25. Mai 2018

"Heute bin ich nicht mehr wütend“

Interview geführt von

Manchmal kommen einem eben Sachen dazwischen: Zehn Jahre lang lag Jonathan Davis' Soloalbum "Black Labyrinth" mehr oder weniger fertig in der Schublade. Nun erscheint es endlich – und der Korn-Sänger kann es kaum erwarten.

Nicht, dass Jonathan Davis in der Zwischenzeit untätig gewesen wäre: Schließlich fordert der Album/Tourzyklus seiner Hauptband Korn für gewöhnlich seine ganze Aufmerksamkeit. Dies und Probleme mit der Plattenfirma führten dazu, dass "Black Labyrinth" erst eine Dekade nach seiner Entstehung den Weg zu den Fans findet. Veraltet hört es sich dennoch nicht an – und Davis ist immer noch von der Platte begeistert, wie er im Interview erklärt.

Seit 2007 in der Mache: Das ist eine ganz schön lange Zeit für ein Album.

Es war sogar vor zehn Jahren schon mehr oder weniger fertig aufgenommen. Ich war auf einem Label, bei dem der Präsident gehen musste. Der andere Produzent, der dann Präsident wurde, hatte dafür keine Zeit, somit war ich in Warteposition. Also hab ich mir die Platte zurückgeholt. Ich musste mir also ein neues Label suchen. Dann ging es aber mit Korn wieder los – und du weißt ja, wie wir touren. Ich hatte in diesen zehn Jahren einfach nie die Chance, es zu veröffentlichen. Irgendwann fügten sich die Dinge aber so, dass es jetzt endlich rauskommen kann. Es gibt einen Song auf dem Album, den ich vor kurzem aufgenommen habe – "Walk On By" und einen weiteren, der auf einer B-Seite gelandet ist. Die sind neu und entstanden im Februar dieses Jahres. Wir haben ein bisschen was überarbeitet, aber das meiste war schon vor zehn Jahren fertig! (lacht) Es klingt aber nicht, als wäre es zehn Jahre alt. Es ist für mich zeitlos, das ist schon sehr cool.

Erinnerst du dich, wann du die Songs geschrieben hast?

Ich habe sie alle auf Tour geschrieben. Aufgenommen habe ich sie mit Gastmusikern, als ich zuhause war. Ich hatte das Studio in meinem Haus in Malibu. Das meiste habe ich in Europa geschrieben. Ich ging einfach mit dem Vibe. Inspiriert war ich von Queen of the Damned, meinem ersten Solo-Projekt, wenn du das so nennen willst. Da war ich ganz ich selbst. Ich liebe alle möglichen Stile, alle möglichen Instrumente – nicht nur Rock-Instrumente. Ich mag World Music, indische Musik, alles mögliche. Ich kam nach Korn-Shows von der Bühne, ging in den Bus und begann, zu schreiben. So ist das entstanden.

Wie entscheidest du, was du für Korn und was du für deine Solo-Sachen verwenden willst? Weißt du das schon während dem Schreiben?

Das ist ganz einfach – bei Korn dreht sich alles um die siebensaitige Gitarre. Ich nehme mir eine siebensaitige für Korn und für mein Solo-Zeug die sechssaitige. Auch das Tuning ist anders. So einfach ist das! Außerdem ist das Korn-Zeug natürlich viel aggressiver, während meine Solo-Stücke ruhiger sind. Auch wenn's manchmal durchaus heavy wird.

Wer ist auf dem Album so dabei?

Ich habe das Album selbst produziert, aufgenommen hat es mein Langzeit-Engineer. Die Geige spielt L. Shankar, ein berühmter Violinist, der auch schon mit Peter Gabriel und Frank Zappa gearbeitet hat. Den Bass Miles Mosley, der auch in der Jazz-Welt aktiv ist. An den Drums sitzt Ray Luzier. Das war unser erste Zusammenarbeit, noch bevor er bei Korn eingestiegen ist. Ich habe fast alle Gitarren eingespielt. Und an den Additional Keyboards ist [Korn-Keyboarder, Anm.] Zac Baird zu hören. Ganz unterschiedliche Leute, die alle ganz verschiedene Klangfarben eingebracht haben.

"Ich hatte ein großes Problem mit Religion“

Auf „Basic Need“ sind indische Instrumente zu hören.

Ja, du hörst indische Tablas, Violine, Sitar, die japanische Koto, verschiedene asiatische und indische Instrumente. Ich wollte sie alle reinbringen und versuchen… ach, was auch immer ich versuchen wollte, ich wollte einfach Spaß haben und coole Dinge machen! Es bringt so viele Farben rein – und ich habe alles reingepackt. Auch in meiner Live-Band: Ich habe einen Violinisten, einen akustischen Bass – das wird sehr gemischt.

Es wird also sehr akustisch.

Ja, aber auch sehr heavy!

Sprechen wir ein wenig über die Themen der Platte. Da geht es um Kapitalismus, Religion, Konsum.

