laut.de-Kritik

Der Vibe trägt die meisten Früchte.

Review von

TikTok ist allgegenwärtig und beeinflusst die Musiklandschaft beträchtlich, selbst dieser kanadische Megastar ist sich nicht für einen Tanz-Track zu schade. Mit "Toosie Slide" hat Drake einen viralen Hit mit unfassbar banaler Anleitung zum Schwofen, flankiert von Referenzen an Michael Jackson. Wer es noch nicht wusste: Toosie ist ein Tänzer und Choreograph aus Atlanta, der an diesem Song einen gehörigen Anteil hat. Der Beat kommt vom Schweizer OZ, der auch für die hiesigen Rapper Ufo361 und Shindy an den Reglern werkelt.

Connaisseuren des Genres war klar, dass es Drake bei diesem Song nicht belässt, geistern doch schon seit etlicher Zeit Trackfetzen, lose Songs und Jam-Sessions durch soziale Medien und Soundcloud. Vieles davon gießt Drizzy in sein mittlerweile fünftes Mixtape "Dark Lane Demo Tapes". Sein letzter Output "Scorpion" hat bereits zwei Jahre auf dem Buckel, doch sind noch zwei Altlasten davon übrig geblieben.

Zum einen das ruhige "Deep Pockets", bei dem er über persönliche Stories in Toronto und den klassischen Aufstieg von arm zu reich parliert. Zum anderen das etwas psychedelische "From Florida With Love", das unter anderem von einem Raubüberfall nach einem Restaurantbesuch erzählt.

Bleiben wir doch gleich bei den inhaltlichen Themen und da hat sich nicht viel verändert. Drake schlägt gerne das Buch auf, implementiert Anekdoten in ausschweifende Verse, zählt seinen Luxus und Statussymbole auf, feiert sein Selbstbewusstein und badet in unzähligen Liebesgeschichten. Einstweilen kommen dabei Stilblüten heraus, bei denen man kurz zusammenzuckt. In "When To Say When" schwadroniert er über seine exorbitante Villa und stellt unnötige Vergleiche auf: "Michael Jackson shit, but the palace is not for kids". In "War" spielt er auf den mordenden Rapper Mayhem Morearty an und dass dieser sich in "personal custody" (persönlichem Gewahrsam) befand. Drake macht folgendes daraus: "Thought he was a bad boy, then 'til man got pinched and man went PC / Man went PC just like Dell and Windows, some man been those". Ohne Worte.

Er kann es weitaus besser und zeigt es uns im selben Song, wenn er die Versöhnung mit seinem Toronto-Kumpel The Weeknd anspricht: "OVOXO link up, mandem drink up, me and the drillers / ... / And the boy that sound like he sang on Thriller, you know that's been my nigga / Yeah, we just had to fix things, family, 6ix tings, we can't split up."

Wem die verwirrende Lyrik, die komplexen Querverweise und das ausufernde Storytelling zu anstregend sind, der kann sich voll und ganz auf den Vibe des Mixtapes einlassen, denn alles ist stimmig produziert: flirrende und harte Hi-Hats, weiche und sphärische Synthies, tiefe Bässe und ein latenter Hauch Melancholie. Auch das Pacing stimmt, wenn sich nachdenkliche mit aggressiveren Songs abwechseln. OZ steuert neben "Toosie Slide" noch die Beats zu "Time Flies" und "Losses" bei, einem der Highlights. Das Intro, Interlude und Outro sind Snippets aus Drakes Instagram-Live-Video, als er mit seinem Vater während des Lockdowns spricht.

Als weiteres Glanzlicht entpuppt sich der traurige "Chicago Freestyle", bei dem Drake den Refrain von Eminems "Superman" zitiert mit nur einer kleinen Veränderung. Giveons Zwischenspiele mit herunter gepitchter Stimme passen hervorragend ins Bild.

"D4L" ist eine große Spaßveranstaltung und wirkt, als hätten sich drei dicke Schulfreunde endlich wieder gefunden und zusammen einen Track aufgenommen, bei dem sie auch kräftig abspacken. Insbesondere die langgezogenen "brrrr" und "skrrt" von Future und Young Thug in der dritten Strophe machen richtig Laune.

Einen musikalischen Ausflug unternimmt der Kanadier bei den zwei Abschlusssongs "Demons" und "War", die beide im UK Drill angesiedelt sind und von den dort bekannten Produzenten JB Made It und AXL Beats stammen. Dem Subgenre geschuldet, wirkt dieses Ende recht hektisch, unstet sowie roh und bleibt damit Geschmackssache.

Die "Dark Lane Demo Tapes" sind mit einer Spielzeit von knapp 50 Minuten im Vergleich zu seinen letzten Veröffentlichungen "Scorpion", "More Life" und "Views" deutlich kürzer und dementsprechend verdaulicher. Drake verpackt viel Text in ein angenehmes Soundbild. Bleibt abzuwarten, was er sich für sein bereits angekündigtes Studio-Album anno 2020 alles einfallen lässt.

Trackliste

  1. 1. Deep Pockets
  2. 2. When To Say When
  3. 3. Chicago Freestyle (feat. Giveon)
  4. 4. Not You Too (feat. Chris Brown)
  5. 5. Toosie Slide
  6. 6. Desires (feat. Future)
  7. 7. Time Flies
  8. 8. Landed
  9. 9. D4L (feat. Future & Young Thug)
  10. 10. Pain 1993 (feat. Playboi Carti)
  11. 11. Losses
  12. 12. From Florida With Love
  13. 13. Demons (feat. Fivio Foreign & Sosa Geek)
  14. 14. War

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