laut.de-Kritik

Die Schweden lesen wieder die Hardrock-Messe.

Review von

Bekanntmachung: Eigentlich bin ich jemand, der diesem 70er-Retro-Trend die Pest an den Hals wünscht. Alles klingt gleich, alles gab es vor fünfundvierzig Jahren schon mal, und ein Ende ist nicht abzusehen. Aber Graveyard ziehen mich mit ihren Alben doch immer wieder rein, diese fiesen Frettchen. Weil sie ihre Sache extrem gut machen - und ich die Musik dieser Epoche leider auch sehr gerne mag.

Fans der schwedischen Rocker hatten es in den letzten Jahren nicht leicht. 2016 beschloss die Band ihr Ende und blies zum letzten Gitarrensolo. Lange, lange musste die Welt auf die Wiedervereinigung der Göteborger warten. Ganze vier Monate, das muss man sich mal vorstellen.

Wie dem auch sei, Graveyard haben wieder Bock und kommen mit ihrem fünften Album und einem neuen Schlagzeuger im Gepäck herbei geeilt, um euch die Hardrock-Messe zu lesen, ein wenig Psychedelic zu inhalieren und im Abgang bluesig zu rülpsen. "It Ain't Over Yet" dudelt energisch kloppend los, der Titel dient natürlich auch als Statement. Melodisch reißt der Song wenig, aber die Energieleistung stimmt. Sänger Joakim Nilsson ergeht sich wieder in schönsten Robert-Plant-Phrasierungen, da macht ihm so schnell niemand was vor. Auf diesem Album darf er sich zweimal ausruhen, denn Bassist Truls Mörck übernimmt bei "See The Day" und "Bird Of Paradise" das Mikrofon.

Erstgenannter Song fällt angenehm auf. Der Tag bricht an, das verkaterte Auge schweift umher und blickt auf leere Flaschen und schlafende Menschen. Ein Schlagzeug fehlt bei dieser schön zurückhaltenden musikalischen Meditation völlig, die Schweden beschränken sich auf eine prägnante Gitarrenmelodie und Mörcks Stimme. Ein ganz eigenwilliges Stück kommt als Resultat dabei heraus.

Neues findet sich auf "Peace" nicht, aber damit hat auch keiner gerechnet. Die Musiker beackern weiter das Feld, das sie auf den vier Vorgängern bestellt haben. Sie schließen nahtlos an "Innocence & Decadence" an, gehen aber gefühlt wieder etwas rumpeliger zu Werke. Die Gospel-Sängerinnen bleiben dieses Jahr zu Hause.

Das richtig gute Zeug heben sich Graveyard für die zweite Hälfte auf. "Walk On" betört mit zwingender Rhythmik und psychedelischer Stimmung nach hinten raus. Die bluesige Ballade "Del Manic" zieht einiges vom Leder und setzt sich mit einer schicken Bridge im Kopf fest. "Don't you need a little more to feel it?" Möglicherweise. Reicht sicherheitshalber noch mal das Teufelskraut rüber, Jungs.

Produzent Chips "Salzstange" Kiesbye setzt das Retro-Fest angenmessen organisch in Szene und betont ausdrücklich: "Wir nahmen das Album so auf, wie es bei allen alten Klassikern gemacht wurde, ohne Click Tracks, getriggerte Drums, Autotune oder Studio-Tricks." Traurig, dass man so etwas schon gesondert erwähnen muss, aber die Welt ist ein böser Ort und nicht überall liegen dicke Flokati-Teppiche herum.

Lieber schnell in den tiefergelegten Sportwagen steigen und das Verdeck hochklappen. Beim Abschlusssong "Low (I Wouldn't Mind)" drücken Graveyard nach einer musikalischen Tempo-Finte das Gaspedal noch mal entspannt bis aufs Bodenblech durch, brettern den Highway Richtung Sonne runter und kraulen sich gegenseitig das Brusthaar. Rückkehr gelungen, Peace!

Trackliste

  1. 1. It Ain't Over Yet
  2. 2. Cold Love
  3. 3. See The Day
  4. 4. Please Don't
  5. 5. The Fox
  6. 6. Walk On
  7. 7. Del Manic
  8. 8. Bird Of Paradise
  9. 9. A Sign Of Peace
  10. 10. Low (I Wouldn't Mind)

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