23. März 2010
"Wir werden uns nie bei Arschgeigen anbiedern!"
Interview geführt von Ulf KubankeEin Vierteljahrhundert Power Metal mit Helloween! Solch ein Zeitraum ist kein Pappenstiel. Viele Höhen und weltweiter Erfolg wechselten sich mit den - zum Glück raren - tragischen Momenten in der Karriere der hanseatischen Band. Jetzt gehen auf Tour und präsentieren den Metalheads mit "Unarmed" ein Best Of-Potpourri voll neu eingespielter Helloween-Klassiker. Gründungsmitglied und Bassist Markus Grosskopf steht gern Rede und Antwort, mit der sprichwörtlichen Hamburger Gelassenheit berichtet er von alten Zeiten und neuen Herausforderungen für die Kürbisköpfe.Moin Markus und herzlichen Glückwunsch zu 25 Jahren Helloween!
Dankeschön, sind schon ein paar Jahre, was?
Kann man wohl sagen. Ihr kommt ja auch eigentlich aus einer Zeit, den Achzigern, in der Metal noch so etwas wie das Schmuddelkind unter den Genres war. Hast du auch das Gefühl, dass sich das beträchtlich geändert hat?
Och, das war ja oft gerade das Schöne daran. Das Zerstören nicht vorhandener Erwartungshaltungen.
Vermisst man nicht auch das Gefühl ein bisschen, dass man heute nicht mehr so leicht provozieren kann?
Früher war diese Rock'n'Roll-Revolution noch ein bisschen größer, heute kannst du ja mit nichts mehr schocken. Aber es ist natürlich auch so: Wenn man das 25 Jahre so durchzieht, dann hält man das auch nicht durch.
Eine Zeitlang ging das gut, alle späteren Bands hatten es in dieser Hinsicht automatisch schwerer.
Wie kam es damals überhaupt zu dem Bandnamen Helloween?
Ach das war eigentlich ganz unspektakulär, wir brauchten einfach einen Namen. Und da hat sich Ingo halt Helloween ausgedacht. Das war gar nicht so spannend. Es passierte einfach.
Das hat also keinen speziellen Hintergrund? Keine Symbolik?
Das war eigentlich alles, wir brauchten schnell einen zünftigen Namen für ein Produkt. (Lacht) Und wenn dann einer in der Band eine gute Idee hat, nimmt man das doch gern an.
Nun seit ihr ja neben den Scorpions, Rammstein und einigen wenigen anderen Bands ein weltweit bekanntes Aushängeschild für harte Musik made in Germany. Ihr findet in den Medien jedoch nicht in gleichem Maße statt, obwohl ihr letzten Endes genau so viele Scheiben verkauft habt weltweit. Nervt diese Vernachlässigung von der Medienseite?
(Energisch) Ich lass mich da gar nicht nerven. Letztens habe ich von einem Hamburger Sender zu hören gekriegt, Helloween wären irgendwie nicht relevant für den Sender. Trotz der Tatsache, dass wir als Hamburger Band seit 25 Jahren dabei sind. Auch, dass wir eine weitere Platte gemacht haben, die sie vielleicht mal spielen könnten, sei nicht relevant, weil wir in den ganzen Jahren zuvor auch nicht relevant waren. Wenn ich so eine Scheiße schon höre, dann denke ich mir, ist ja kein Wunder, wenn du immer die selbe Grütze spielst. Wenn es vor 25 Jahren relevant war, ist es das heute auch noch? Warum? Mir geht das dann aber am Arsch vorbei.
Ich habe auch keinen Bock, mich bei solchen Arschgeigen so anzubiedern. Es gibt schließlich noch genug Sender, die uns spielen. Rockantenne, und was es noch so gibt. Die geben sich noch Mühe. Die boxen so ihr Ständchen raus, wo sie das noch machen können, und das ist dann ok, da gehe ich dann auch gerne hin, aber ich bieder mich nicht an bei irgendwelchen Idioten, die mir solche Texte an den Kopf schmeißen. Da habe ich keinen Bock drauf, aber wir können gottseidank auch ganz gut ohne deren Unterstützung leben. Wir sind nicht darauf angewiesen.
