kann und sollte aber die Musik nicht außen vor lassen, sie ist das wichtigste Bindeglied zwischen Anspruch und Spaß. Und bei den Beats liegt dann auch so manches im Argen. Bruder, Kronstädter und Hinnack kreieren zwar einen eigenwilligen Sound, der aber leider nicht selten das dünne Nervenkostüm des Autors traktiert und in Mitleidenschaft zieht. Besonders die ersten vier Songs und alle 23! Interludes kann man getrost vergessen. Mir schwante schon Böses, dass ich hier etwa nur von "gut gemeint" werde sprechen können. Was ja, wie wir alle wissen, das Gegenteil von gut ist.

Doch mit Track vierzehn kommt "mehr Licht" ins Albumgrau. Der Song bounct heftig im Kopfnickerstyle. Endlich ein Hip Hop-Track für den Rap-Puristen. Zwar wird man mit "Watte willst" und den nervigen, langatmigen Flows von Bruder und Clueso jäh aus seiner Hochstimmung gerissen, doch schon der trashige 80er Jahre Punksong "Blasen, Mann, nicht ficken" entschädigt für vieles. Es folgt die Internet-Anarchiehymne "Vernetzt". Zweiter Höhepunkt ist dann die radikale KMC-Kollabo "Bullenbeat" inklusive legendären Slime-Refrain "Polizei SA-SS". Der Song macht da weiter, wo die Beginner '93 mit "K.E.I.N.E." aufgehört haben. Auch die beiden Singles "Und abgehda", sowie "Besondere Kennzeichen: Keine" können sich hören lassen. Bei dem ruhigen "Alles gerade lügt", zeigt sich das Department dank dem einfachen, aber schönen Soulchorus "Baby, Baby komm mit mir" von seiner wehmütigen Seite. Als krönenden Abschluss gibt es die gelungene Ton Steine Scherben-Adaption "Wir müssen hier raus" mit herrlich-pathetischen "For The Revolution"-Sample.

Wer sich also durch überflüssige Interludes, nervige Crossover-Sounds und eigenwillige Lyriks kämpft, findet auf der Platte ein paar absolute Perlen. Ich bin sogar gewillt zu sagen, dass es sich bei den hörbaren Songs zum Teil um Klassiker handelt. Diese Lieder sind dann auch für Rap-Puristen wie meine Wenigkeit eine wahre Wonne und rechtfertigen eine positives Gesamturteil.

Trackliste

  1. 1. Geburt (Intalude)
  2. 2. Frontala Aufprall
  3. 3. Ansage (Intalude)
  4. 4. Muschiis (Intalude)
  5. 5. Anpfiff (feat. Sera Finale, Sen)
  6. 6. Ken FM (Intalude)
  7. 7. Ne Cola (Intalude)
  8. 8. Tinitus
  9. 9. Für eine Handvoll Gras (Intalude)
  10. 10. Arty Farty (Intalude)
  11. 11. Hang Up? (feat. Sen)
  12. 12. Voll hetero (Intalude)
  13. 13. Buckow Rules (Intalude)
  14. 14. Mehr Licht! (feat. Souri)
  15. 15. Yalla (Intalude)
  16. 16. Klartext (Intalude)
  17. 17. Wattewillst (feat. Clueso)
  18. 18. Blasen, Mann, nich' ficken (Intalude)
  19. 19. Zehennagelinstalation (Intalude)
  20. 20. Vernetzt
  21. 21. Halsmaul (Intalude)
  22. 22. R.e.vo.l.u.t.i.o.n. (Intalude)
  23. 23. Bullenbeat (feat. KMC)
  24. 24. Festplattenknistern (Intalude)
  25. 25. Besondere Kennzeichen: Keine
  26. 26. Bbb-Gunjah (Intalude)
  27. 27. Und Abgehda!
  28. 28. Doppel-pack (Intalude)
  29. 29. Ein-pack (Intalude)
  30. 30. Alles gerade lügt (feat Natural)
  31. 31. Synonym (Intalude)
  32. 32. Die Müllers (Intalude)
  33. 33. Wir müssen hier raus
  34. 34. Backwahn (Intalude)
  35. 35. Bademeister-Style (Intalude)
  36. 36. Abspann

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