laut.de-Kritik

Großartige Melodien in kurzweiligen Pop-Songs.

Review von

Shane McGowan ist tot - und die Welt entdeckt seine aus dem Dreck gewachsene Poesie und die ikonisch versoffene Stimme neu. Ein YouTube-Reaktor sprach gar von dem wundervollsten schlechtesten Sänger überhaupt. Er hätte auch einfach sagen können: Shane ist Punk. Die Pogues sind Punk. Punk, wie er sein sollte. Ehrlich, sperrig, kraftvoll, rotzig und so warm wie die letzte Flasche Guiness am Neujahrsmorgen. Wie sang Rio Reiser einst: "Liebe kommt von unten."

Seit den Pogues funktioniert der Irish Folk eigentlich nur noch in diesem Kontext. Klingt der Sound aus dem Studio zu glatt und die Stimme zu rein, verliert die Band jene irische Seele und muss sie sich mit begeisternden Liveshows zurückerobern. Auch die Alben von Fiddler's Green kränkelten häufig an Kantenlosigkeit - wie auch auf ihrem neuesten, dem 17. Werk "The Green Machine" - obwohl sie wirklich in die Saite hauen wie Leberhaken. Der Opener "Shanghaied In Portsmouth" startet als Highspeed-Kracher mit mitgröl-tauglichen Shouts, wilden Geigen und Ska-Einlage. Ein dreckiges Pub-Feeling wie bei "Sally Maclennane" oder "Fiesta" fehlt jedoch.

Trotzdem bleibt man natürlich auf dem Hocker am Tresen und schunkelt zu "The Bag", bevor bei "A Good Irish Bar" und "I Don't Like Alcohol" mit Tobias Heindl die Punkrock-Pfanne ausgepackt wird. "Ready For The Ball" und "Muirsheen Durkin" komplementieren den Reigen, der ganz auf Livetauglichkeit zugeschnitten ist. Für Fiddler's Green gilt, was ein US-Journalist einmal über ältere US-Rapper sagte: Eigentlich droppen die nur neue Alben, um auf Tour gehen und mit den Liveshows das nötige Geld verdienen zu können. Fair enough.

Aber die Fiddlers besitzen eine Stärke, die sie von vielen Irish Folk-DudlerInnen unterscheidet: das Gespür für großartige Melodien und kurzweilige Pop-Songs. "Connemara" oder "Straight Ahead" vom 92er zweiten Werk "Black Sheep" bieten tolle Hooks, spannende und eingängige Strophen - und zum Glück dehnen sie ihre Massentauglichkeit auf "The Green Machine" noch weiter aus.

Mit "My Fairy Of The West" lehnen sie sich voll in die Schlager-Ecke und erobern jedes Bierzelt. Sänger und Gründer Ralf "Albi" Albers sorgt mit seiner sanften, klaren Stimme für die nötige Tiefe, um den modernen Spotify-Refrain zu kontern, der auch bei jedem Formatradio die KI um den Algo wickelt. Der Song enthält mehr Sex und Groove als das angestrengte "A Good Irish Bar". Noch ein Stück offensichtlicher tanzt "I Need A Volunteer" im Discofox durch den subventionierten Heuschuppen bei Bauer Jessen.

Die zwei schönsten Tracks bilden jedoch die langsamen Momente. In der Ruhe liegt die Kraft. Auf der Power-Ballade "A Fleecy Cloud" geht die Sonne auf, die schlechten Gedanken am Morgen danach verflüchtigen sich wie dust in the wind. Mehr Hoffnung geht nicht: "A heavy cloud doesn't mean it'll rain / And I know it's hard to bear / I am always around / I will always care".

Die Interpretation des traditionellen, schottischen Folksongs "The Painting Glass" gerät mit dem melancholischen Indie Pop-Vibe gar besser als die Version der Pogues von "Rum, Sodomy & The Lash". Danach fällt es wie Schuppen von den Haaren. Fiddler's Green erinnern doch an die Pogues - an die Songs mit Terry Woods oder Spider Stacy am Mic wie "Yound Ned Of The Hill" oder "Till The End" - und haben sich ihren Platz im Irish Folk zu Recht erkämpft. Irish Folk Pop statt Irish Folk Punk und alles wird gut. Rest In Peace Shane MacGowan.

Trackliste

  1. 1. Shanghaied In Portsmouth
  2. 2. The Bog
  3. 3. A Good Old Irish Bar
  4. 4. My Fairy Of The West
  5. 5. I Don't Like Alcohol
  6. 6. A Fleecy Cloud
  7. 7. Ready For The Ball
  8. 8. May The Road Rise Up To Meet You
  9. 9. I Need A Volunteer
  10. 10. Hangover
  11. 11. Muirsheen Durkin
  12. 12. The Parting Glass

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