Ihr könnt ja von euch behaupten, dass ihr schon Mitte der Achziger mit "Walls Of Jericho" und später mit dem ersten "Keeper Of The Seven Keys" Metalgeschichte geschrieben habt und eigendlich den Powermetal miterfunden oder zumindest hoffähig gemacht habt. Doch wenn ihr euch heute erfolgreiche junge Bands anschaut, wie zum Beispiel Edguy, denen du ja auch schon hilfreich den Bass gereicht hast - sind das für euch wirklich ernst zu nehmende Kollegen oder nur Epigonen?
Naja, mit der Weiterentwicklung ist das immer so eine Sache: Schau mal in den Neunzigern, wer sich da nicht zu dem Geschmack der Leute hin entwickelt hat, der wurde doch sowieso leicht belächelt. Man durfte ja keinen Metal mehr spielen, wie er ja mal gewesen ist. Es geht ja auch sicher immer um Weiterentwicklung, du bleibst ja sicher nicht stehen. Mit "Soundspeed", "Time" und "Dr Stein" haben wir trotzdem Titel, die viel härter sind, das ist ja schon ein relativ großes Feld für eine Metalband.
Nee, klar, ich meine ja auch gar nicht euch. Ich frage, wie ihr die junge Generation seht.
Gut, klar. Andere Bands haben sich natürlich auch entwickelt, auf die eine oder andere Weise. Bloß ganz weg von den Wurzeln darfst du nicht kommen, du wirst ja auch so schon als Verräter bezeichnet. Du machst das ja auch irgendwie aus dem Bauch. Und die machen es wahrscheinlich auch so, wie sie es denken und fühlen und am besten rüberbringen können. Ich denke, niemand will sich zu weit von den eigenen Wurzeln entfernen.
"Sie singt romantisch und Andy knattert"
Und die neue Scheibe? Mit 25 Jahren und 13 Alben auf dem Buckel: Warum ist die denn nur so kurz? Nur elf Songs drauf; bisschen dürftig!Ja gut, dafür hast du einen, der 18 Minuten lang ist.
Das stimmt, aber da muss ich dir sagen: Mit diesem merkwürdigen 'Klassik'-Track habe ich echte Probleme.
Du darfst es ja nicht an der Menge der Songs messen.
Nein, Markus, ich habe mich nur gewundert, weil Sachen von der "Walls of Jericho" so gut wie gar nicht vertreten sind. Die innovativste Phase bleibt außen vor?
Naja, dann hätten wir jetzt noch sechs oder sieben weitere Songs aufnehmen müssen. Es war natürlich auch begrenzt, da wir auch zum Alltag fortschreiten und zu der neuen Platte kommen wollten. Und das wird eher eine traditionelle Helloween-Scheibe. Wenn wir jetzt doppelt so viele Tracks eingespielt hätten, dann wäre das natürlich doppelt so lange geworden. Das ist ja nicht mal so eben nebenbei gemacht innerhalb von zwei Wochen. Das hat uns natürlich auch beansprucht. Und wenn wir jetzt doppelt so viel gemacht hätten, dann wären wir überhaupt nicht zum Songwriting gekommen. Da muss man einfach Kompromisse machen.
Harriet Olson als Duettpartnerin auf der Best Of war ja eine super Wahl ... Wie seid ihr denn auf die Hellsongs-Bande gekommen?
So, wie ich das mitgekriegt habe, hatten die sowieso vor, mal was von uns zu covern. Dann haben wir ihnen angeboten, dass wir das gleich zusammen machen können. Da macht man eben ein Duett, und jeder kann das dann auf seiner eigenen Scheibe nutzen. Ich finde die Version auch tierisch interessant, echt cool.
Ich habe nur den Wunsch, häufiger ihre Stimme zu hören. Ein ein richtiges Duett ist es ja leider nicht geworden, eher 2/3 der Mann, 1/3 die Frau im Hintergrund. Sie geht ein bisschen unter, obwohl sie doch das Salz in der Suppe ist.
Ja sie singt halt ein bisschen anders als der Andy, er geht mehr nach vorne.
