laut.de-Kritik
Große Melodien, erdiger Blues und satte Beats.
Review von Ulf KubankeHeymoonshaker sind eine der großen Überraschungen des laufenden Jahres. Die beiden ehemaligen Straßenmusiker werfen der Musikwelt mit "Noir" einen saftigen Brocken Filet ins gierende Maul, dem man sich - einmal gehört - nicht verweigern kann. Große Melodien treffen auf erdigen Blues und satte Beats. Die gesamte Platte ist ein Meisterstück farbenfroher Sounds und exquisiten Songwritings.
Musikindustriell betrachtet ist "Noir" ihr erstes reguläres Album. Gleichwohl sind die beiden Shaker Balcon und Crowe längst ganz alte Showbiz-Hasen. Jahrelang zogen sie als fahrende Gesellen um den Globus, begeisterten Menschen auf nahezu allen Kontinenten und mauserten sich schließlich sogar zum Youtube-Wunder plus gern gehörten Festival-Act. Die vorliegenden zwölf Lieder brachten sie atemraubend schnell in weniger als einem Monat in den Kasten.
Bei zu vielen nahezu ausschließlich live agierenden Kapellen gibt es das Problem, den Spirit der Gigs ebenso energetisch als Funken auf die Klangkonserve zu bannen. Doch über derlei Limitierungen können die beiden Engländer nur milde lächeln. Vollkommen mühelos zelebrieren Heymoonshaker ihren Northern Blues und betten ihn in schillernde Sounds. Dabei gelingt ihnen das Kunststück eines nahezu poppigen Unterhaltungsfaktors, der - trotz all fluffigen Flows - weder den Songs die strenge Struktur, noch dem Blues seine grollende Tiefe nimmt.
Die Aufgabenverteilung in der Band ist klar verteilt. Während Balcon den Großteil des Songwritings plus Gesang übernimmt, kippt Crowe als Herrscher der Beats das rhythmische Salz in die Suppe. Letzterer erweist sich dabei als absolut exotischer Clou mit Surprise-Effekt: Während der unbefangene Hörer noch denken mag, wie herrlich satt und trocken diese Elektrobeats klingen, befindet er sich schon auf dem Glatteis. In Wahrheit ist jeder Bleep und Klonk rein mundgeblasen. Crowe ist die ultimative Human Beatbox von echtem Weltklasseformat.
Gemeinsam erzeugen der leidenschaftliche Sänger und sein filigraner Motoriker einen wahrhaften Charisma-Tsunami. Gemeinsam mit der melodischen Wucht ihrer Kompositionen kulminiert die Ausstrahlung von "Noir" in emotionaler wie handwerklicher Perfektion. Wer hier einen Vergleich in punkto Kraft und Intensität braucht, der höre Songs wie "Feel Love" entweder vor oder nach dem ebenso großen Kaliber von Asaf Avidans "Gold Shadow".
Die durchgehende Superlative der Stücke macht es unmöglich, einzelne Lieder qualitativ hervor zu heben. Dennoch stechen einige Augenblicke sogar aus dieser mitreißenden Notenflut heraus. Der Opener "Find Myself A Home" raspelt sich mit superbem Gitarrenarrangement und Balcons wölfischen Raubtiervocals sofort in Herz und Hirn. Wer sich hingegen auf der Suche nach dem absoluten Ohrwurm befindet, der checke bedenkenlos das runde "Take The Reins" an.
Vor allem in den lauten Momenten "Noirs" erinnert Balcons Röhre mitunter ein wenig an das Timbre Roger Chapmans. Sollten Heymoonshaker jemals "Shadow On The Wall" covern, niemand könnte es besser machen. Doch auch in den sanfteren Minuten ("Streets Of England") glänzt sein Organ als gefühlvolles Schmiermittel für die betörenden Melodien. Unbedingte Kaufempfehlung für dieses Kleinod!
1 Kommentar mit einer Antwort
So richtig überraschend ist das jetzt nicht, die waren auch 2013 (oder 14?) hier in der Nähe. Bin vor paar Jahren durch dieses Video auf die aufmerksam geworden: https://www.youtube.com/watch?v=lHfqzjxgjYo
Geht das in die Richtung? Gekauft wirds sowieso, sympathische Dudes.
bin gespannt, was du sagst.
mich hat es total umgehauen. es gibt ja (zwischen den ganzen schlock-scheiben) übers jahr immer zwischendurch diese ganz und gar faszinierenden songwriter- & melodienmomente. ich hatte das 2015 bislang 3 mal: 1. asaf avidan, 2. die neue destroyer und nun dieses teil.