laut.de-Kritik

"Rey's Theme" betritt das "Star Wars"-Universum.

Review von

Was waren die Bedenken groß, als Walt Disney die Produktionsfirma Lucasfilm erwarb und mit ihr die Rechte an "Star Wars". Der Todesstern mit Mickey Mouse-Ohren wurde zum Facebook-Schenkelklopfer des Jahres 2012. Dass Lucas die Reihe bereits selbst gegen die Wand gefahren hatte und Disney reichlich Erfahrung mit den Marvel-Studios ("Iron Man", "Thor", "Captain America") mitbrachte, spielte keine Rolle mehr. Ab nun würden die Ewoks mit ihren großen Kulleraugen die Macht an sich reißen.

Was waren das Gezeter groß, als der Cast zu Episode VII. bekannt gegeben wurde. J. J. Abrams hatte es gewagt, mit Daisy Ridley zuerst nur eine einzige Frau vorzustellen. Dazu kam der obligatorische Quotenschwarze John Boyega, der wahrscheinlich eh keine große Rolle spielen würde. Nun stellen ausgerechnet Ridley und Boyega die Hauptfiguren in dem alle Rekorde brechenden Hollywood-Blockbuster.

"Star Wars: Das Erwachen Der Macht" macht vieles falsch, aber noch viel mehr richtig. Vor allem triumphiert der Film gerade an der Stelle, an der Episode I. - Episode III. so kläglich scheiterten. Nein, es waren nicht die schlimmen CGI-Effekte, die hanebüchenen Storys, der Pflaumenaugust Hayden Christensen und das von Beginn an feststehende Ende. Das größte Problem war, dass Lucas keine Figur mehr erschuf, die nur ansatzweise in die heroischen Stapfen von Luke, Han und Leia treten konnte.

Mit der draufgängerischen Rey vereinigt nun allein eine Figur bereits all die Attribute der alten Riege. Mit Finn betritt ein Sympathieträger mit in dieser Filmreihe ungewöhnlicher Hintergrundgeschichte die Szenerie und BB-8 spielt den Blecheimer-Großvater R2-D2 zumindest diesmal komplett an die Wand.

Von den Altstars liefert der Millennium Falcon die überzeugendste schauspielerische Leistung. Dies bezieht Harrison Ford mit ein. Chewbacca verkommt zur Witzfigur und Carrie Fisher hat die Leinwandpräsenz eines Petunientopfs. Die Story klammert sich zu ängstlich an altbekanntes und der fahrige und unwirsche Lumpenhund, der so gerne Darth Vader wäre, mag noch nicht wirklich funktionieren.

Nur einer weigert sich, sich an die "Neu ist immer besser"-Regel (Barney Stinson) zu halten. Der Mann, ohne den "Star Wars" so wenig denkbar erscheint wie in Deutschland die "Simpsons" ohne Norbert Gastell: John Williams. Der Sound des 83-Jährigen erscheint in der heutigen, vom großen Ramba Zamba dominierten Zeit so antiquiert wie der von Abrams eingesetzte 35-mm-Film. Anstatt sich allein auf große Theatralik zu verlassen, setzt er auf Melodieverständnis und die aus der Handlungs-Dynamik entstehende Dramatik. Fähigkeiten, die aktuellen Scores immer mehr abhanden kommen.

Natürlich thront die "Main Title" mit ihrer nach wie vor überwältigenden Macht über dem Score, die diesmal in das fulminante und von Streichern voran getriebene "The Attack On The Jakku Village" mündet. Erstmals arbeitete Williams nicht mit dem London Symphony Orchestra im Abbey Road Studios zusammen, sondern nahm mit Studiomusikern in Los Angeles auf.

"The Scavenger" führt die Hauptfigur stimmig und mit einigen Querverweisen zu "Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung" und Tatooine ein. Erstmals erklingt hier "Rey's Theme", das Stück, das die Trilogie zusammenhalten wird. In diesem Moment beweist Williams wieder einmal, wie gut seine Musik Charaktere beschreibt oder etwas unterstreichen kann. Mit seiner zauberhaft verklärten und läutenden Einleitung beginnt die Theme wie aus einem "Harry Potter"-Film entnommen, um sich im weiteren Verlauf deutlich ins "Star Wars"-Universum zu integrieren. Für einen Moment scheint es möglich, dass Hermine Granger und Luke Skywalker die kleine Rey gezeugt und zum Schutz vor geifernden Nerds auf dem Wüstenplaneten Jakku in Sicherheit brachten.

Bevor das Düstere mehr und mehr über den Soundtrack herein bricht, verfügt "Rey Meets BB-8" über eine kindlich naive Unschuld. In "Follow Me" und "The Falcon" zeigt Williams sein Können für Action-Sequenzen. Im letztgenannten wagt er gar einen kurzen Schlenker zu "Battle Of Hoth" aus "Star Wars: Episode V – Das Imperium schlägt zurück", seinem wohl besten Beitrag zur Serie.

