laut.de-Kritik

Der Ex-Marillion-Sänger findet zurück zu alter Stärke.

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Bis heute gehört "Vigil In A Wilderness Of Mirrors", das erste Solo-Album des ehemaligen Marillion-Sängers Fish, zu meinen geheimen Lieblingsplatten. Um so erschütterter zeigte ich mich ein Jahr später vom halbgaren "Internal Exile". Der Schock, den diese unausgegorene Tat hinterließ, hallte über Jahre nach. Es folgte eine qualitative Berg- und Talfahrt. Nachdem den schottischen Musiker zuletzt auch noch seine Stimme verließ, hofften nur noch heillose Optimisten auf ein Aufblitzen alter Qualität. Die Akte Fish schien geschlossen.

Doch sechs Jahre nach "13th Star" folgt mit "A Feast Of Consequences" der würdige Nachfolger, der "Vigil" in den frühen 1990ern versagt blieb. Nach einer Stimm-OP fehlt zwar noch etwas das Volumen der vergangenen Tage, doch Fish weiß dies durch geschicktes Songwriting auszugleichen. Folk, Bombast und Prog-Rock prallen in komplexen, tiefgründigen und endlich wieder zielgerichteten Tracks aufeinander.

Wie es sich für einen waschechten Schotten geziemt, beginnt "Perfume River" mit entrückten Dudelsäcken. Aus Joseph MacKenzies Klagelied "Sgt. MacKenzie" entliehen, deuten sie bereits die weiterführende Thematik an. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Grauen des Krieges. Sich atmosphärisch über zehn Minuten langsam aber gewaltig aufbauend erzählt der epische Opener mit diversen Tempowechseln von den Schauerlichkeiten des Vietnamkriegs.

Eines der wichtigsten Puzzleteile für Fishs neu erlangte Stärke stellt Robin Boults ausgezeichnetes Gitarrenspiel dar. Der Mitte der 1990er verloren gegangene Gitarrist ersetzt den verhinderten Frank Usher. Er prägt neben Derek William Dicks Stimme den Sound der Platte. Wie auch Bassist Steve Vantsis und Keyboarder Foss Paterson zeigt er sich zudem für Teile des Songwritings mitverantwortlich.

Die über fünf Songs aufgeteilte "The High Wood"-Suite stellt das Herzstück des Longplayers dar. Fish singt darin vom berauschten Aufbruch in den ersten Weltkrieg, dem folgenden Zusammenbruch, der verzweifelten Hilflosigkeit im Angesicht des Schreckens und dem lähmenden Horror nach den Schlachten. In dreißig bildgewaltigen Minuten zieht der Schotte in einem vielschichtig verschachtelten Schauerstück sämtliche Register seines Könnens und liefert eine seiner aufwühlendsten Inszenierungen.

Wie ein Mantra bricht im stampfenden "High Wood" das sich wiederholende "The wood will rise / The wood will fall / The circle is unbroken" durch die düstere Erinnerung an vergangene Qualen der Schlacht an der Somme. In "Crucifix Corner", das die Ruhe vorm Kampf im flüsterndem Folk ausdrückt, tauchen kurzzeitig marschierende Gitarren im Stil von Pink Floyds "The Wall" auf, bis der Track unter Einsatz einer gut abgehangenen Orgel in ausuferndem Schweinerock gipfelt. "And then the darkness stole the day / Our hopes were dashed the charge was broken."

Der euphorische Klang von Trompetenfanfaren leitet den Folk-Song "The Gathering" und dessen trügerische Hoffnung ein. "The Newspaper headlines were big and bold / Our country was going to war / To fight for the freedom of nationhood (...) We took the King's shilling with pride." Doch der wahre Terror wartet mit "Thistle Alley" bereits um die Ecke. Kein Schöngerede mehr, kein Silberstreif am Horizont. Es bleibt nur noch ein Alptraum aus Krieg, Metal, Blut, Elend und Gevatter Tod.

Fishs gallenbittere Zeilen unterlegt seine Band stählern, düster und breitschultrig wie Led Zeppelin zu "Kashmir"-Zeiten. Letztendlich findet auch der Krieg mit "The Leaving" sein Ende. Doch es gibt keine Gewinner, sondern nur Verlierer. "The men returned (...) Behind their eyes they stored the horrors / Behind theirs smiles they hid their fears (...) Lest we forget."

Neben dem "The High Wood"-Epos erstrahlt die simple Anmut von "Blind To The Beautiful" um so mehr. Derek William Dick kombiniert ein Statement zur globalen Erderwärmung mit den Erinnerungen an eine verlorene Liebe. "I just can't see the beautiful any more." Dabei liegt die Schönheit direkt vor ihm, in diesem Lied, in dem ihn nur eine akustische Gitarre, ein Piano und Aidan O'Rourkes Violine begleiten.

Im finalen "The Great Unravelling" erweitert Fish mit Synthesizern und elektronischen Drumloops "A Feast Of Consequences" um eine weitere Facette. Zu malerischen Gitarren tritt Elisabeth Troy Antwi als gleichberechtigte Sängerin an seine Seite. Zum Glück bleibt der muffige Jeansjacken-Rock "All Loved Up", eine gestelzte Abrechnung mit dem virtuellen Leben, eine einmalige Ausnahme.

In der Öffentlichkeit findet das altmodische und vollkommen aus der Zeit gefallene "A Feast Of Consequences" sicher nur wenig Beachtung. Das Album erscheint im Eigenvertrieb über Fishs Webseite. Wer aber den Zeitgeist vertreiben kann, belohnt sich mit einem intensiven, ruhigen und herausfordernden Longplayer. Selbst für die Verhältnisse des Schotten beeindruckt die außergewöhnliche lyrische Qualität. Genau hier, wo andere hilflos durch ausufernde Kompositionen stolpern, scheint bei ihm trotz allen Bombasts keine Melodie und kein Wort zu viel. Die Akte Fish wird wieder geöffnet.

Trackliste

  1. 1. Perfume River
  2. 2. All Loved Up
  3. 3. Blind To The Beautiful
  4. 4. A Feast Of Consequences
  5. 5. High Wood
  6. 6. Crucifix Corner
  7. 7. The Gathering
  8. 8. Thistle Alley
  9. 9. The Leaving
  10. 10. Other Side Of Me
  11. 11. The Great Unravelling

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