War schwer zu mischen, ich habe es ja selber nicht gemacht. Aber wenn du zwei Stimmen hast ... sie singt ja eher so ein bisschen zurückgehalten, gemütlich und romantisch. Und Andy knattert gut 'ne ganze Ecke ran.
Wobei ich auf anderer Seite schon finde, dass der Andy im Vergleich zu sonst schon mit angezogener Handbremse singt.
Muss er ja auch. Er kann ja nicht so seine Megastimme einsetzen. Das klingt ja irgendwie doof, wenn er so singt wie "Eagle" sonst. Man muss sich dem ja auch anpassen mit allem was dazugehört, das war ja auch die Aufgabe. Dass es so klingt, dass es ganz anders ist.
Ich verstehe schon, was du meinst. Ich wollte damit auch nicht sagen, dass man ruhige Songs genau wie Speedmetal spielen und singen sollte. Ich habe einfach den Eindruck, dass Andy gerade bei den Midtempo-Songs nicht so richtig weiß, ob er das ruhig angehen oder ob er lospowern soll. Sehr unsicher.
Ja gut, wir mussten das alles so anlegen, wie es dann auch von der Stimme her kommt. Wir haben mit Tonlagen rumgespielt, die er auch gut singen kann. Wir haben die Tonlagen so modelliert, dass er sie noch singen kann und nicht schreien muss. Das hört man dann natürlich auch, so als ob er da noch ein paar Reserven hat. Die er ja eigentlich nicht braucht, da die Songs ja locker klingen sollen. So haben wir das eigentlich angesetzt.
Ach? Es ist also pure Absicht von euch gewesen?
Ja klar, wenn du so Songs machst und dabei bis an die Grenze kommst, dann klingt es natürlich so, als ob du brüllst. Von daher sind wir das hier ein bisschen lockerer angegangen, damit es nicht so klingt, als ob es aus dem letzten Loch kommt. Damit es ein bisschen unbeschwerter rüberkommt. Das soll doch auch nicht verkrampft klingen.
"Dann muss man eben noch lauter spielen!"
Werdet ihr das auch live auf einer Tour präsentieren mit allem Brimborium?Haben wir schon, wir haben jetzt vier oder fünf Gigs gemacht, in Mediamärkten und Saturns, wir haben sogar bei IKEA gespielt, das war noch so eine Idee.
Nee, ich meine: richtig aufwändig mit großem Orchester. Auf großen Bühnen.
Nein, das werden wir nicht machen. Wir haben jetzt diese fünf, sechs Gigs unplugged gemacht. Alles in diesen Kaufhäusern.
Nervt das eine Metalband von Weltgeltung nicht? Mediamärkte am Stück zu beackern, klingt für mich eher gruselig.
Och lass mal, das war witzig, weil es auch mal was anderes war. Die Leute standen mit dem Stift direkt an der Bühne, haben dann gleich hinterher direkt an Ort und Stelle Autogramme gekriegt. Das glaubst du jetzt vielleicht nicht, aber es war eigentlich eine recht intime Sache. Kuschelig.
Das ist doch nicht dein Ernst. Trotz dieser Elektromarkt–Atmosphäre?
Doch, doch, lass mal. Es war echt lustig für alle. Die Leute kamen, dann haben wir eine Stunde Autogramme gegeben, so'n büschen rumgesabbelt, mal ein Bier getrunken hier und da, war echt zum Anfassen. Für uns viel frischer als die immer so riesigen Hallen.
Angenommen, du könntest dir jetzt zum 25. Bandjubiläum einen Gig wünschen, bei dem du mit einem Special Guests, egal ob lebendig oder tot, auftreten würdest. Wer wäre das?
Da fällt mir die Wahl nicht schwer. Ganz klar: Ich würde gerne mit Pete Townsend an der Gitarre spielen,
OK, da musst du dich in der Tat beeilen. Townsend sagt zur Zeit, er werde taub und er möchte gar nicht mehr live ran.
Dann muss man sich eben mal ganz schnell beeilen oder (lacht und hebt die Stimme) einfach noch lauter spielen!
Ich danke dir für dieses Gespräch.
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