laut.de-Kritik

Der Pimplegionär flowt wie ein Bergbach bei Tauwetter.

Review von

Die gute Nachricht: Seine kompromisslose Attitüde hat Savas sich erhalten. Noch immer fickt er seine Hörer "perverser als ein gleichgeschlechtliches Pärchen" und straft damit einen Eko Fresh Lügen, der ihn bereits vor drei Jahren in Rap-Rente schicken wollte. Blätter sind zum Texte schreiben da - nicht um sie vor den Mund zu nehmen.

Savas ist Savas, und das ist gut so. Von Imagerap, ganz gleich ob mit funky Anzug und fragwürdiger G8-Kritik, Goldkette und Sonnenbrille oder schlicht in Dipset-Klamotten, ist der Pimplegionär noch immer "grundverschieden wie Konkret Finn und die Fantas".

Fünf Jahre sind seit Savas' regulärem Debüt ins Land gezogen - eine lange Zeit im schnelllebigen Business. Dennoch ist die deutsche Szene, um es mal mit Tone zu sagen, auf den Zweitling des King of Rap so gespannt wie kleine Kinder aufs Fantasialand. Ein klarer Indikator für den alles überschattenden Stellenwert, den Savas Yurderi im Hip Hop-Deutschland des 21. Jahrhunderts einnimmt. Sei es als Labelchef, als Wegbereiter für den roughen Berliner Style oder auch schlicht als Ikone, die von jedem zweiten Battlerapper gebitet wird. Love it or hate it - Savas ist nach wie vor die Nummer Eins des Genres, auch wenn die Konkurrenz deutlich besser verkauft.

Natürlich war JUKS in der vergangenen halben Dekade keineswegs untätig. Neben einem respektablen Remixalbum und einer Azad-Kollabo rappte er zahllose Gastparts ein, releaste mit seiner Crew zwei Mixtapes und versuchte darüber hinaus, die Optik-Army ins Rampenlicht zu hieven.

Doch obgleich Ercandize, Kubrick, Caput und co. sich fraglos immer weiter entwickeln, erzeugt doch keiner von ihnen diese atemberaubende Präsenz am Mic wie Savas. Ein schlauer Zug also, für "Tot oder Lebendig" als einzigen rappenden Gast den Dauerwegbegleiter Azad zu laden. Savas pur - das gab es zuletzt zu einer Zeit, als der Neu-Heidelberger die Namen seiner imaginären Gegner noch nahtlos in "schwul, Fotze, Nutte, scheiße und wack" einreihte.

Doch leider kommen der Rapper und ich musikalisch nicht mehr auf einen Nenner, und das ist die schlechte Nachricht. Was 2002 noch verspielte, rollende Instrumentals und Westcoaststyle besorgten, schrumpft 2007 auf teils belanglose Melodiearrangements zusammen. Ausnahmen gibt es, klar: Die Vorabsingle "Der Beweis" plättet auch auf musikalischer Ebene noch genauso wie das "Urteil", mit dem er seinerzeit Eko zur Existenz in der rapbiologischen Kölner Nische verdammte. "Mona Lisa" wächst mit Monotonie und wenig anbiederndem Drumset gar zum größten Track der Scheibe heran. Und "Alle Schieben Optik" wäre auch an Savas' "Bestem Tag" noch ein herausragender Track gewesen.

Ebenso clever auch "Essah", bei dem sich KKS wie zu besten "Neongelb"-Zeiten förmlich in Rage rappt. Nervtötend ist nur die Singsang-Introduktion des Optik-Goldkehlchens Moe Mitchell. Es bestand schon vorher kein Zweifel an Savas' Ausnahmestellung, da braucht es eigentlich keinen Valezka-Nachfolger zum Arschküssen. Bei "Melodie" fällt die im Duett mit Monröschen Senna gesungene R'n'B-Hookline deutlich weniger negativ auf, der Track schafft es wegen seines gebremsten Flavours allerdings dennoch nicht zu einem Höhepunkt. Auch Lieder wie "Orakel", "Krank" oder "Nur Ein Spiel" verlieren dadurch an Glanz, obwohl der Protagonist nach wie vor flowt wie ein Bergbach bei Tauwetter. Schade!

"On Top", ursprünglich als Featurepart für Nas gedacht, gibt eine passable Single in Tradition von "Der Beste Tag Deines Lebens" und "All 4 One" ab. Richtig nahe geht mir der Song nach all den Durchhalteparolen von Azad und Savas in den vergangenen Jahren jedoch auch nicht mehr. Bei allen Zugeständnissen an menschliche Weiterentwicklung und Liebe zu Themen-Tracks: an dieser Stelle hätte eine respektable Battlehymne größeren Anklang gefunden. Kool Savas heißt, frei übersetzt, immer noch Kalter Krieg.

Was bleibt, ist der Zwiespalt. Nach fünf Jahren Wartezeit bietet der Zweitling elf Songs, einen Skit (auf dem Savas' Großvater einen wunderschönen Appell für mehr Toleranz in der Erziehung ablässt) und zu wenige Höhepunkte. Dass der Rapper selbst eigentlich alles richtig macht und sich deutlich besser in Form präsentiert als auf den letzten Mixtapes, lässt diesen Umstand um so trauriger erscheinen. Sicher: Auf "Tot Oder Lebendig" befindet sich kein einziger schlechter Track. Das Ding ist rund. Aber geht es auch ins Tor?

Trackliste

  1. 1. T.O.L. Intro
  2. 2. Orakel
  3. 3. Der Beweis
  4. 4. On Top (feat. Azad)
  5. 5. Essah (feat. Moe Mitchell)
  6. 6. Mona Lisa
  7. 7. Alle Schieben Optik (feat. Moe Mitchell)
  8. 8. Nur Ein Spiel
  9. 9. Tot Oder Lebendig
  10. 10. Dede Skit
  11. 11. Krank
  12. 12. Melodie (ft. Moe Mitchell, Senna)

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236 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    hab da was interessantes gefunden.
    wer bock hat, savas videos zu sehen, hier die komplette videografie, hab das gestern beim stöbern entdeckt.
    http://www.yavido.de/kool-savas-videografi…

    viel spaß! :D

  • Vor 15 Jahren

    Da fehlen aber "Bei mir", "King of Rap" & "OK" :rolleyes: Drecks-Videographie...

  • Vor 3 Jahren

    Rund fünf Jahre nach seinem wegweisenden Debüt „Der beste Tag meines Lebens“ folgte mit „Tot oder Lebendig“ der heiß erwartete Zweitling des selbsternannten King of Rap. Und das Ergebnis könnte nicht enttäuschender sein: Nach dem vor allem live unheimlich beliebten Intro folgen ausschließlich durchschnittliche Battleraps und uninspirierte Thementracks, die deutlich machen, in was für einer kreativen Sackgasse Savas angekommen ist. Einzig die Technik-Wichsvorlage „Mona Lisa“ lässt noch einmal aufhorchen, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die Karriere von Savas 2007 an einem Scheidepunkt angekommen ist. (1/5).