Die gregorianische Gesänge in "Snoke" lassen den Imperator wieder auferstehen. Kylo Ren bleibt eine ähnlich eingängiges Leitmotiv wie seinem Vorgänger Darth Vader verwährt, doch Williams lässt seinen Charakter während des Soundtracks geschickt von traurig zu einem Funken Hoffnung bis hin in die komplette Finsternis kippen. "Kylo Ren Arrives At The Battle" lässt ihn aggressiv auftreten. Das emotionale Highlight "Torn Apart" zeigt ihn im endgültigen und dramatischen Kampf zwischen den Fronten.

Mit dem Wegfall vieler bekannter Figuren, Orte und Reiche kommt "Star Wars: Das Erwachen Der Macht" für John Williams einem Kahlschlag gleich, und "The Imperial March" schreibt man nicht eben mal schnell im vorbeigehen. Indem Williams altbekannte und neue Themes geschickt miteinander verflechtet gelingt es ihm aber hier auf ganzer Länge, die Gegenwart mit der Vergangenheit zu etwas Neuen zu vereinen.

Trackliste

  1. 1. Main Title And The Attack On The Jakku Village
  2. 2. The Scavenger
  3. 3. I Can Fly Anything
  4. 4. Rey Meets BB-8
  5. 5. Follow Me
  6. 6. Rey's Theme
  7. 7. The Falcon
  8. 8. That Girl With The Staff
  9. 9. The Rathtars!
  10. 10. Finn's Confession
  11. 11. Maz's Counsel
  12. 12. The Starkiller
  13. 13. Kylo Ren Arrives At The Battle
  14. 14. The Abduction
  15. 15. Han And Leia
  16. 16. March Of The Resistance
  17. 17. Snoke
  18. 18. On The Inside
  19. 19. Torn Apart
  20. 20. The Ways Of The Force
  21. 21. Scherzo For X-Wings
  22. 22. Farewell And The Trip
  23. 23. The Jedi Steps And Finale

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2 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 8 Jahren

    Die Musik von Star Wars an sich war schon immer hoch emotional angelegt. Was man dann in Teil 1-3 immer noch hörte, nur waren die Figuren ohne Seele angelegt. Da Filmmusik die Charakterzeichnung unterstreichen sollte, nun ja in Teil 1-3 Klassenziel verfehlt. Jetzt war ich mir mit der Übernahme sicher das Disney nicht 4 Milliarden ausgibt, um die anschließend im Sand von Tatooin zu vergraben. Der Soundtrack macht auch nur einen geringen Teil des Budget aus. Schon im Trailer war zu hören das der Soundtrack diesmal wieder passt und die neuen Charaktere mindestens ebenbürtig sind mit Han Solo, Laia u. Luke. Daisy Ridley war aber nur zweiter Sieger, der Platz eins geht nach meiner Meinung an den neuen Schurken Kylo Ren. Der in meinem Kopf eine Menge Cliffhänger hinterließ. Der Charakter war einfach nur großartig rätselhaft. Frage mich wie den seine Sozialisation abgelaufen ist. Einfach nur finster u. Bitter süßer Beigeschmack, das geht nur im Kino.
    Diesmal scheinen wir den gleichen Film gehört und gesehen zu haben Sven?

    Gruß Speedi

  • Vor 8 Jahren

    "Vor allem triumphiert der Film gerade an der Stelle, an der Episode I. - Episode III. so kläglich scheiterten. Nein, es waren nicht die schlimmen CGI-Effekte, die hanebüchenen Storys, der Pflaumenaugust Hayden Christensen und das von Beginn an feststehende Ende"

    Bei Episode I und II bin ich voll beim Schreiberling, aber bei Teil III muss ich widersprechen.

    Man hatte zum ersten mal das Gefühl das Lucas von seinen vorherigen zwei Filmen gelernt habe(Das CGI war zwar immernoch da, aber in viel besserer Form.), bis auf die immernoch sehr schlechten Dialoge.

    Das leitet mich direkt zu Hayden Christensen.
    In Ep. II war er nicht gut, was aber auch Lucas größte Schuld war, selbst Portman konnte überhaupt nicht überzeugen. (Wie fast alle Schauspieler, mit Ausnahme McGregors)
    Bei so cringeworthy geschriebenen Dialogen ist das auch kein Wunder.

    Bei Teil 3 hat er meiner Meinunng on point abgeliefert.
    Die Szenen wo er die von Lucas schlechte geschriebenen Dialoge nicht sprechen musste, sondern nur mit seinem aüßeren "acten" musste, zeigt das ganz deutlich auf.

    Der Mann ist total overhated und das nur weil Lucas so ein gottverdammt schlechter Writer ist.

    Komplett OT, aber ich dachte mir mal dazu muss ich einfach mal was schreiben. ^^

    BOT: Der OST war mMn ein let down.
    Da hat mich irgendwie nichts vom Hocker gehauen, wie bei der OT oder den Prequels.