laut.de-Biographie
Kings Of Leon
Hallelujah! Das war wohl das erste Wort, das Caleb, Nathan und Jared einst zu hören bekamen. Leon Followill, ihr Vater, hat eine schräge Lebensgeschichte zu erzählen. In den 60ern noch als Hippie unterwegs, kommt irgendwann der heilige Geist über ihn. Er lässt sich zum Christentum bekehren und heuert bei der Pentecostal Church als Wanderprediger an.
Aus der Ehe mit einer Kirchenmusikerin gehen die drei erwähnten Jungs hervor, die jedoch alles andere als ein typisches, ruhiges Leben führen. Schon die Geburtsorte sagen etwas über die frühe Jugend der kleinen Followills aus: Während Jared und Caleb in Memphis zur Welt kommen, erblickt Nathan in Oklahoma das Licht der Welt.
Dads Job als Reisender in Sachen Jesus führt zu einem unsteten Vagabundendasein. Vierzehn Jahre lang lebt die Familie aus dem Kofferraum des Autos, haust im Wohnmobil oder bei Verwandten, immer unterwegs zwischen Oklahoma City und Memphis, Elvis' letzter Ruhestätte. Mitten in Redneck-Country wachsen die drei auf, während sie ihren Vater begleiten, der das Wort Gottes verbreitet.
Dass die Kirche ihr Leben prägt, versteht sich fast von selbst. Ebendort beginnt auch die musikalische Karriere der Kings Of Leon. Nathan, der Älteste, beginnt im Alter von sieben Jahren damit, die Felle eines Schlagzeugs zu bearbeiten. Sein kleiner Bruder Caleb schaut ihm die Tricks ab und setzt sich irgendwann auch hinter die Schießbude. Nach und nach lernen sie so die musikalische Seite des Glaubens kennen und musizieren munter drauf los.
So begann, wie bei vielen Hip Hop- und R'n'B-Künstlern, ihre musikalische Sozialisation in der Kirche. Wäre ihr Vater nicht gewesen, gäbe es die Kings Of Leon nicht. Nicht nur, dass sie dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht geboren worden wären, es kommt noch besser: Daddy Leon hat sich anscheinend nicht ganz von seinen Hippie-Gewohnheiten gelöst. Irgendwann entziehen ihm die Verantwortlichen der Pentecostal Church den Job, weil er gerne nackig durch die Gegend rennt, Geschichten erzählt und dem Messwein vielleicht etwas stärker zuspricht.
Die Familie lässt sich daraufhin in Nashville nieder. Hier bekommen die Knilche zum ersten Mal die Gelegenheit, der teuflischen Rockmusik mit all ihren widerwärtigen Fratzen ins Gesicht zu sehen, was sie denn auch mit Begeisterung und Hingabe tun. Wenn Mutti nicht hinschaut, gibts Neil Young, Led Zeppelin, Tom Petty und die Rolling Stones zum Nachtisch. Mit dieser Grundausbildung im Rücken proben und experimentieren sie zusammen mit Cousin Matthew eine Weile herum, bis ihnen eine Platte der White Stripes in die Hände fällt. Jack und Megs Interpretationen des Rock'n'Roll beeindrucken sie dermaßen, dass sie die Musik fortan etwas ernster angehen.
Wie jedermann weiß, sind die Auflagen in den USA, was Vergnügungen der Jugendlichen in Bars und Clubs angeht, um einiges restriktiver als in Europa. Matthew und Jared sind zum Zeitpunkt der Bandgründung noch zu jung, um in den Lokalitäten Nashvilles aufzutreten. So machen sie aus der Not einfach das Beste und mieten sich ein ganzes Haus, in dem sie nicht nur proben, sondern wohin sie auch sämtliche Bekannte einladen, um sie zu zwingen, den Ergüssen der Kings zu lauschen.
Schnell ist das erste Demo-Tape eingespielt und fast genauso rasch der Deal mit RCA, einer BMG-Tochter, unter Dach und Fach gebracht. Bevor auch nur der erste Ton der Kings Of Leon auf Silberling oder Vinyl erhältlich ist, gehen sie auf Tour und ernten ein mehr als positives Medienecho. Die Bands (Strokes, MC5, Stooges, Velvet Underground, Neil Young, Led Zeppelin, Creedence Clearwater Revival), die in einem Atemzug mit ihrem Namen fallen, sind so vielfältig, dass es fast schon müßig erscheint, darüber zu philosophieren, welche Beschreibung ihrem Sound wohl am ehesten gerecht wird. Belassen wir es bei einem Sammelbegriff: Rock'n'Roll.
