laut.de-Kritik

Dieser Rap ist Soulmusik!

Review von

Die Vermischung von Rap und R'n'B stürzte Hip Hop einst in die selbstdefinitorische Vorhölle. Der schleichende Paradigmenwechsel - die schleimige Verwässerung durch Fokussierung auf den Austausch von Körperflüssigkeiten - machte aus dem kriminellen Elternschreckinstrument endgültig massenkompatible Schmuseware.

Aus gecutteten Hooks wurden schwülstige "Uuuuhs" und "Aaaaahs", jeder neue Song ordnete sich der Rap-Refrain-Rap-Refrain-Bridge-Refrain-Formel unter. Jedem achso harten Rapper stand auf einmal eine butterweiche Muse zur Seite. Das neue "Best Of Both Worlds" ging mit einer umfassenden Kommerzialisierung einher. Eckpunkte des Niedergangs: LL Cool Js "I Need Love", Teddy Riley, Bad Boy Records und Ja Rule mit Jennifer Lopez.

Dieser Spielart fügt jetzt einer der besten Rapper des Genres, der stets sowohl als Qualitätslieferant als auch Hardcore-Garant respektiert war, ein neues Kapitel hinzu. Ghostface Killah widmet dem hassgeliebten Genre-Mash Up seinen neuen Longplayer.

56 Minuten zwischen Schwulst und Straße, zwischen rosiger Romantik und roher Direktheit. Dabei funktioniert die Verortung des neuen Ghostface-Werks in der Rap'n'B-Historie nur auf den ersten Blick. Denn tatsächlich sind hier Säusel-Hooks und Rap-Parts mehr als nur akustische Zweckehe. Dieser Rap ist Soulmusik!

Das nämlich, was all die harten Rapper mit ihren lieblichen Sängern in ihrer Lieb Ficken-Romantik unter den Tisch fallen ließen, bringt Ghostface auf den Punkt: Hip Hop steht auf den Säulen des Soul-Genres und atmete bis zu jener Verwässerung den Geist Berry Gordys, James Browns und Aretha Franklins. Die Seele hat sich R'n'B in besagter Zeit schlichtweg klebrig süß aus dem Leib gekotzt. Ghostfaces Soul-Album tritt nun also einen Schritt zurück, um daraufhin zwei nach vorne zu machen.

Sein Rap/Soul-Entwurf vereint den kompromisslosen Storyteller mit dem einen oder anderen Sternchen der R'n'B-Welt. John Legend, Raheem DeVaughn, Jack Knight und Ne-Yo croonen im Refrain, die Beats bauen auf Motown statt auf Synthie-Bombast und der Protagonist preist ohne Blatt vor dem Mund die Höhen und Tiefen des Liebesspiels. Rap plus Gesang mit Seele heißt bei Wu-Tangs Tony Starks Schlafzimmer-Soundtrack der etwas härteren Gangart.

In simpler Machart ziehen Diddys Hitmen Sean C & LV, die J.U.S.T.I.C.E. League und eine Reihe unbekannter Beatbastler alle Register zwischen soften E-Gitarren, klimpernden Pianos, wehenden Streichern und Stax-Bläsern. Ghost erzählt darauf vom Leben als harter Hund, der mit den Frauen mal Probleme, aber meistens schmutzigen Spaß hat.

Wie dreckig Ghostface dem Flüssigkeitsaustausch frönt, zeigt "Stapleton Sex" in reinster Form. "You can put my ____ in your mouth, babe, play with my ____. But before I ____, babe, I think I'll ___ in your ____." Auf smoother Bassline von Sean C & LV wird der Zensor zum Fließbandarbeiter, wenn Ghostface Einblicke durchs Schlüsselloch gewährt. Rap-Voyeurismus XXX.

Das, was seine Kollegen lediglich lieblos in ein einem Track auf ihren Alben abhandeln, um auch was "for the ladies" zu haben, ist bei "Ghostdini" Programm, hat dank Ghostface' unvergleichlicher Delivery und todsicherem Sprachwerkzeug dabei auch durchweg Hand und Fuß.

Der Wizard of Poetry ist er dabei zwar genauso wenig, wie Schmuddelromane Literaturnobelpreismaterial. Aber wenn Hip Hop schafft, übersexualisierte Hyper-Maskulinität in so betörende Form zu packen, dann darf sich der Schuldige sogar die Dichternadel ans Revers heften.

Trackliste

  1. 1. Not Your Average Girl feat. Shareefa
  2. 2. Do Over feat. Raheem DeVaughn
  3. 3. Baby feat. Raheem DeVaughn
  4. 4. Lonely feat. Jack Knight
  5. 5. Stapleton Sex
  6. 6. Stay
  7. 7. Paragraphs Of Love feat. Vaughn Anthony & Estelle
  8. 8. Guest House feat. Fabolous
  9. 9. Let's Stop Playin' feat. John Legend
  10. 10. Forever
  11. 11. I'll Be That feat. Adrienne Bailon
  12. 12. Goner feat. Lloyd
  13. 13. She's A Killah feat. Ron Browz
  14. 14. Back Like That Remix feat. Kanye West & Ne-Yo

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