laut.de-Kritik
20 magere Minuten Meat and Potato-Rap.
Review von Yannik GölzLeute lieben ein gutes Comeback. "Yesterday I took an L", rappte mal Big Sean, "but today i bounce back". Einen soliden Bounceback konnte auch Jack Harlow brauchen, denn trotz seines kometenhaften Aufstiegs seit "What's Poppin'", der schließlich in dem fulminanten Nummer-eins-Debüt seiner Hitsingle "First Class" kulminiert ist, stand seine Karriere wackeliger, als es sein sollte. "Come Home The Kids Miss You" befanden Kritiker als Flop sondergleichen, langweiliges Songwriting. Nun gilt es, den Vorwurf des minderen Drake-Abklatsches wieder loszuwerden. Und wie geht das? Natürlich: Indem man sein eigenes "If You're Reading This It's Too Late" veröffentlicht, in dem man den Hatern seinen Micskill und Hunger mit einem Überraschungs-Release zeigt, wie Drake ebn.
Moment.
Ja, das Mission-Statement von "Jackman" ist schnell begriffen. Das Tape soll persönlicher, verwundbarer und Rap-lastiger sein, damit wir nicht denken, er sei ein seelenloser Faker, der nur auf Hits aus ist. Quasi ein zweiter The Kid Laroi. Aber Jack hat schon auf vorherigen Tapes demonstiert, dass er durchaus rappen kann – entsprechend steigt er mit einem atemlosen, gut aufgezeichneten und wirklich wunderschön instrumentierten Statusbericht ein. "Common Ground" bietet organische Drums, ein souliges Vocal-Sample und das Bekenntnis auf die eigene Ambition. Es macht fürwahr Lust auf mehr, wenn Jack ankündigt, dass er wirklich etwas zu erzählen hat.
Leider wird schnell klar: Der Junge hat absolut gar nichts zu erzählen. "Jackman" ist eines der billigsten und effekthaschendsten Alben der modernen Rap-Geschichte und fällt bei jedem Blick unter die oberste Oberfläche auseinander. Das fängt vor allem mit diesem einen Song an, auf dem er sich dafür rechtfertigt, dass sein letztes Album nicht sein volles Potential gezeigt hat, und rappt, als würde er aus seinem eigenen Pressetext vorlesen. "Readin' way too many articles about myself, I gotta fall back from it / Auditioned for a lead and got the call back from it / I'm festival headlinin', keepin' them heads noddin'" rappt er hier, dann dort "I'm looking to change lives, I already changed mine / Our ambition just ain't the same size".
Er wirkt immens defensiv bezüglich seiner eigenen Fähigkeiten, aber eigentlich sollte sich so etwas über die 'Show, don't tell'-Regel von selbst erledigen. Und ein Song wäre in Ordnung, aber warum mussten es gleich fünf sein? Auf einem Album, das die 20 Minuten gerade so überschreitet? Der größte Fehltritt ist dabei aber offensichtlich der Song "It Can't Be", auf dem er ausgiebig moniert, wie gemein es sei, dass Leute ihm weißes Privileg unterstellen. Das kann man bestimmt so oder so sehen, aber diese weinerliche Aneinanderreihung von Argumenten, die klingen, als wäre eine PR-Firma sein Ghostwriter, könnte affiger nicht sein.
Natürlich gibt es auch Songs, die ein bisschen mehr versuchen. Der erste Verse auf "Denver" ist eine schöne Auseinandersetzung mit dem Druck, der durch den steigenden Erfolg entsteht. Auch die Beobachtung seiner Familienverhältnisse auf "Blame On Me", wie er seinen Bruder und sein Vater dessen Bruder sehen, ist gar nicht so schlecht. Der am meisten zitierte Song "Gang Gang Gang" jedoch nutzt einen an sich vielversprechenden Dialog-Modus, eine Geschichte zu erzählen, für eine überzogene und platte Darstellung von Charakteren.
Sollte man zu Freunden halten, obwohl diese mehrfache Vergewaltiger oder Kinderschänder sind? Jack findet – nein. Was für eine hammerkrasse Einsicht. Den viel interessanteren Angle lässt er liegen: Wie gehen wir mit Leuten um, deren Vergehen nicht so drastisch sind, dafür aber viel häufiger vorkommen? Was macht man, wenn ein Kumpel eine Frau sexuell belästigt? Was tun, wenn die Homies homophobe Scheiße labern? Aber Dinge so richtig aussprechen, an denen Leute sich reiben können, das will Jack natürlich nicht. So versucht er mit einer Message Eindruck zu schinden, der wirklich jeder republikanische Senator zustimmen würde.
Was bleibt übrig? Dass das Album ganz gut klingt? Tut es durchaus, die Produktion von unter anderen Rashad Thomas und Angel Lopez ist geschmackvoll, classy und smooth. Aber mehr als alles andere erinnert sie mich nicht an die großen Momente von Pop-Boom Bap-Crossover, sie erinnert mich vor allem an spätere Big Sean-Songs. Der geht nun auch schon eine Weile durch die Phase, in der er auf Tapes wie "Detroit 2" allen Kritiker-Bait an die Wand schmeißt, um zu beweisen, dass er auch ein Album-Artist ist. Aber gleichgültig, wie geschmackvoll und im Vergleich zu seiner anderen Arbeit beeindruckend das sein mag, man merkt einfach, dass er es nicht in sich hat.
Jacks fall ist ähnlich gelagert. "Jackman" kommt vor allem beeindruckend, weil es der Follow-Up zu einem der madigsten und seelenlosesten Pop-Rap-Alben der Gegenwart ist. Aber hat er wirklich die Bars und den Sound, um sich in diesem Stil gegen die sowohl im Mainstream wie im Untergrund immense Konkurrenz abzuheben? Ich würde sagen: Nein.
Vergleicht man es statt mit dem letzten Album mit Artists, die objektiv diese Sparte derzeit teilen würden, sagen wir einen J. Cole, einen J.I.D oder gar einen Kendrick, dann fehlt es plötzlich hinten und vorne. Was er hier ein Album nennt, sind 20 magere Minuten Meat and Potato-Rap, die trotzdem noch Platz für Bullshit wie "It Can't Be" oder komplette Filler wie "Is That Ight?" lassen.
Das Tape besitzt einfach zu wenig Substanz, es ist zu kurz, es hat keine wirklichen Quoteables, keine originellen Gedanken und vor allem keine Hooks. Sein ganzer Selling Point ist, vergleichsweise gut für ein Jack Harlow-Album zu sein. Aber das ist ja wohl kein Narrativ für jemanden, der Vergleiche mit Eminem für sich beansprucht. "Jackman" ist weder catchy noch herausragend clever und in seiner defensiven Unsicherheit auch gar nicht mehr so smooth. Es ist vor allem ein transparenter Versuch an fadenscheiniger Schadensbegrenzung von einem Rapper, der einen Tick zu sehr von seiner eigenen Arbeit beeindruckt scheint.
2 Kommentare mit einer Antwort
Mir wurde Denver in den Algorithmus gespült und war tatsächlich positiv überrascht.
Hab mir dementsprechend voller Erwartungen das Album gegönnt um sagen zu können dass Jack Harlow seinen schlechten Ruf nicht ohne Grund hat. Das langweiligste Album das ich dieses Jahr hören durfte.
Wundert mich jetzt nicht so. Aber was ist Meat and Potato Rap?
meat and potato bedeutet soviel wie nichts, was vom Standard abweicht, langweilig, uninspiriert