laut.de-Kritik

Songs über ewige Liebe, Selbstliebe und die Liebe selbst.

Review von

Als Emeli Sandé mit 16 ihre Karriere als Songwriterin startete, waren die Erfolgsaussichten mehr als rosig. Eine junge Frau mit viel Esprit und Charme, die hervorragend Klavier spielt und noch besser singt. Ihr Weg führte sie steil hinauf in den Pop Himmel, mal hinter und mal auf der Bühne. Sie schrieb Songs für Leona Lewis und Cheryl Cole, trat in der renommierten Royal Albert Hall in London auf.

Doch was soll man sagen. Wer sich über ein Jahrzehnt in den Mahlwerken der gut geölten Pop-Maschine aufhält, wird Spuren davon tragen. Damit sind nun nicht Emeli Sandés persönlich schwierige Jahre gemeint, die sie nach ihren großen Erfolgen durchmachen musste, sondern ihr neues Album "How Were We To Know".

Sandés fünftes Studioalbum hat absolut gar nichts von der Frische des Vorgängers "Let's Say For Instance". Wurde dort soundtechnisch mit moderneren Klängen experimentiert, kehrt das Produktionsteam um die schottische Sängerin nun wieder zu 0815-Produktionen zurück. Streicher hier, Piano da, ein paar sphärische Elemente für die Füllung und, da wo es zur Dramatik passt, streut man noch ein paar Akkorde Akustik-Gitarre ein. Die Instrumentals erscheinen absolut banal - und passen damit leider hervorragend zu den Texten Sandés.

Das verbindende Element des Albums heißt: Liebe. Das war's auch schon. Es gibt ein paar Trennungssongs ("All This Love", "How Where We To Know", "Like I Loved You", "There For You"), einen vielleicht-versuchen-wir-es-nochmal-Song ("Too Much"), ein paar erweiterte Liebes-Hymnen an die Freundschaft ("Nothing We Can't Handle"), an die Selbstliebe ("True Colors") und an die Liebe selbst ("Love") und natürlich das Ich-liebe-dich-für-immer-Lied ("End Of Time"). Mehr als leere Phrasen, die das Kitsch-Genre schon längst nicht mehr nur schrammen, bekommt man hier nicht zu hören.

Es gibt allerdings zwei Ausreißer auf "How Were We To Know". Der eine heißt "My Boy Likes To Party" und landet auf der Negativ-Skala ganz weit vorn. Emeli Sandé, die sich im vergangenen Jahr mit ihrer Freundin verlobte, singt hier - absolut emotionsbefreit - über ihren "Boy", der nur feiert und nie zu Hause ist. "My boy likes to party / I never see him when the sun goes down / and they say home is where the heart is, then his home's on the other side of town." Selten klang Frustration so gleichgültig.

In Kombination mit dem Wissen um ihr Privatleben, in dem sie in einer homosexuellen Beziehung lebt, wirkt dieser eher an heterosexuelle Hörerinnen gerichtete Text maximal unauthentisch. Natürlich haben Sänger*innen und Songschreiber*innen auch das Recht auf eine Kunstfigur oder ein lyrisches Ich, das sich abseits der persönlichen Erlebnisse bewegt. Warum man aber im Jahr 2023 eine nicht-heterosexuelle Frau über eine klassische Frau-Mann-Beziehung singen lässt, entzieht sich jeglichem Verständnis.

Immerhin gibt es aber auch einen kurzen Lichtblick. "Lighthouse" kommt mit einer erfrischenden Reggae-Brise vom Strand und erinnert fast an die federleichte Schwermütigkeit einer Hollie Cook. Natürlich erklingt auch "Lighthouse" im glattgebügelten Pop-Korsett, doch der Song ist der mit Abstand beste auf "How Where We To Know" - auch textlich.

"I've been sailing nowhere since November / where I'm headed I just can't remember / losing faith in this unfaithful compass / I'm so thirsty on these lonely waters." Emeli Sandé singt überzeugend vom Gefühl des Verlorenseins und fühlt sich hörbar wohl im sandigen Beach-Pop-Reggae-Kleid. Der dritte Track entpuppt sich als wahrer Leuchtturm in einem ansonsten eher enttäuschenden Banalitäten-Kabinett. Aber wie bereits angedeutet - die Jahre in der Pop-Maschine haben eben ihre Spuren hinterlassen. Ob sie so in die Fußstapfen ihrer Idole Nina Simone und Joni Mitchell treten kann? Eher zweifelhaft.

Trackliste

  1. 1. All This Love
  2. 2. My Boy Likes To Party
  3. 3. Lighthouse
  4. 4. How Were We To Know
  5. 5. Too Much
  6. 6. Nothing We Can't Handle
  7. 7. Like I Loved You
  8. 8. There For You
  9. 9. True Colors
  10. 10. End Of Time
  11. 11. Love

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Jahrelang agiert Emeli Sandé im Hintergrund und schreibt fleißig Songs, die etablierten Künstlern wie Leona Lewis, Tinie Tempah, Cheryl Cole, Alesha …

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