laut.de-Kritik

Rammstein. Till Lindemann. Pop-Soul?

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Wie bekommt man seit Mitte der 1990er unter Garantie immer Aufmerksamkeit, mehr Klicks, mehr Views, egal, um was es geht? Mit Rammstein. Wenn es dafür nicht reicht, muss halt deren Sänger Till Lindemann herhalten. Das funktioniert auch noch. Von daher macht die Niederländerin Kovacs mit dem ersten Zug für ihr drittes Album "Child Of Sin" marketingtechnisch alles richtig. Jetzt muss sie nur noch liefern.

Erstmals übernimmt die Sängerin die volle Kontrolle über ihr Werk, sieht in ihm "das, was ich bin. Kovacs. Hundertprozentig roh und ehrlich." Vor allem sticht dabei ihre dunkel gefärbte Stimme, zwischen Marianne Faithfull, Shirley Bassey und einem Funken Wahnsinn angesiedelt, heraus. Zwar verfügt sie nicht über die größte Range, holt aber mit purer Kraft aus dieser unfassbar viel raus. Passend dazu stellt Bombast den Hauptbestandteil ihres Pop-Souls dar.

Was spätestens im Titelsong, jenem Duett mit Lindemann, ein Problem darstellt. Seit Anbeginn der populären Musik gehört das gemeinsame Spiel von männlichen und weiblichen Stimmen dazu. Meist lautet die Formel: Düsterer und zerfurchter Kerl trifft auf ihre Engelsstimme. Siehe Nancy Sinatra und Lee Hazlewood ("Nancy & Lee") oder Mark Lanegan und Isobel Campbell ("Ballad Of The Broken Seas"). So funktionell wie mittlerweile vorhersehbar. "Child Of Sin" sprengt zum Glück dieses Schema, doch viel mehr Positives lässt sich über das Stück schon nicht mehr sagen.

Kovacs und Lindemann singen nicht mit-, sondern gegeneinander. Nie finden sie in dem englischsprachigem Duett zusammen, versuchen sich eher in ihrer Theatralik zu überbieten. Wo Kovacs einen sie erdenden Part benötigt hätte, stampft Lindemann als Karikatur seiner selbst wie ein gerade unfreiwillig aus dem Winterschlaf erwachter Bär ins Bild und lässt den an sich guten Dark-Soul-Track ins unfreiwillig Komische kippen.

Lindemann zieht sich danach zwar den Rest des Albums freundlicherweise zurück, der Hang zur großen Geste inklusive allgegenwärtigem Orchester-Arrangement bleibt jedoch erhalten. Bereits der gelungene Opener "Fragile" wirkt wie für einen nie veröffentlichten James Bond-Film geschrieben. Schließt man die Augen, kann man den Vorspann mit all seinen Klischees an den Augen vorbei ziehen sehen. "Bang Bang" verfügt zwar über eine Quetschkomoden-Romantik, bringt den Vergleich mit den 007-Soundtracks dank seines Refrain jedoch sofort wieder in Erinnerung: "Bang bang / A light going out / Bang bang / You fall to the ground."

"Freedom" gibt dem Klangbild eine indische Note. Nach dem für einen Hauch einer Sekunde an George Michael erinnernde Chorus (aber kann man einen Refrain mit dem Wort "Freedom" beginnen, ohne dabei an George Michael zu erinnern?) versteckt sich weit im Hintergrund ein Smartphone-Wecker, der mich jedes mal narrisch macht und nach meinem Handy greifen lässt. Arghs! "Motherless Boy" entstand zusammen mit einem Sinti- und Roma-Ensemble. Das Highlight stellt jedoch das an sich fesselnde "High Tide" dar, das trotz deutlich zurückgenommenem Arrangement über eine fesselnde Dynamik verfügt und diese im bewegenden Chorus gipfeln lässt.

Doch zu oft bleiben die Lieder zu konform, fehlen die Überraschungsmomente. So steht "Child Of Sin" immer knapp davor, eine gleichförmige Masse zu bilden. Kovacs Stimme und mancher Kniff in der Instrumentierung schützen ihr drittes Werk davor.

Trackliste

  1. 1. Fragile
  2. 2. Goldmine
  3. 3. Child Of Sin
  4. 4. Bang Bang
  5. 5. Freedom
  6. 6. Love Parasite
  7. 7. High Tide
  8. 8. Motherless Boy
  9. 9. Not Scared Of Giants
  10. 10. Mama

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