laut.de-Kritik

Angriff auf alle Mitspieler des deutschsprachigen Indierocks.

Review von

"Die Worte sind deine Statisten. Der Text ist dein Bewusstsein." Ist das nun eine Textzeile aus dem Soloalbum von Jochen Distelmeyer? Oder eine Passage aus einem Tocotronic-Manifest? Weit gefehlt. Es ist ein Teil der Spielregeln einer Kölner Band, die sich, verglichen mit einer Partie des Brettspiels Risiko, nicht groß mit dem Thema Diplomatie aufhält. Hier wird gleich erobert, mit Reitern, Kanonen und ausgeklügelter Schlachttaktik.

Schließlich kommt "Es Wird Nur Noch Geatmet" ein Frontalangriff auf alle Mitspieler am runden Tisch des deutschsprachigen, intellektuell getexteten Indierocks gleich. So ganz auf einen Gegner wollen sich die Komplizen der Spielregeln freilich nicht einschießen.

"Lorem Ipsum" und "Pilotenfilm" atmen etwa zu Beginn in dem lakonisch gebrochenem Punk-Sprech von Sänger Tobias Ortmanns den Geist der musikalischen Erzeugnisse der Grands Seigneurs Rachut (Kommando Sonne-nmilch) und Kamerun (Goldenen Zitronen).

An anderen Stellen verweist diese theatralisch gedehnte, beiläufig arrogante Erzählweise tatsächlich auf die frühen Blumfeld-Alben "Ich-Maschine" und "L'Etat Et Moi". Überhaupt scheinen Komplizen der Spielregeln, die auf Bandfotos auch nicht mehr wie die Jüngsten aussehen, die Geschichte des deutschen Indierocks und Postpunks genau studiert zu haben.

Dass dieser in seiner störrischen Gitarrenarbeit und der latenten Neigung zu dynamischen Gewichtverlagerungen und Rückkopplungen in der Hauptsache die großen amerikanischen Noise-Pop-Bands der 90er Jahre zitiert - geschenkt. Die eigentliche Relevanz soll sich – man ahnt es – weniger aus Melodien für Millionen denn aus den Texten erschließen.

Natürlich wird dabei mehrfach um die Ecke gedacht, bis der Kopf brummt. Die ganze Befindlichkeits- und Identifikationsscheiße in narrativer Form wird bewusst vermieden. Ein Auffangbecken für all die diffusen Nöte Heranwachsender will man eben nicht bereitstellen. Nein, hier prasseln Wortfetzen gespickt mit einem Rest Wir-gegen-Die-Punkwut, gesellschaftlichem Zynismus und bewusst gesetzten Plattitüden auf einen ein.

"Entweder gehen wir ein in die Annalen oder wir sind ganz im Arsch." Diese eine markant gesetzte Zeile aus "Pilotfilm" ist, zugegeben, ziemlich platt. Keine Bange, es warten auch bessere. Wie eigen und unbeirrbar hier allerdings eine Band ihren Stiefel herunterspielt und mit schiefem Grinsen aus dem Kellerproberaum grüßt, ist aller Ehren wert. Ab damit.

Trackliste

  1. 1. Position 1
  2. 2. Lorem Ipsum
  3. 3. Pilotfilm
  4. 4. Interconti
  5. 5. Es Wurde Uns Etwas Anderes Versprochen
  6. 6. Normalnull
  7. 7. Kreissaalsafari
  8. 8. Drei Meta Pop
  9. 9. Der Nächste, Bitte!
  10. 10. Oben Lang
  11. 11. Struktur Um 4
  12. 12. Weiss

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14 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Grade bei myspace mal reingehört nach der interessanten Review und als "beschissen" und "nervig" beurteilt.

    Ich und deutscher Indie-Pop/Rock - das wird in diesem Leben nix mehr.

  • Vor 15 Jahren

    @Daniel (« @scumsurfer (« @Daniel (« War letztens PdW auf Plattentest, meiner Meinung nach völlig gerechtfertigt. Sicher lässt die Musik und die Art und Weise, wie der Sänger seine Texte vorträgt, niemanden kalt, dennoch gehört die CD neben der neuen Karpatenhund (...leider noch nicht gehört) zu den interessantesten, deutschsprachigen Neuerscheinungen zur Zeit. »):

    oh oh daniel

    oh oh.

    beruhigend, dass unsere meinungen manchmal auch divergieren.

    das hier ist nämlich käse. »):

    Wer kann davon ausgehen, dass sich unsere Meinungen zu 100 % decken? :confused: Mir sagt das Album sehr zu, du kannst mir ja freundlicherweise im Gegenzug ein paar Platten nennen, die deiner Meinung nach mehr Beachtung verdienen.

    Onomatopoesie nutzt sich zwei Mal in einem Post ab, lieber Kevin. :kiss: »):

    oh nein, das tut sie nicht.

    es geht auch niemand davon aus, aber in vielen fällen sind wir uns doch einig.

    im gegenzug ein paar platten? wenn du möchtest:

    japandroids, manchester orchestra (freut sich matze73), wintersleep, the xx, dirty projectors, franz nicolay.

    joa.

  • Vor 15 Jahren

    puh. nee. echt nicht. genauso krampfig wie es der Bandname befürchtet lässt. Ganz schlimme Ohrenwurst ist das.