laut.de-Kritik

Der jugendliche Haudegen entzieht sich seiner Ritalin-Behandlung.

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"Kasimir, guck' wie ich lauf', wie ich Tek Tek mach', wie ich nachts mein' Stoff verpack'", bellt es dem geneigten Rezipienten zusammenhanglos entgegen. Seit Frühjahr 2019 gehört Kasimir1441 zu Bis Es Klappt Records, das bislang vor allem für den Autotune gepufferten Rap von Shqiptar bekannt war. Der Berliner verzichtet hingegen auf jede Polsterung. Mit seinem wild um sich schlagenden Raspel-Rap betont er seine Rolle als unterhaltsamer wie schäumender Systemsprenger, der sich schlichtweg nicht integrieren lässt. Die "Kickdown EP" hämmert dieses Bild nachdrücklich ein.

"Ich hab' mich selbst nicht im Griff", gibt er in "Fixxer" unumwunden zu. Symtex' rauschhaft, drückende Produktion erzeugt einen Sog, durch den Kasimir1441 mit ausgefahrenen Ellenbogen ein wenig ungelenk gleitet. Ohne nennenswerte Variationen des Beats oder seiner Energie flankieren zwei Hooklines eine Art Strophe. Ein innerer Zusammenhang seines Texts lässt sich beim besten Willen nicht ausmachen. In der Hitze des Gefechts scheint er selbst nicht so genau zu wissen, was als nächstes passiert: "Das ist kein Blickduell, weil vielleicht werf' ich nach dir ein Tisch."

Kasimir1441 kommt zumeist als jugendlicher Haudegen daher, der sich bislang erfolgreich seiner Ritalin-Behandlung entziehen konnte. Dafür spricht auch die Dauer seiner musikalischen Werke. "Fixxer" und "Jhit" reißen nicht die Marke von zwei Minuten, womit sie ordnungsgemäß auf die Aufmerksamkeitsspanne einer hyperaktiven Zielgruppe zugeschnitten sind. Während sich der Hörer noch gedanklich mit der Vermittlung an den Schulpsychologen beschäftigt, betont der impulsive Rapper gleich mehrfach, keine Kinder haben zu wollen, was sich nicht in Einklang bringen lässt.

Verständlicherweise wandert mindestens eine Augenbraue der "Asia-Bitch" gen Norden, wenn sie in "Hentai" auf Kasimir1441 und Pashanim trifft. Der erfolgreiche Gast zeigt dafür weniger Verständnis, wenn er über den bescheidenen Klimper-Beat brummt: "Sie ist hübsch, aber leider ein bisschen dumm. Sie sagt mir: 'Bist du nicht bisschen jung?'" Der Berliner zeigt sich da schon realistischer, wenn er im Titelsong in LGoony-Manier gesteht: "Ich bin 18, Digga, ich seh' mittlerweile aus wie 16." Leider bildet dieser eine Satz den gesamten Humoranteil der EP.

In "Sosa" bewegt sich der Rapper auch sprachlich auf einem Level, das eher an die Vorschule gemahnt: "Ich mach' Koka weg, ich mach' Koka weg! Ich zieh' den ganzen Scheiß weg vom Esstisch!" Derweil begnügt sich sein Labelboss Diloman fast ausschließlich auf die kontinuierliche Wiederholung des immer gleichen Verses: "Streck' das Koka, so wie Sosa!" Erschwerend kommt hinzu, dass die wenigen hingerotzten Zeilen von Kasimir1441 in einer metrischen Katastrophe münden. Das gilt gleich doppelt für "5Ramm", das als einziges Stück die ausufernde Länge von zwei Minuten sprengt.

Wer einen "Kickdown" durchführt, hat eben keine Zeit zu verlieren. Mit seiner ersten EP bewegt sich der ungestüme Berliner auf den Spuren 6ix9ines, auch wenn das farbenfrohe US-Vorbild neben ihm regelrecht ausgeklügelt wirkt. Der "Gooba"-Rapper weiß, dass sich sein lärmender Vortrag ähnlich rasch abnutzt wie bei den Protagonisten der Crunk-Welle vor einigen Jahren. Nicht umsonst wartete "Dummy Boy" mit Lil Baby oder Gunna auf, die einen Kontrast zu ihm bilden. Kasimir1441 verzichtet darauf. So verbreitet er zwar gute Laune, doch für ein abendfüllendes Programm reicht es noch nicht.

Trackliste

  1. 1. Fixxer
  2. 2. Jhit
  3. 3. Hentai (mit Pashanim)
  4. 4. Tek Tek
  5. 5. 5Ramm
  6. 6. Sosa (mit Diloman)
  7. 7. Kickdown

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