laut.de-Kritik
Wunderbar entrückter Soundtrack zu Coney Island.
Review von Giuliano BenassiDas dritte Album wollte er in wenigen Tagen ohne Band und in den eigenen vier Wänden einspielen: "Ich hatte angenommen, dass ich mich am Riemen reißen könnte", erklärt Elvis Perkins in einem Interview, "doch dann dauerte es Monate, bis ich mich aufraffen konnte, die Soundfiles zu öffnen, um sie zu mischen". Aus zwei, drei Tagen wurden mehrere Jahre.
Dabei verbrachte Perkins die meiste Zeit damit, Sounds aufzunehmen, hinzuzufügen, wegzunehmen und an anderer Stelle wieder einzubauen. "So ist daraus ein Album voller Wellen und Änderungen geworden", fasst er auf seiner Webseite zusammen.
Dennoch klingt das Ergebnis weniger experimentell als seine Aussagen vermuten lassen. Das melancholische Grundgerüst aus einfach gestrickten Singer/Songwriter-Stücken, wie sie bereits auf den zwei Vorgängern zu hören sind, bleibt bestehen. Auf starke Schwankungen bei der Lautstärke verzichtet er, ebenso auf Verzerrer.
Dafür streut er die Klänge ein, die er hier und da aufgenommen hat. Mittel- und Langwellenfrequenzen spielen dabei eine besondere Rolle, denn das Rauschen und die elektronischen Störgeräusche, die bei einem Radio mit Einstellrad auf der Suche nach einem Sender entstehen, sind oft zu hören.
Zu Akustikgitarre und Perkins' hoher, melancholischer Stimme gesellen sich u.a. Klavier, Glockenspiel, weibliche Harmoniestimmen, stets leicht versetzt und so ein Gefühl der Entrückung erzeugend. Das Bild eines quietschenden Karussells in einem verlassenen Vergnügungspark drängt sich auf.
Der Soundtrack zu Coney Island, könnte man sagen, was nicht mal so abwegig ist, lebt Perkins doch in New York. Vor allem aber vermittelt das Werk ein Gefühl der Einsamkeit. "Die Lebenden werden zu Toten und kommen wieder zurück", beschreibt es Perkins selbst.
Also eine Auseinandersetzung mit der eigenen, dramatischen Familiengeschichte? Sein Vater Anthony spielte den Psychopaten Norman Bates in Alfred Hitchcocks Meisterwerk "Psycho" und haderte lange mit dem Schatten dieser Rolle, bevor er 1992 an AIDS starb. Seine Mutter, die Fotografin Berry Berenson, saß im ersten Flugzeug, das am 11. September 2001 ins World Trade Center einschlug.
Der Bezug scheint jedoch nur mittelbar. Wir alle folgen etwas oder jemandem, so die Bedeutung des Albumtitels. Doch wer oder was das ist, entzieht sich unserem Fassungsvermögen. Diese tendenzielle Ziellosigkeit stellt Perkins musikalisch dar, aber so liebevoll, dass man die Platte immer wieder und gerne einlegt.
3 Kommentare
Hallo
Hallo, habe die Gruppe vorauskommtr ca. 8 Jahren 2 mal in New Orleans gehört und mir direkt die 2 CDs gekauft. Beide sind absolute Spitzenklasse. Danach habe ich dann auf die nächste Arbeit von Elvis P. gewartet. Jedes Jahr habe ich ihn mehrmals gegoogelt und auch mal gehofft, dass er hier nach Europa kommt..... Und jetzt finde ich diese neue CD. Und ich habe selten was Schlechteres gehört. Nach den ersten beiden Veröffentlichungen kann man nur staunen und sich fragen, warum es Jahre gedauert hat, etwas zu veröffentlichen und dann sowas dabei raus kommt. Schade. Sehr schade.
da ist mir leider was verrutscht, in der ersten Zeile.