laut.de-Kritik

Spielwiese mit Ohrwürmern und hoher Hit-Dichte.

Review von

Sieht fast so aus, als würden sich die Strokes selbst überflüssig machen. Nicht, weil ihr mittlerweile acht Jahre altes Debüt "Is This It" zahlreiche Nachfolger und Nachahmer auf den Plan rief – sondern weil man die Band seit vier Jahren Abstinenz dank zahlreicher Nebenprojekte gar nicht so sehr vermissen muss.

Albert Hammond Jr. hat mittlerweile schon sein zweites Solo-Album veröffentlicht. Fab Morettis Little Joy stehen den New Yorkern in Sachen Charme und Lässigkeit in nichts nach. Bassist Nikolai Fraiture vertreibt sich die Zeit mit der Folk-Rock-Formation Nickel Eye.

Dass sich diese Musiker früher oder später in einem eigenen Nebenprojekt verwirklichen wollen, war abzusehen – schließlich war Casablancas bei der Band fast ausschließlich alleine fürs Songwriting zuständig. Wer deshalb aber hinter dem Solo-Ausflug so etwas wie ein viertes Strokes-Album erwartet, liegt dennoch falsch.

Wobei: Zumindest die ersten drei Songs knüpfen da an, wo die Strokes mit "First Impressions Of Earth" aufgehört haben. Kein dreckig-verzerrter Garagen-Rock also, sondern experimentelle, stellenweise fast schon ambitionierte Rock-Musik. Nach Lou Reed und Velvet Underground klingt auch hier nichts mehr, aber an den unverzerrten Gesang Casablancas hat man sich ja inzwischen gewöhnt.

"Out Of The Blue" beginnt mit sphärischen Synthesizer-Klängen, doch kurz darauf wird auch wieder ganz ordentlich auf den Gitarren geschrammelt. Das hört sich vertraut, das hört sich gut an. Auch die Art zu texten ist dieselbe geblieben: "Somewhere along the way, my hopefulness turned to sadness / Somewhere along the way, my sadness turned to bitterness / Somewhere along the way / My bitterness turned to anger / Somewhere along the way / My anger turned to vengeance", leitet Casablancas das Album ein, das in diesem Moment stark an die Juicebox-B-Seite "Hawaii" erinnert.

"Left & Right In The Dark" und die erste Single "11th Dimension" könnte man dank des Synthie-Einsatz' fast eine Spur zu 80er-Jahre finden – wenn sie nicht so verdammt catchy wären. Es klingt vielleicht anders, es fühlt sich aber immer noch gleich an wie damals, im Jahr 2001: wahnsinnig enthusiastisch und dabei doch irgendwie gelangweilt.

Und doch hat Casablancas hier auf die größte Fähigkeit der Strokes einfach verzichtet: Deren Stil glänzte durch Einfachheit; da war kein Solo zuviel, keine unnötige Note vorhanden. Perfektion durch Weglassen.

Auf "Phrazes For The Young" dagegen wird jede Menge ausprobiert, manchmal vielleicht ein bisschen zu viel. Den Drum-Computer im monotonen, countryesken "Ludow St" hätte man getrost weglassen können, an mancher Stelle hätten es auch ein paar Synthie-Hooks weniger getan. Mike Mogis hätte man wohl kaum als Co-Produzenten hinter diesem Werk vermutet, schließlich ist er beim Haus-und-Hof-Label Saddle Creek eher für die ruhigen, leisen Töne bekannt.

Am Ende besticht "Phrazes For The Young" nicht durch Homogenität, sondern durch Vielseitigkeit. Das hier ist eigentlich weniger Album sondern vielmehr eine Spielwiese des Herrn Casablancas. Die beginnt stark, fällt aber in der zweiten Hälfte etwas ab. Trotzdem besitzt die Platte Sucht-Faktor, ein unglaubliches Ohrwurm-Potenzial und hohe Hit-Dichte.

Ein neues Album der Strokes ersetzt sie aber dennoch nicht. Angeblich sind sich die Musiker uneinig, in welche Richtung es gehen soll, von "Meinungsverschiedenheiten" sprach Casablancas neulich im Daily Mirror – kein Wunder, hört man sich die verschiedenen Projekte der fünf jungen Männer an.

Man kann nur hoffen, dass sie ihn dennoch auf die Reihe bekommen, ihren vierten Longplayer. Mit all den unterschiedlichen Einflüssen und Erfahrungen, die die Band-Mitglieder nun gesammelt haben: Es könnte eines der interessantesten Alben des nächsten Jahres werden.

Trackliste

  1. 1. Out Of The Blue
  2. 2. Left & Right In The Dark
  3. 3. 11th Dimension
  4. 4. 4 Chords Of The Apocalypse
  5. 5. Ludlow St.
  6. 6. River Of Brakelights
  7. 7. Glass
  8. 8. Tourist

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15 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Man kann nur hoffen, dass sie ihn dennoch auf die Reihe bekommen, ihren fünften Longplayer.

    Ähm... "Is This It", "Room on Fire", "First Impressions On Earth"... Hab ich da was verpasst?

    Übrigens ziemlich nervig, dass aber auch bei jedem Review zu "Phrazes For The Young" die Hälfte der Zeit nur von den Strokes geschrieben wird.

    Zu "Phrazes For The Young":
    Sehr komisch/gewöhnungsbedürftig anfangs... Probiert und mixt auch ziemlich viel zusammen der Herr Casablancas...
    Ist aber vieles Grandioses zusammengekommen: "Out Of The Blue", "Rivers Of Brakelights", "Glass" um nur mal die drei imposantesten Lieder zu erwähnen. Die Stimme/Gesang von Julian ist manchmal wirklich zum wegschmeißen (was es aber irgendwie witzig macht) und stellenweise einfach nur eine Wucht.
    Also für mich als Fanboy: both thumbs up! :)

  • Vor 15 Jahren

    unterhaltsames und gutes album.

    ein bischen anders als strokes aber doch sehr zu empfehlen.

    find ich auf jeden fall besser als albert hammonds beide solo alben.

  • Vor 15 Jahren

    im direkten vergleich mit den strokes sind die solo ergüsse der mitglieder alle recht belanglos... das des herrn casablancas toppt das aber noch mal

  • Vor 15 Jahren

    River Of Brakelights allein reicht aus, um aus der Belanglosigkeit entlassen zu werden und auch sonst sind so einige starke nummern drin.

  • Vor 15 Jahren

    pathetisch, ja, aber ich bin halt gespalten. das album nervt mich teilweise, dann find ich einiges wieder originell bis mich die krasse asynchronität zwischen seiner geil gelangweilten stimme und diesem geduddel-feuerwerk der phrazes of the young wieder einholt und so unberührt stehen lässt. als ich 11th dimension das erste mal hörte, dachte ich: geil. aber bei aller diversität, ist das muster beim ganzen album doch durchgehend das gleiche...abstruse klänge reinbringen, 80er und auch country etc und das nächste lied überbieten...eh gut gemacht, aber dennoch ich fürchte, ich hab das ding nicht lieb. je ne sais pas, vielleicht muss ich mich noch mehrere male zum reinhören zwingen...