laut.de-Kritik
Gothic Glam Rock mit Pop-Zitaten aus Essen.
Review von Michael EdeleKaum ist ein Jahr vergangen, legen Jesus On Extasy nach ihrem Debüt "Holy Beauty" schon ihre zweite Scheibe vor. In Sachen Line-Up scheinen sie eine gewisse Stabilität eingeführt zu haben, denn neben den beiden Deveraux' sind auch die beiden Damen an Gitarren und Keyboard nach wie vor mit am Start.
Allerdings hat es auch Drummer BJ von der Bühne ins Studio geschafft und sorgt (wenn sie nicht inzwischen über einen etwas besseren Drumcomputer verfügen) dort für den entsprechenden Beat. Mit dem eröffnenden Titeltrack fühlt man sich zunächst einmal kräftig an Tiamat erinnert, was nicht zuletzt am Gesang von Fronter Dorian liegt. Tief und einschmeichelnd setzt er seine Stimme in Szene, springt zur Strophe aber wieder in seiner höhere, gewohnte Stimmlage über. Keine Frage, hier schlummert kräftiges Hitpotential, das das der sehr eingängigen, sehr an HIM orientierten Videosingle "Stay With Me" sogar noch übertrifft.
Stilistisch hat sich auf "Beloved Enemy" im Vergleich zum Vorgänger nicht viel geändert, was die Mischung aus Gothic Glam Rock mit reichlich Keyboards und leichten Popzitaten angeht. Das geht bei einer Nummer wie "Direct Injection" auch gut auf. Nach einer gebremsten Strophe steigert sich der Song zum Refrain hin beständig und bekommt dann einen ordentlichen Drive.
Allerdings sind die elektronischen Elementen für meinen Geschmack ein wenig zu weit in den Vordergrund gemischt. Auch "The Last Days Of My Life" ist ein gute Midtemponummer mit starken Grooves, die sofort in die Beine gehen. Die simple Melodie setzt sich schnell im Kopf fest und hat Potential.
Nicht ganz so poppig präsentieren sich die Essener bei "Lies", das vom Gesang und den Drums her mal ein deutlicher Ausbruch in Richtung Industrial ist. Fraglich bleibt aber, warum man die Gitarren dann nicht entsprechend fett braten lässt? Die laut/leise-Dynamik geht leider nur bedingt auf, da die beiden Parts nur bedingt miteinander harmonieren. Dann doch lieber so wie im sehr EBM-lastigen "You Don’t Know Anything". Das gibt den Gitarren (zumindest vordergründig) zwar kaum Raum, dafür sind die Mitshoutparts richtig schon derb und kontrastieren zum melodischen Gesang von Dorian.
Mit "Dead Presidents" haben sie einen weiteren, sehr eingängigen Track, der sowohl live, als auch auf den Tanzflächen für ordentlich Bewegung sorgen wird. Die Melodien gehen leicht ins Ohr und setzen sich dort fest. Gleiches trifft auch auf die Bandhymne "Church Of Extasy" zu, bei der die Gitarren zur Abwechslung mal wieder richtig schon satt zu Wort kommen.
Davon kann bei der Klavierballade "Sometimes" entsprechend kaum die Rede sein. Der Song spielt textlich mit den typischen Gothic-Klischees, will aber trotz einiger ganz netter Melodien irgendwie nicht richtig unter die Haut gehen. Überhaut muss man sich bei der ein oder anderen Textzeile doch hin und wieder das Grinsen verkneifen.
Auf Coverversionen haben Jesus On Extasy auf "Beloved Enemy" dieses Mal verzichtet, was ein wenig bedauerlich ist. Zum einen waren die beiden Fremdkomposition von "Holy Beauty" nicht schlecht, zum anderen wollen Tracks wie "Change The World" oder "Stuck" irgendwie so gar nicht zünden und lassen stellenweise fast schon Langeweile aufkommen. Auch "Break You Apart" ist einfach zu unauffällig. Das Stück lädt zwar zum Tanzen ein, aber auf Dauer bleibt zu wenig hängen.
Somit steigt "Beloved Enemy" (interessante Namenswahl, vor allem wenn man bedenkt, dass Gitarrist Chai bei gleichbenannter Band auf den kommenden Festivals in die Saiten greift) allenfalls als gleichwertiger Gegner zu "Holy Beauty" in den Ring. Überlegenheit sieht zwar anders aus, aber es kämpft auch nicht David gegen Goliath.
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