laut.de-Kritik
Solides Album, dessen Bauteile nie ganz zusammenfinden.
Review von Sven KabelitzWäre alles wie geplant gelaufen, wir sprächen nun nicht über "The Algorithm" sondern über "Rebus", das Album, auf dem die beiden Filter-Gründer Richard Patrick und Brian Liesegang wieder zueinander finden. Der Nachfolger zu ihrem Debüt "Short Bus", nachdem Liesegang die Band bereits verlassen hatte. Wieder zusammengeführt von der Veruca Salt-Frontfrau Louise Post, die bei einem Konzert, das die beiden besuchten, die Streithähne dazu aufrief, die alten Zwistigkeiten hinter sich zu lassen: "Bury any bullshit, forget the crap, and get their shit together."
Leider hat das vermaledeite Leben die lästige Angewohnheit, nur selten wie geplant zu verlaufen. 2018 starteten die beiden voller Tatendrang, einigten sich auf das "Rebus"-Konzept, schrieben Lieder, planten, Geld für das Werk über die Crowd-Sourcing-Plattform PledgeMusic zu beschaffen. Das Ende der Plattform und andere nie erläuterte Gründe beendeten die Zusammenarbeit 2019 aber so schnell, wie sie begonnen hatte. Die bereits komponierten Songs sollten es aber dennoch auf einen kommenden Longplayer schaffen.
Corona legte jedoch auch dieses mit ständigen Namenswechseln geplagte Projekt auf Eis. 2020 veröffentlichte Patrick mit "Thoughts And Prayers" und vor allem dem wütenden und mit Liesegang geschriebenen "Murica" zwei Brecher vorab, die tatsächlich die Rückkehr zu einer lange verlorenen Form erahnen ließen. Danach? Tumbleweed und Wollmäuse. Bis 2023.
Von den beiden Tracks findet sich auf "The Algorithm" bedauerlicherweise keine Spur mehr. Sie gehen nun im Nirvana der abseits von Alben veröffentlichten Songs verloren. Ein herber Verlust. Stattdessen finden sich von der Zusammenarbeit mit Liesegang nun das brave "Summer Child" und "Command Z" in der Tracklist. Die deutlich schlechteren Songs.
Am Ende reiht sich die chaotische Entstehungsgeschichte perfekt in die Filter-Historie seit Patricks kurzzeitiger Nickelback-Werdung mit dem klebrigen "Anthems For The Damned" 2008. So ganz fand er nie wieder in die Spur. Jedes der darauf folgenden Alben hatte seine Ansätze, strauchelte aber auch über manch sülzige Eingängigkeit, die sich ab 2008 nie wieder komplett abstreifen ließ. Der große Wurf gelang nie wieder. Mit "The Algorithm" verhält es sich, wieder einmal, nicht anders.
Dabei beginnt es vielversprechend, wie ein düsterer Bruder von Stone Temple Pilots "Vasoline". Das intensive "The Drownning" (nicht zu verwechseln mit dem "The Trouble With Angels"-Bonus Track "Drowning") wechselt seine Stimmungen zwischen verträumten Alternative-Rock, einem aufmüpfigen Refrain und fast trashingen Explosionen. Patricks in den sieben Jahren seit "Crazy Eyes" angekratzte Stimme fügt sich gut in das leicht aufgefrischte Klangbild der Band. Ein denkbar starker Opener, der Lust auf "The Algorithm" entfacht.
Hätte Chris Cornell anstelle der Timbaland-Zusammenarbeit "Scream" ein Industrial-Album aufgenommen, das sperrige "Up Against The Wall" hätte es wohl drauf geschafft. Wabernde Gitarrensaiten, elektronische Querschläger und ein schleppendes Schlagzeug unterlegen den Weg zum hymnischen Refrain. Doch bereits in "For The Beaten" geht die bis dahin gelungene Mischung aus Lärm und Eingängigkeit zugunsten schleimiger Anbiederei verloren. Krachende Alibi-Einschläge vertuschen dies eher ungelenk.
Trotz der Schwächen, die den zu sehr standardisierten Songs wie "Face Down", "Say It Again" und dem Industrial-Derwisch "Be Careful What You Wish For" innewohnen, hält Patrick die Stücke immer noch interessant. Es gibt immer eine neue Klangfacette, einen neuen Fitzel Sound zu entdecken. Etwas, das sich über den Abschluss mit der seichten Ballade "Burn Out The Sun" und "Command Z" nicht sagen lässt, die, wie an das Album angeklebt, nicht zum Rest passen. Mit seinem "That's why I want to be / High as a mother fucker, yeah / High as fuck"-Refrain kippt die von sphärischen Soundscapes getragene Liesegang-Zusammenarbeit "Command Z" letztendlich sogar ins unfreiwillig Komische.
Vieles auf "The Algorithm" gelingt Richard Patrick, nur, um es im nächsten Moment wieder in den Sand zu setzen. Die dröhnende Dynamik die vielen Liedern innewohnt, können einige davon im Songwriting kaum halten. Auf unerwartete Akkordwechsel folgt ein stereotyper Refrain. Am Ende bleiben mit "The Drowning", "Obliteration" und "Up Against The Wall" genau drei wirklich gelungene Tracks. Ein solides Album, das sich wie eine verlorene Chance anfühlt und dessen Bauteile nie ganz zusammenfinden.
1 Kommentar
https://www.youtube.com/watch?v=mq15Ul2T_8c
das hatte mir noch sehr gut gefallen. ich bekomme zwar meds von der KK hätte aber trotzdem gerne eine shotgun