laut.de-Kritik
Breiter Nebel, alte Schule und ein Schönheitsfehler.
Review von Robin SchmidtEs liegt wieder Haze in der Luft. Rund ein Jahr nach seinem Debüt "Guten Abend, Hip Hop..." taucht der Karlsruher Rapper im Zwielicht wieder auf und gibt uns vom ersten Takt an einen Einblick in seine rohe Welt: "Steig ein, ich lad dich ein auf nen Dannemann voll Weed / Es sei denn du bist nicht bereit paar Scheine zu verdienen / Also bring dir etwas anzuziehen, Chucks ohne Profil / Aber am besten etwas Schwarzes Brate, was man nachts net sieht".
Das Konzept der "Zwielicht LP" ist nach dem ersten Hören schnell ausgemacht: Haze berichtet auf 17 Anspielstationen aus dem Block. ("Hier schreibt das Leben die Geschichten auf"). Fast immer beschreibt er sein Milieu düster, zeigt es völlig unverblümt und bleibt dabei vor allem eines: glaubhaft. Haze drückt die folgenden Zeilen mit solch einer Überzeugung ins Mikro, dass man ahnt: Dieser Junge mischt selbst noch mitten im Geschehen mit oder beobachtet es zumindest aus nächster Nähe: "Man macht sich selbst die Hände dreckig, wenn man Kohle braucht / Denn wer Freund und Feind ist, das erkenn' ich nicht mehr so genau / Kleine Bengel machen Drogenraub / Nehmen deine Wohnung aus / Ebenfalls im Drogenrausch / So sieht's aus".
Ein vernebeltes Bild ziert nicht nur das Cover der LP, sondern verweist auch auf den grauen Alltag des Kroaten. "Ich bin Haze heißt, Nebel macht sich breit" und so steht er mit "Becher & Blunt" "Unten An Der Ecke" und beklagt einen "Kopffick" nach dem anderen. Das ist dann zugleich auch der einzige Schönheitsfehler der Platte: Die inhaltliche Abwechslung fehlt.
Haze hüllt seinen Straßenreport zwar meist in ein neues Gewand, dafür verantwortlich ist aber in erster Linie sein Technik-Dreiklang. Der besteht zum einen aus atmosphärischer Stimme, die einen ständig in Aufruhr versetzt. Zum anderen aus einem eigens kreierten Sprach-Slang ("Weisch Weisch"), bei dem der Balkan auf das Badische trifft. Zu guter Letzt besticht Haze in puncto Flow mit Schnelligkeit und Präzision.
Detailliert hat er auch die musikalische Untermalung geplant. Haze steht für den Boom Bap-Sound der 90er und 2000er. Auf Albumlänge lodern harte Drums, dumpfe Basslines und aggressive Samples. Als i-Tüpfelchen noch ein paar Vocal-Scratches und fertig ist die alte Schule, wie Sido in "Stara Škola" treffend bemerkt: "Erste Mille damals schon, als sie noch nicht geborn warn / Ich bin alte Schule, aber komm mir nicht mit Torch an / Kleiner lass mal sein, sag was soll denn dieses Autotune / Guck mal da mein AMG, das nennt man Auto tunen".
Haze ist "für die Rapmusik geboren" und zerfetzt "Ohne Chorus nur mit Strophen Mikrofone". Noch eine Prise Ideenreichtum mehr fürs nächste Album und schon keimt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in der Hood.
4 Kommentare mit 8 Antworten
5/5 ohne Frage
Gehe mit der Rezi konform, ein bisschen mehr Abwechslung hätte dem Album in der Tat gut getan. Schade, den ein oder anderen Storyteller hätte man bestimmt platzieren können, ohne die dichte skreet-Atmosphäre zu brechen. Stimme und Stil dafür hat er auf jeden Fall. Weil außerdem die Beats durch die Bank schön scheppern, unterhält einen aber auch die hohe Zahl an Representern ganz ordentlich. Für mich persönlich ein kleiner Wermutstropfen ist, dass auf der Album-Version über das Gitarren-Sample von "Es geht los", in das ich mich im Vorfeld schon schwer verliebt hatte, drüber gelabert wird. Unterm Strich für mich irgendwo zwischen 3 und 4 von 5.
Dito, sieht bei mir aehnlich aus. Einzig: ich wuerde ihn gerne auf modernen beats hoeren. Kann diese Boombapscheisse nicht mehr ertragen.
Na, dann wär stara skola aber kurac und das ist doch quasi sein Trademark überhaupt Und abgesehen davon, dass ich diese Boombapscheisse nach wie vor ganz gerne höre, fällt mir auch gerade nicht viel an modernem Sound ein, der zu der Atmo hier passen könnte. Funkvater Frank vielleicht, aber halt auch wegen der 90er-Elemente aus seiner Hybridmukke. An was hättest du denn gedacht?
Raptechnisch an manchen Stellen blass gleicht er das durch viel Elan und gutes Gespür für die teils brachialen Kopfnicker wieder aus. Schöne Reimpassagen, zwar einfach gehalten und textlich monoton, doch gutvim Gesamtkonzept präsentiert
Die großen Überraschungen bleiben aber aus..hab mich beim Hören an Kalim erinnert und danach Thronfolger mit dem weitaus variableren Soundbild ausgepackt
alter, jetzt erst gefunden. hammer. wusste bisher gar nicht, dass ich boom bap vermisst hatte. läuft seit 2 tagen rauf und runter bei mir. "ohne chorus", "becher & blunt", "9er" (und teils auch "weisch weisch") einfach hammer.
höre ich auch immer noch gelegentlich. eines der besten alben der letzten jahre. hol dir dann auch noch "guten abend, hiphop"...ebenfalls dope!
Seit der Empfehlung vom Weltraumaffen und Bruder Sodi auch durchgängig im Player und Dank Luemmleot Reminder in den letzten Wochen häufig auf Rotation. Tut richtig Gut im Angesicht des ganzen Deutschrap-Schunds a la Schamhaarrapper.
Von Deutschrap-Schund schwafeln, aber Fler abfeiern...
Bitte Wack-Provo SOFORT einstellen, Morph! Es ist nichtmehr lustig, ich denke einen Entschuldigung an den Kahn ist angebracht!
Einmal Karlsruh‘ imma Karlsruh‘
Ergänzend sei erwähnt, dass dieser Jugo-Stil für mich eine überaus angenehme Abwechslung zum jahrelang omnipräsenten und größtenteils immergleichen Kanaken-Style ist, erfrischend anders und sehr geerdet. Sei es die Geschichten die ohne jegliche Prahlerei auskommen (Jungs mit Lungen voller Ott im rostigen Civic), der Akzent, oder auch das Vokabular. Und die Figur vom Jugo-Assi mit Kampfhund (der Weed sucht) ist sehr sympathisch.