laut.de-Kritik
Dunkles, sperriges Album mit ausgefeilten Lyrics.
Review von Thomas HaasBenny und Kraatz, die beiden Köpfe hinter Herr von Grau, setzen zum "Freiflug" an. Doch keineswegs segeln die beiden dabei einfach mit dem Wind, sondern steuern stattdessen geradewegs dagegen und liefern ein dunkles, zum Teil sperriges Album ab, das so gar nicht in den Sommer passen mag.
Herr Von Grau eröffnen auf ihrem vierten Longplayer ein breit gefächertes Spektrum an Themen. Der Opener "Dankbar" schwelgt in der Vergangenheit und stellt fest, dass die Musik der beständige "Anker" ist, der Halt gewährt. Passend dazu wirft "Brot, Obst und Klopapier" einen nostalgischen Blick zurück und zeigt den Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart auf.
Danach wandelt das Album zwischen mehr oder weniger gelungenen Konzept-Songs. So zeigt "Gedichte und Genozide" beispielweise fantastisch, wie man in einem Objekt sowohl das Positive wie auch das Negative sehen kann. "Scheißen befreit dich, doch dabei stinkt es auch ganz gewaltig/ Manchmal zeigt dir ein schöner Baum, wie krank der ganze Wald ist".
Gegensätzlich dazu steht der weniger gelungene Track "Robocock", der Filmtitel auf meist pornographische Art und Weise parodiert. Da nur die wenigsten davon originell wirken, gerät der Song zum Lückenfüller.
Auch vor Kiffer-Fressflashs mit anschließenden Monster-Fantasien macht Rapper Benny keinen Halt. Mit "Schnee" liefert er im Gegenzug einen ernsten, authentischen Bericht aus dem Kokser-Alltag zwischen Rausch und Entzug. Mit "Wart Ma" und "Übernehmen Sie" finden sich darüber hinaus noch zwei astreine System- und Gesellschaftskritiken auf der Scheibe.
Auf Albumlänge zeigen sich viele der experimentellen, düsteren Synthie-Beats nur im Hintergrund und erweisen sich als wenig eingängig. Dies verstärkt zwar gelegentlich großartig die Stimmung wie auf "Er läuft" oder "Schnee", wirkt oft aber auch einfach schleppend. Nur der von surrenden Synthies getragene Opener und das basslastige Outro brechen aus diesem Dilemma der Eintönigkeit aus.
Natürlich sind wir froh darum, dass nicht jeder Künstler auf charttaugliche, catchy Hooks aus ist und auch mal die Lyrics im Vordergrund stehen. "Der Supergrau" beispielsweise könnte man glatt als Ansage durchgehen lassen, leider wirkt der Vortrag wie auf dem kompletten Album stets monoton. Auch der Beat treibt keinesfalls nach vorne, sondern zeigt sich eher schwerfällig.
Im Hinblick auf die enorme Themenvielfalt und die ausgefeilten Lyrics liefern Herr von Grau ein Album, das man in dieser Form noch nicht gehört hat. Dennoch wirkt es oft zu fade und hinterlässt an vielen Stellen keinen nachhaltigen Eindruck. Einfache Kost für den gemütlichen Grillabend ist das sicher trotzdem nicht.
8 Kommentare
Guter Mann. Das ist HipHop mit Hirn.
musik für buchhalter
Herr von Grau bester Mann. Vor 5 Jahren oder so Live gesehen in einem winzigen Jugendhaus, das war ne Sause.
Das dritte Feder-Cover in diesem Jahr.
#Geilon
Rezension liest sich so als klänge "Freiflug" wie jedes HvG-Album bisher.
Pflichtkauf!
"Robocock" ist nicht mehr als ein vertonter typischer Männerscherz. Nonsens gehört zu HvG wie Sozialkritisches und das macht doch den Reiz aus, besonders, wenn man es auch kombinieren kann, was sie schon oft bewiesen haben.
Ach Garret... auch Buchhalter haben einen ehrbaren Beruf.
Ich feier die ja sehr, werd ich mir wohl irgendwann holen