laut.de-Kritik
So viel Zeitlosigkeit kann sich hören lassen.
Review von Erich RenzRobin Pecknold beherrscht die Kunst der Tiefstapelei. Das neue Album seiner Fleet Foxes sei nach eigenen Worten "langweilig, nicht eingängig" geraten. Die Gedanken sind ihm diesmal schwerer gefallen, dafür besitzt er auf "Helplessness Blues" umso mehr die Courage, in sich hineinzuleuchten. Die Bürde wog schwer: Was die Fleet Foxes mit ihrem gleichnamigen Debüt vor drei Jahren ankurbelten, war das zarte Nebeneinander von Folk und Pop, eine zweisame Einigkeit.
In der Folge zweifelte er an sich, das Wunschkind der Beach Boys und aller Spätsechziger-Goldkehlchen am Songwriterhimmel. Am Starkult kann es nicht gelegen haben, denn wer so viel Bart trägt wie Pecknold und sich auf der Bühne so uncool benimmt, dessen Charme erliegt niemand so leicht. Eine frühe Krise also?
John Lennon sang im selben Alter "Help!" und fühlte da ein innerliches Brodeln, hervorgerufen von äußeren Geschehnissen. Robin Pecknold wollte mehr von der Welt, er bekam dann auch mehr Bühnen, mehr Interviews und mehr Jetlags. Mitte zwanzig ist er jetzt und kann von einer Hilflosigkeit Lieder singen, die sich andere am Lebensende noch nicht eingestehen möchten.
Nun darf bei der beliebten Liedermacher-Nahaufnahme die Band nicht vergessen werden. Die Fleet Foxes sind gewachsen und ein Sextett geworden, was freilich an ihren fein ziselierten Arrangements wie "The Plains/Bitter Dancer" zu spüren ist. Freiere Harmonien stellen den Folk, mit dem sie groß wurden, zwar nicht neu auf, trotzdem erlauben sie sich so manche Spielerei an der Struktur des großen Bruders.
Als einleuchtendes Beispiel für den Kurswechsel beweist sich "The Shrine/An Argument", ein Abenteuer-Vierteiler in acht Minuten. Pecknold erzählte, während der Aufnahmen zuhauf John Coltrane gehört zu haben – genau in dieser verschrobenen Free Jazz-Gebärde bewegt sich das Lied gegen Ende hin. Stoische Streicher rutschen durch die Lagen und schließen die mischblütige Grandezza ab.
Die Barden aus Seattle geben sich auf dem Zweitling alle Mühe, eine Echo-Variante ihrer amerikanischen Lehrmeister zu etablieren. So viel Hall, wie auf den Vorab-Erscheinungen "Helplessness Blues", "Battery Kinzie" und "Grown Ocean" erschallt, vernimmt man sonst nur in den Blue Ridge Mountains beim Versuch, gegen die massiven Felsgebilde anzusingen. Dieses wohllautende Dreigespann ist auf "Helplessness Blues" die stählerne Brust, die sich die Fleet Foxes mit ihrem Debüt antrainiert haben.
In "Blue Spotted Tail" stellt sich Pecknold als knapper Storyteller allein mit Finger-Picking und unverfälschtem Gesang vor, um den Westcoast-Pop-Brandmarkungen kurz zu entkommen. Existenzgrüblerisch fragt er: "Why in the night sky are the lights on? / Why is the earth moving round the sun? / Floating in the vacuum with no purpose, not a one / Why in the night sky are the lights on?" - und kehrt jegliches Stillleben nach außen.
Wenn der Tag kommen sollte, an dem es die Fleet Foxes nicht mehr gibt, wird das Lieblingsvokabular Pecknolds noch immer da sein: "Morning" und "Old". So viel Zeitlosigkeit kann sich hören lassen.
5 Kommentare
ich war ein wenig desinteressiert nach dem ersten hören, da der feine, meisterlich integrierte pop appeal des vorgängers nicht mehr zu hören war. aber das review ruft mir wieder in erinnerung, dass ich der platte noch 'ne chance geben wollte.
hätte eigentlich 5 sterne verdient. meisterwerk, mMn
Finds immer noch großartig und sogar langlebiger als das erste Album
Geht mir ganz genauso, Pfütze des Eisbergs.
Und dabei ist jetzt sogar noch ein Jahr ins Land gezogen.
Ein schönes Album mit einigen Highlights (Montezuma, Helplessness Blues, The Shrine / An Argument).