laut.de-Kritik

Mit neuem Sänger betoniert Rollo den Dancefloor.

Review von

Faithless spielen in ihrer eigenen Liga. Wer ob ihres Durchbruchs anno 1995 noch an einen kurzlebigen Technoact mit repräsentativem, schwarzem MC dachte, wird sich im Laufe der Jahre doch stark gewundert haben, wie vielseitig und wechselhaft sich der Sound der Engländer präsentiert. Den ganz großen Kracher hatte das Kollektiv um Rollo, Maxi Jazz und Sister Bliss danach zwar nicht mehr auf Lager, aber wer nur ein einziges Mal Zeuge eines Faithless-Gigs sein konnte, wird bestätigen, dass es sich bei Faithless um mehr handelt als ein One Hit-Wonder.

So richtig zuhause sind die 'Treulosen' eigentlich nirgendwo. Ausdruck findet diese Haltung vielleicht unabsichtlich im Titel ihres mittlerweile vierten Studioalbums. Keine Wurzeln zu haben, kann von Vorteil sein. Losgelöst von etwaigen Erwartungen lässt es sich im Stil-Dschungel gut wildern, und genau das machen Faithless auch diesmal wieder ausgiebig. Einzige personelle Neuverpflichtung im Kontext des Kollektivs ist dabei ein gewisser LSK, der mit seinem Gesang für entscheidende Farbtupfer sorgen kann. Neben ihm glänzt Maxi Jazz wieder einmal mit seinen lakonisch dahin geworfenen Textfragmenten.

Musikalisch gesehen nähern sich Faithless mit "No Roots" ihrem Live-Sound an, der nicht zuletzt von Instrumental-Parts in epischer Länge lebt, die, ausufernd und scheinbar improvisiert, genügend Freiraum für hypnotische Momente lassen. Gleich einer Jam-Session betoniert Rollo dabei den elektronischen Boden zu einem strukturreichen Dancefloor, auf dem sich Gitarre, Keyboards und allerlei andere Klangerzeuger austoben dürfen. Ein Lied greift fast übergangslos in das nächste, verzahnt sich dabei unmerklich und führt den Hörer weiter weg vom Opener "Mass Destruction".

Äußerst reduziert im Sound pumpt ein mächtiger Bass im Rücken der akustischen Gitarre, während Maxi seine Sicht der Dinge zum Irak-Krieg, Heuchlerei und Ausbeutung zum Besten gibt. Im weiteren Verlauf mag zwar die eine oder andere Synthiefläche etwas barock und altbacken anmuten, aber gerade das macht den Charme dieser Band aus. Sie sind sich nicht zu schade, altbewährte Sounds in ihre Klänge zu integrieren und suchen nicht krampfhaft nach dem neuesten Bleep und Fiep.

"I Want More" gleitet schon fast in ein Terrain über, das Massive Attack in ihrer Frühphase beackerten. Der soulige Gesang von Neuzugang LSK glänzt in beiden Parts. Vom eher ruhig gehaltenen Anfang bis zur pathetischen Disco-Explosion im weiteren Verlauf hält er die Spannung aufrecht. Überhaupt passt LSK mit seinen Beiträgen bei Faithless wie die Faust aufs Auge. Da macht es denn auch überhaupt nichts aus, dass die in der Vergangenheit präsente Dido auf "No Roots" eine eher untergeordnete Rolle spielt. Lediglich im Titeltrack haucht sie ihren typischen Gesang ins Mikro.

Den Fluss des Albums könnten böse Zungen zwar auch als eintönig abtun, aber wie meinten die Fantastischen Vier einmal so treffend in "Krieger"? "Jetzt da er das Geheimnis kennt spürt er im Rhythmus den Zauber der Monotonie und Energie wie noch nie ersetzt die Theorie". Sehr schön und auch auf "No Roots" passend ausgedrückt. Danke.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Mass Destruction
  3. 3. I Want More: Part 1
  4. 4. I Want More: Part 2
  5. 5. Love Lives On My Street
  6. 6. Bluegrass
  7. 7. Sweep
  8. 8. Miss U Less, See U More
  9. 9. No Roots
  10. 10. Swingers
  11. 11. Pastoral
  12. 12. Everything Will Be Alright Tomorrow
  13. 13. What About Love
  14. 14. In The End
  15. 15. Mass Destruction (P*Nut And Sister Bliss Mix)

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