laut.de-Kritik
From Borderline to Bondage mit Elektropunk und Kreissäge.
Review von Ulf Kubanke"Fickt euch!" Seit einem Jahr polarisieren die Grausamen Töchter live und per Langrille. Die neue Platte "Alles Für Dich" dürfte die Lage sicherlich nicht entspannen.
Terror, Sadismus und Blut zwischen knochentrockenem Schlachthaus-EBM, auf Körpern ausgedrückte, glühende Fluppen und blutig tropfende Striemen. Showeffekt oder echt? Ist das überhaupt wichtig? Die neue Scheibe geht textlich wie musikalisch noch einmal den finalen Schritt gen Abgründigkeit, der sich auf dem Debüt "Mein Eigentliches Element" bereits 2011 andeutete.
Künstlerisch so radikal wie andere gerne wären, fährt Frontfrau Areana Peel alles an die Wand, das bei drei nicht auf die Bäume flieht. Doch wer jetzt an Pornokram oder Szeneschmand denkt, befindet sich auf dem Holzweg. Das voyeuristische Prinzip der Band steht dabei für Deformation durch die ebenso wie für die Befreiung von der kühlen Gesellschaft des typisch modernen isolierten Mitteleuropäers. From Borderline to Bondage mit einem dreckigen Dutzend Songs.
Gängige Kommerzschemata der Szene kommen nicht vor. So wirkt der ständig bis zum Bersten angespannte Sound samt Elektropunk, Futurepop und Kreissäge bei aller Härte nie aufgesetzt oder simplifiziert. Der gelegentliche Einsatz der pointierten Gitarre bringt den rechten Schlag gen Rock. So anders, so eigen. Perfektes Alleinstellungsmerkmal. Als handwerklich wie künstlerische Lisbet Salander einer musikalischen Apokalypse kann man mit Schwester Aranea wenigstens schöner sterben. Das hält mehr als andere Versprechen.
Gefühlskälte wechselt in der Musik mit einem auf den ersten Blick schräg anmutenden - nahezu familiären - SM-Ansatz in "Therapie Für Dich". "Geh nie in Therapie. Denn deine Krankheit geht nur uns was an. Vergiss die Psychiatrie. Weil der Familie niemand jemals helfen kann." Nicht wesentlich absurder, als sich zu Fremden auf deren Couch zu setzen. Dafür mittlerweile schon ein Undergroundhit in den dunklen Tempeln und bei Gigs. "Denn sie wollen doch in dich eindringen."
Als diabolische Madonna der Hinterhöfe inszeniert Miss Peel jeden verkörperten Frauentypus so konsequent zerstört und angepisst wie De Niro als "Taxi Driver". Ob stampfende Punkgöre ("Ich Darf Das") oder mitleidlose schwarze Witwe ("Rosen Für Dich", "Wie Eine Spinne"): Alles geht der professionellen Theaterschauspielerin so locker von der Hand, dass es eine Freude ist. Komplette Verwandlung von Lied zu Lied. Zwischen Auskotzen und Abtanzen bringt sie sich lässig selbst ein.
Alle Grenzen zwischen Sängerin und Kunstfigur gehen scheinbar vor die Hunde. "Sollte ich dich töten? Sollte ich dich küssen? Was auch geschehen wird: Du wirst es nicht verstehen müssen." Schauspielerisch so gut, dass es fast egal ist, was sie inhaltlich macht. Die Verwandlung macht schon allein einen großen Reiz der CD aus. Damit steht Aranea als künstlerisch grausam gute Tochter direkt in der Tradition von Schockgenre-Urvater Tommi Stumpff. Seltene Qualität. Zur Krönung das so gar nicht erlösende "Blut Geleckt Reprise". "Verreck doch" in Moll! Sehr kalt, sehr effektiv.
Für mich im endenden Jahr die mutigste, konsequenteste und unbequemste Leistung einer deutschsprachigen Band. Roh, unangepasst und unter dem Trash viel Wedekind-Ebene. Weiterhören mit Loutallicas "Pumping Blood" und Tommi Stumpffs "Contergan Punk". "Die Entarteten greifen an! Euch alle!", postulierte letzterer damals. Es ist soweit.