Ja, das waren die Dinge, die mich beim Schreiben beschäftigten. Ich hatte damals in großes Problem mit Religion, weil wir gerade unseren Gitarristen Head verloren hatten. Ich begann zu schreiben, als er aus der Band ausstieg. Ich war sehr wütend auf Religion, das bin ich immer noch. Ich glaube an keine organisierte Religion. Ich respektiere den Glauben anderer Menschen. Ich glaube an Gott, daran, dass es Dinge gibt, die das Positive und das Negative des Universums aufzeigen. Ich wähle für mich das Positive. Es scheint, dass viele Institutionen nur darauf auf sind, Leuten zu schaden und ihnen Geld wegzunehmen. Ich habe auch ein Problem damit, dass sie Homosexuelle diskriminieren. Gott ist die Kraft der Liebe und liebt jeden und alles. Er sollte nicht die Kraft zu hassen geben. Das ging mir durch den Kopf – und alles, was damit zusammenhängt. Ich habe versucht, auf meiner Reise verschiedene Wege meiner Spiritualität zu gehen. Diesen harten Weg repräsentiert diese Platte: An was zum Teufel glaube ich – und wie komme ich vorwärts? Es gibt da dieses Ganzfeld Experiment eines deutschen Psychologen. Es geht darum, dass sich das Hirn selbst stimulieren muss und komische Sachen anstellt. Wenn du in einem dunklen Raum sitzt und auf einen Lichtstrahl starrst und weißes Rauschen hörst, zeigt dir dein Hirn dein Unterbewusst sein. Du halluzinierst, siehst komische Dinge. Auch davon handelt die Platte. Auch die Videos werden diese Geschichte erzählen – das Album soll ein ganzheitliches Erlebnis werden. In der Special Edition meiner Platte bekommst du eine spezielle Brille, auf meiner Website kannst du Lichteffekte sehen und weißes Rauschen hören, du kannst auf einen Trip gehen. Es soll nicht nur reines Entertainment, sondern ein wirkliches Erlebnis sein. Wenn man die Videos sieht, versteht man das Konzept. Ich möchte die Leute einfach mit etwas Speziellem, Einzigartigem unterhalten. Ich möchte nicht das machen, was ich mit Korn mache – sondern einfach ganz Neues auszuprobieren.

Wie fühlt es sich heut an, auf die Texte jener Phase zurückzublicken?

Ich kann gar nicht sagen, ob diese Phase vorbei ist – denn ich habe noch eine Menge dieser Gefühle in mir. Ich bin aber älter und weiser und weiß, dass jeder das Recht hat, das zu glauben, was er glauben möchte. Warum bin ich dann wütend? Aber wenn du jünger bist, hast du diese Wut in dir. Heute bin ich nicht mehr wütend. Aber dieses Projekt handelt davon, wie ich mit all dem klarzukommen versuche. Zehn Jahre hat das gebraucht.

Gut Ding braucht eben Weile.

Weißt du, ich wollte wirklich etwas Einzigartiges machen. Soviel der heutigen Musik ist so vorfabriziert, hat keine Seele. Ich wollte etwas, das Emotionen auslöst und dir zeigt, warum du Musik hörst.

"Korn haben mich großartig unterstützt"

Haben deine Bandkollegen von Korn die Songs schon während der Aufnahmen gehört?

Oh ja, ich habe den Scheiß immer ganz laut in meiner Garderobe durch die Lautsprecher geblasen! Zehn Jahre lang haben sie das gehört. Manchmal durch Wände, manchmal im selben Raum. Sie haben sich aber noch nicht hingesetzt und das Album in seiner Gänze angehört, aber ich werde ihnen sicher eins geben. Sie haben mich immer großartig dabei unterstützt. Ich habe eine tolle Band, jeder hat seine eigenen Projekte. Sie meinten einfach: "Mach dein Zeug, es ist toll!" Und jetzt, wo es endlich draußen ist, möchte ich eine gute Zeit damit haben.

Fühlt es sich für dich anders an als eine Korn-Veröffentlichung, bist du nervöser?

Ich bin nervös, ich möchte ja, dass es die Leute mögen. Aber ich kann mir ja von Interviews mit Leuten wie dir einen Eindruck verschaffen. Ich glaube, die Leute werden es mögen. Und manche auch nicht, aber du kannst nicht jeden glücklich machen. Ich möchte es einfach draußen haben, ich bin einfach froh, dass ich das Projekt fertig gemacht habe. Zehn Jahre hat es gedauert. Und dann mache ich wieder irgendwann ein Korn-Album, gehe auf Tour – und dann gibt's wieder eine JD-Soloplatte. Mir bedeutet das alles, für mich ist das großer Spaß.

Wann und wie geht es mit Korn weiter?

Wir treffen uns dieses Jahr im Studio, um an neuer Musik zu arbeiten. Hoffentlich gibt es dann nächstes Jahr eine neue Korn-Platte!

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