laut.de-Kritik
Von der Last, ein Hype-Spekulationsobjekt zu sein.
Review von Yannik GölzEin Merkmal der aktuellen Hip Hop-Generation ist, dass die letzten großen drei nie richtig abgelöst worden sind. Am Ende der 2000er kamen für Jay, Nas und Em nach und nach Kendrick, Drake und Cole. Ein weiteres Jahrzehnt ging vorbei, aber diese drei haben das Game immer noch fest in der Hand. Tatsächlich sind solche Kategorisierungen natürlich komplett zufällig, aber aus dem Gespräch darüber hat sich eine Nachfrage entwickelt. Statt darauf zu vertrauen, dass jede Generation Musik ihre Ikonen hervorbringt, meistens solche, die mit ihren Vorgängern wenig gemein haben, suchen gerade viele Rapfans Artists, die in diese Schablonen passen.
Heraus kommt ein komischer Mikrokosmos des Hypes für Artists, die man meistens als Mini-Kendricks oder Mini-Coles beschreiben könnte. Schnelle Flows, hohe Stimmen, meistens mit einem gewissen Hang zum Album-Artist. Dieser Schlag Artists verdient eine gewisse Skepsis. Denn sobald das Projekt "Klassiker or else" zum Hauptinhalt der Musik wird, entsteht ein seltsamer Unterdruck, der der Kunst nicht gut tut. Damit zum Protagonisten heute: Kenny Mason lebt nun mehr seit acht Jahren auf Pacht in seinem eigenen Vielversprechen. Tatsächlich werden seine Alben aber nur krampfiger und diffuser.
"9" ist einer Reihe von zwei EPs entwachsen, die arithemtisch "3" und "6" benannt worden sind. Zusammen mit seinem Debütalbum "Angelic Hoodrat Deluxe" und ein paar Mixtapes hat er inzwischen alles schon einmal durch. BoomBap, Doubletime, Technikrap, Hyperpop, melodischer Trap, Memphis-Horrorcore, Indie und Punk. Auch auf diesem Tape fühlt er sich wie ein talentierter Junge an, der geradezu darunter zusammenbricht, ein Hype-Spekulationsobjekt zu sein.
Er beginnt mit Trap-Versatzstücken, auf denen er sich stimmlich deutlich an Baby Keem orientiert. Es scheint fast, als würde er auf den ersten Nummern hier wirklich mit akademischer Intention am Mumble Rap rumprobieren. Wenn er zum Beispiel auf "4 My" back to back mit Detroit's finest Veeze geht, dann setzt er zu diesem komischen Falsetto-Moment an, der nicht per se scheiße klingt, aber halt auch nicht diese frei fließende Genialität eines Young Thugs oder eines Futures emuliert, die es offensichtlich so gerne hätte. Im direkten Vergleich zu den deutlich authentischeren Trappern wie BabyDrill oder insbesondere Veeze merkt man einfach, dass da eine Intuitivität in den Flows liegt, eine Leichtigkeit, die Mason einfach nicht hat.
Das klingt vielleicht komisch, weil Mason handwerklich auf diesem Album handwerklich wie erwartet makellos abliefert. Er hat diesen Einserschüler-Swag, der aber eine richtige Vision nicht ersetzt. Besonders wenn dann ab der Hälfte des eh recht kurzen Projekts die Kategorie Vielseitigkeit eingeleitet werden soll, geht es auf "9" wie Kraut und Rüben durcheinander. "Us" ist die Sorte Trap-Rock, für die ein XXXTentacion oder ein Vic Mensa zurecht ausgelacht worden sind. Es macht einen auf edgy, hat aber keine richtige Kante. Es ist nur der Beweis, dass Kenny Mason auch diesen Sound machen könnte, sollte er denn wollen. Daraufhin darf Toro Y Moi dann noch für die Indie-Cred auflaufen, wie auf dem letzten Tape Jean Dawson dazu geholt wurde.
Es scheint, als solle "9" vor allem vollumfänglich beweisen, dass Kenny Mason einen ausgezeichneten, breiten Hip Hop-Geschmack hat. Und wenn er wollen würde, dann könnte er es alles tun. Kenny Mason fühlt sich wie das perfekte Beispiel für die Kategorie an Rappern vom Anfang an, weil seine Musik so offensichtlich bemüht um kritische Bestätigung ist. Seine ganzen letzten Projekte buhlen um die Bestätigung, dass da gerade etwas Relevantes passiert.
Da ist also dieser technisch begabte junge Rapper, der sich der Sounds der Stunde annimmt und daraus ganze Alben, so richtige Statement-Alben macht. Nur, dass dieses Album kein Statement ist. Es ist wie die meisten Projekte aus Masons Feder, und auch wie die Tapes von vergleichbaren Artists wie D Smoke, Shootergang Kony und (it must be said) J.I.D., ein Simulacrum von einem Klassiker. Ein hermetisch dichter, im Grunde nichtssagender, Trailer für sich selbst. Guck mal, da sind Möglichkeiten. Guck mal, da ist Potential. Aber abgesehen von diesem Kreisen um die eigenen Möglichkeiten wird hier nichts erzählt.
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