105 Kommentare mit 29 Antworten
mhm:
http://files.homepagemodules.de/b538217/re…
und
http://www.pixel-illusion.de/tl_files/Pixe…
Erinnert von der Optik eher an die Sinderellas auf Sadomaso-Trip.
Und
http://a1.ec-images.myspacecdn.com/images0…
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Erinnert von der Optik eher an die Sinderellas auf Sadomaso-Trip.
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Fand die immer viel zu "Gewollt Böse".
Provokation der Provokation wegen. Dann doch ziemlich öde.
Himmel... was ist das denn hier für ein Kindergarten???
Man kann von dem Album und von der Band selbst halten was man will, aber die meisten werden viel zu sehr in Stereotypen denken. Die Texte sind für jedermann verständlich und unkompliziert, vielleicht ist es das, was die meisten stört. Die Texte sagen die Wahrheit und drücken ein anderes Gefühl aus als das, was die meisten anderen empfinden. Wahrheit mögen bekannterweise ja auch einige nicht...
Was die Musik betrifft, ist sie sehr einzigartig und setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen und passt zu dem ganzen Rest, ebenso zu der Show und den Videos, die nun einmal auch provozieren soll. Es wird gezeigt, was Gedanken spielen lässt und es wird nichts versteckt. Ich persönlich mag Offenheit und den Ausruf, genauso zu sein... was ist daran verwerflich?
Ich persönlich finde das neue Album besser als das erste und vieles ist nun einmal auch einfach geschmackssache. Wenn man sich mit etwas nicht identifizieren kann, überhaupt alles scheiße findet, dann verstehe ich nicht, warum man sich nicht einfach davon entfernt. Hassreden werden die Band garantiert nicht stürzen, da die Fangemeinde und Motivation der Band einfach zu stark ist. Idioten gibt es immer.
Was das Aussehen betrifft... würde ein Tütükleidchen, rosa Schminke und Schmetterlinge in der Luft etwa besser zur Performance passen und zum ganzen Rest? Sollen jetzt die Videos etwa auf einer Blümchenwiese mit Engelchen gedreht werden, weil das schöner aussieht? Oder gefällt den meisten der Gedanke, hart zu einer Frau zu sein einfach besser und das Matriachat wird schlicht abgelehnt?
Es wird an dieser Stelle oft einfach zu oberflächlich gedacht. Und meisten sind es genau diejenigen, die nichts im Leben haben und sich genau das ersehnlichst wünschen. Das ist schlicht meine Meinung.
Zum Thema ernst nehmen fällt mir ein: Es kommt immer darauf an, wie man etwas betrachtet. Man kann einfach nur den Anblick der Performance, der Bilder, der Videos oder die Musik genießen und denkt einfach schlicht nichts (was für die meisten wahrscheinlich auch besser wäre bzw. sowieso meistens tun) oder aber man stellt sich ernsthaft die Frage: Warum und wozu das ganze? Als wenn man sich so gerne von etwas einschüchtern lässt und ernsthaft über alles im Leben (selbst wenn es um Musik und Kunst geht) herumphilosophiert. Ernstnehmen? Aber sicher... weil das sowieso ständig gemacht wird. Man kann auch einfach nur Show Show sein lassen. Wer mehr wissen möchte fragt einfach und wer nicht, hält einfach die Klappe und lässt es. Aber dann Rummeckern, obwohl man keine Ahnung hat? Peinlich...
Mit keinem Wort auf das Major-Thema Tittchen einzugehen ist aber auch ne Leistung, ey!
Die haben übrigens nicht vor 11 Jahren aufgehört.
Und liest man sich mal die Kommentare hier durch (lautuser at its best) würde ich mir eine erneute Shirin David Feminismus Debatte wünschen.
Puh, wieder ein Grund mehr den alten Sack zu verachten