Der erste Ausflug in die alte Welt führt die Kings Of Leon nach England, wo sie bei der Verleihung der New Media Awards Zeuge dessen sind, was den Klischee-Lifestyle des Rockers ausmachen soll, ohne jedoch selbst daran teilzuhaben. "In der Hotel-Lobby waren jede Nacht von ein bis fünf Uhr morgens 200 Leute. Groupies krochen aus Schränken und zogen ihre Röcke an. Es war echt verrückt. Irgendwelche Kerle schnupften Koks vom Kaffeetisch in der Lobby, Leute kotzten aus den Fenstern, warfen Gläser nach den Köpfen anderer." In England erfahren sie auch gleich die Ehrung eines gestandenen Stars. Noel Gallagher ehrt die Band mit zärtlichen Worten: "Die Kings of Leon sind meine verdammte Lieblingsband."
Für die Aufnahmen zum Debüt "Youth & Young Manhood" ziehen sie sich ins Shangri-La-Studio in Malibu zurück, wo bereits Bob Dylan und Ryan Adams vorbeigeschaut haben. Den letzten Schliff erfährt das Album im Mekka der amerikanischen Porno-Industrie, Van Nuys, wo auch schon Nirvana an "Nevermind" feilten. Jenes Studio muss eine Art Museum für Instrumente sein: Dort schnappen sich die Jungs die alte Telecaster von Keith Richards und dudeln ihre Songs auf Band. Heraus kommt eine Platte, die alle Tugenden des Rocks hoch hält und wahrlich große Momente besitzt.
Die Scheibe kommt überaus gut bei Publikum und Journaille an, das aber hauptsächlich in Europa. In der Heimat lösen die vier nicht annähernd ähnlichen Medienrummel aus wie auf dem alten Kontinent. Zwischen allerlei Reisetätigkeiten, um das Album live an den Mann zu bringen, ziehen sich die Kings Of Leon bald wieder ins Studio zurück, um den Nachfolger "Aha Shake Heartbreak" einzuspielen. Bereits hier kündigt sich der musikalische Paradigmenwechsel der Kings an, der auf den Folgeplatten zur Perfektion heran reift. Der lieb gewonnene Hippie-Riffrock weicht mehr und mehr atmosphärischen Gitarrenlinien.
Der Erfolg gibt ihnen Recht: "Because Of The Times", eine Anlehnung an eine jährliche Prediger-Versammlung, die die Bandmitglieder als Jungs regelmäßig besuchten, erklimmt 2007 in England die Chartsspitze. Der Nachfolger "Only By The Night" stößt 2008 die Tür zum Mainstream endgültig auf. In Großbritannien wächst sich das Album zum am drittmeisten verkauften des Jahres aus.
Die Kings zeigen Global Player-Potenzial, da lassen erste Sell Out-Vorwürfe nicht lange auf sich warten. Zumal sich Caleb und Nathan im Studio eine handfeste Schlägerei liefern, bei der sich Caleb den Arm bricht. Steigt ihnen etwa der Erfolg zu Kopf? "Wir waren alle ganz schön betrunken und wissen eigentlich gar nicht mehr genau, warum es soweit kam", stellt Caleb im Nachhinein klar.
Im Zuge der Welttour zum Album "Come Around Sundown" verlässt Caleb im texanischen Dallas offenbar ziemlich angetrunken während des Gigs im Juli 2011 die Bühne, die US-Tour wird abgebrochen. Im Oktober kündigen die Kings Of Leon eine Pause an.
Die Gerüchte, Caleb verbringe die folgenden Monate im Entzug, dementiert er selbst eifrig. Er trinke immer noch, nur nicht mehr so viel, erzählt er im NME-Interview. Alkoholsucht hin oder her, Fakt bleibt: 2013 erscheint das versprochene sechste Album "Mechanical Bull".
An Neujahr 2016 erzählt Caleb im Interview mit dem NME, dass sie an einem neuen Album arbeiten: "Wir haben in unserem Studio bereits mit der Vorproduktion für die nächste Platte begonnen, aber das Wichtigste im Kalender für 2016 ist die Fertigstellung der Platte. [...] Wir werden vielleicht versuchen, einen kleinen Tapetenwechsel zu machen. Unsere ersten beiden Alben haben wir in L.A. aufgenommen, also werden wir versuchen, zurückzugehen und zu sehen, ob es uns inspiriert." Im August geben sie dann bekannt, dass es "Walls" heißen wird, was für die Abkürzung "We Are Like Love Songs" steht. Das Album ist ein großer Erfolg, erklimmt die Nummer eins der Billboard 200 Albumcharts und verkauft sich 77.000 Mal bis Ende Oktober.
Vier Jahre später folgt das mittlerweile achte Studioalbum der Kings of Leon. "When You See Yourself" erscheint Anfang März und ist wie der Vorgänger von Markus Dravs produziert. Im Vorfeld kündigen sie Songs per Teasern auf Instagram an.
Mit hohem Songwriting-Niveau der Familienbande ist mittlerweile immer zu rechnen. So kann sich die US-Truppe längst als das bezeichnen, was schon ihr Vater als Beruf angeben durfte: Wanderprediger. Die Kings blicken auf eine riesige Hörergemeinde.
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